@Sibi: Meine Meinung zum Thema hab ich schon ein paar Mal ausgeführt, aber hey, nochmal:
Ein Lockdown hätte ca. 4 Wochen dauern müssen. Dann aber mit maximaler Einschränkung - Häuser werden nicht verlassen, das öffentliche Leben steht still, einzig Testpersonal, Rettungsdienst, Feuerwehr und Polizei plus die ein oder anderen Techniker für Telefon/Strom/Gas/Wasser, die aber strengen Auflagen unterliegen. Zeitgleich Grenzen dicht. Und mit dicht meine ich Stacheldraht- und Panzersperren-dicht. Einreise nur noch über Grenzübergänge mit anschließender 4-tägiger Quarantäne plus tägliche PCR-Tests - Quarantäne wird nur verlassen, wenn alle fünf Tests negativ waren, wird einer positiv, ist die Quarantäne für alle Kontaktpersonen 14 Tage separat mit engmaschiger Überwachung.
Danach hast du den Virus ausgehungert, weil eine Erkrankung ca. 7-14 Tage anhält und dabei ansteckend ist - d. h. die direkten Kontaktpersonen (die ja im Lockdown nur die eigene Familie betreffen) sind ebenfalls bis zum Ende des Lockdowns wieder kuriert (oder hängen auf Intensiv). Du vernichtest damit die Keimzellen und hast am Ende eine negative Bevölkerung. Man kann dann immer noch stichprobenartig testen, aber das Groß der Infektionsherde ist damit weg - du kannst den Virus nur noch importieren. Daher bleiben die Grenzen dicht und die Quarantäne-Maßnahmen für Grenzgänger intakt.
Hätte man das weltweit so durchgezogen, wäre der Spuk nach einem Monat Geschichte gewesen. Hat man aber nicht, weil profilierungssüchtige Arschgeigen und selbstgefällige Youtube-Virologen zwar zu blöd sind, Biologie und Mutation richtig zu schreiben, aber trotzdem die ganze Zeit den Schnabel auf haben.
Das Problem an biologischen Systemen, und das sag ich jetzt wahrscheinlich schon zum tausendsten Mal, ist die Anpassungsfähigkeit. Ein Vogel, der normalerweise nur Marienkäfer frisst, wird in einem Hungerjahr anfangen, auch Wespen, Bienen, Maikäfer, Laufkäfer und Fliegen auf die Speisekarte zu setzen, wenn er sie verträgt und sie in adäquatem Umfang vorhanden sind. Ist er dazu nicht in der Lage, stirbt ein Großteil der Population aus. Gibt es viele Jahrzehnte dauernde Hungerperioden, verändern sich die Lebensweise des Vogels, bis hin zu physischen Änderungen in der Population (breitere/spitzere/größere Schnäbel, erhöhte Toleranz gegen das Gift der Beutetiere etc.). Dauern die Hungerperioden viele Generationen an, schlägt sich die Veränderung im Gencode nieder und es bildet sich eine Art heraus, die noch Ähnlichkeiten mit der Ursprungsart hat, aber sich distinkt von ihr unterscheidet. Siehe Galapagos-Finken. Bei Viren ist es weniger gezielt, weil die Mechanismen andere sind, aber das Prinzip bleibt gleich.
Wie läuft das:
Es gibt immer mal wieder Veränderungen im Gencode, das ist normal. Das Sichelzell-Allel, die Toleranz erwachsener Europäer gegenüber Laktose und auch der Melamingehalt der Haut sind Veränderungen, die sich im Laufe der Jahrtausende in der Keimbahn niedergeschlagen und verbreitet haben. Bei zweigeschlechtlichen Arten ist das oft nicht einmal sichtbar: Die Sichelzell-Anämie bricht nur aus, wenn sowohl Mutter als auch Vater beide dem Kind das Sichelzell-Allel vererben (man besitzt immer zwei Kopien seines Erbguts; bei der Vererbung wird jedoch eine Kopie des Vaters und eine der Mutter dem Kind vererbt, daher können Krankheiten und Aussehen Generationen überspringen). Es besteht daher (wenn beide Eltern je ein Allel mit und eines ohne der Mutation besitzen) nur eine 25%ige Chance, dass das Kind beide Sichelzell-Allele, oder respektive die Mutation gar nicht vererbt bekommt. Die restlichen 50% werden gemischte Allele vererbt bekommen, und diese haben auch einen Vorteil: Sie haben höhere Resistenzen gegenüber der Infektion mit Plasmodien, die Malaria hervorrufen. Sowohl die Sichelzell-anämischen Nachfahren als auch die ohne ein Allel haben in ihrer Umgebung (dort, wo die Malaria endemisch ist) einen evolutionären Nachteil - sie sterben zu einem signifikant höheren Prozentsatz gegenüber den Gemischt-Allel-Nachfahren vor der Geschlechtsreife durch die Anämie oder durch Malaria, so dass sich im Laufe von tausenden Generationen diese Mutation evolutionär verbreitet und durchgesetzt hat. Mutation und Selektion. Da reichen auch wenige Prozentpunkte für einen signifikanten Unterschied, das lässt sich vergleichsweise simpel rechnen:
Angenommen, wir haben 100 Leute mit der Mutation auf einem Allel (Aa-Mutanten), die eine 98%ige Chance haben, Nachwuchs zu zeugen ohne vorher zu sterben.
Angenommen, wir haben 0 Leute mit der Mutation auf beiden Allelen (AA-Mutanten), mit einer nur 80%igen Chance, Nachwuchs zu zeugen (wird erst in Generation 2 relevant).
Angenommen, wir haben 9.900 Leute ohne die Mutation (aa-Mutanten), mit einer 94%igen Chance, Nachwuchs zu zeugen.
Angenommen, Nachwuchs bedeutet bis zu 10 Kinder, und die Mutation ist unsichtbar, d. h. beeinflusst nicht die Partnerwahl.
In Generation 0 werden fast keine Aa-Mutanten auch mit einem Aa-Mutanten eine Partnerschaft eingehen (Wahrscheinlichkeit: ~1%), jedoch sehr viele aa-Mutanten mit ihresgleichen, d. h. 98 Paare mit einem Aa-Mutanten, 1 Paar mit zwei Aa-Mutanten und 4.901 aa-aa-Paare:
Aa-Aa-Paar:
(0,98*0,98) ist die Chance aufs erste Kind für 1 Paar, d. h. es entsteht mit 96%iger Wahrscheinlichkeit ein Erstgeborener, mit noch 92%iger Wahrscheinlichkeit ein Zweitgeborener etc. - macht statistisch 8 Kinder (ja, ist Quatsch mit einem Paar, aber von der Logik her ist es wichtig, das mal so zu erklären)
Aa-aa-Paare:
(0,98*0,94) ist die Chance aufs erste Kind für 98 Paare, d. h. es entstehen 90 Erstgeborene, danach wieder die Wahrscheinlichkeit auf die verbliebenen Paare anwenden macht 83 Zweitgeborene, 76 Drittgeborene, ... - statistisch (aufgerundet) 642 Kinder.
aa-aa-Paare:
(0,94*0,94) ist die Chance aufs erste Kind für 4901 Paare, d. h. es entstehen 4330 Erstgeborene... - statistisch (abgerundet) 26.410 Kinder.
(Zu den Rundungen: Ich runde hier zur nächsten durch zwei teilbaren Zahl hin, weils Rechnen danach leichter ist)
Jetzt Allele rechnen:
Bei den Aa-Aa-Eltern ist die Wahrscheinlichkeit auf ein AA-Kind 25% (0,5*0,5), auf ein aa-Kind 25% (0,5*0,5) und auf ein Aa-Kind 50% (0,5*0,5 + 0,5*0,5): 2 AA-Kinder, 2 aa-Kinder, 4 Aa-Kinder.
Bei den Aa-aa-Eltern ist die Wahrscheinlichkeit auf ein AA-Kind 0% (0,5*0,0), auf ein aa-Kind 50% (0,5*1,0) und auf ein Aa-Kind ebenfalls 50% (0,5*1,0): 0 AA-Kinder, 321 aa-Kinder, 321 Aa-Kinder.
Bei den aa-aa-Eltern ist die Wahrscheinlichkeit auf ein AA-Kind 0% (0,0*0,0), auf ein aa-Kind 100% (1,0*1,0) und auf ein Aa-Kind ebenfalls 0% (0,0*0,0): 0 AA-Kinder, 26410 aa-Kinder, 0 Aa-Kinder.
Die Generation 1 besteht also nun aus 27060 Individuen:
2 AA-Mutanten (0,007% von 0,0% weg)
325 Aa-Mutanten (1,2% der Bevölkerung von 1,0% weg bei minimal höherer Fitness)
26733 aa-Mutanten (gesunken von 99% auf 98,798%, trotz guter Fitness)
Jetzt wieder Paare bilden und dran denken, dass AA-Mutanten auf jeden Fall ein Allel weitergeben, d. h. AA-aa-Paare werden 100% Aa-Kinder produzieren, AA-Aa-Paare zu 50%. Simuliert man das über eine große Zahl an Generationen, wird man feststellen, dass irgendwann gut 50% aller Individuen bei Geburt Aa-Mutanten sind, 25% das Allel nicht haben und 25% AA-Mutanten sind, weil der Driftfaktor, also die Fitness des Allel-Mischlings, maximal ist.
Warum diese Rechnung: Ich wollte hier ganz einfach zeigen, wie minimale Fitnesssteigerung schon nach einer Generation zu sichtbaren Steigerungen führt. Und hier reden wir von zweigeschlechtlichen Wesen.
Jetzt mal zu Viren. Die haben kein Geschlecht und auch keinen daraus folgenden Reparatur-/Kompensationsmechanismus, wie im o. g. Beispiel. Deren Nachkommenschaft ist auch nicht 0-10, sondern eher so 0-1.000, und die Generationszeit liegt auch nicht wie beim Menschen in der Größenordnung von 20 Jahren, sondern eher bei ein paar Minuten. Das bedeutet, die Rechnung oben vereinfacht sich etwas, wird dafür an anderer Stelle komplizierter:
Angenommen wir haben 1000 Viren (Generation 1) mit einer vorteilhaften Mutation, die z. B. den Impfschutz umgeht. Sie infizieren mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,1% einen neuen Wirt aus einem Pool von 8 Mrd. Menschen und können von diesem aus zu 98% (Sterblichkeit/Gebrechlichkeit des Wirts) weitere infizieren, sagen wir bis zu 20 Wirte.
Daneben haben wir 1 Mrd. Viren ohne diese Mutation. Sie infizieren ebenfalls mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,1% einen neuen Wirt, der Pool ist durch die Impfungen jedoch nur noch 5 Mrd. von 8 Mrd. Menschen (der Einfachheit halber gleichverteilt) groß. Weitere Infektionen wie oben.
Infektion der Mutante: 1 Mensch. Weitere Infektionen (wie oben gerechnet - mit x*0,98 mit 0<=x<=20, Schrittweite 1): 16 Menschen.
Infektion der Stammvariante: 1 Mio. Menschen. Weitere Infektionen (diesmal jedoch mit dem Impf-Malus, d.h. (Integral aus x=x*0,98)*5/8 mit 0<=x<=20, Schrittweite 1): 10,18 Mio Menschen.
Und da sieht man jetzt schon nach einer Iteration, wie krass sich eine Impfung auf die Fortpflanzungsfähigkeit eines Virus auswirkt. Spielt man das jetzt ein paar Mal durch, wird die Mutante sehr schnell die Stammvariante überholen. Wir sehen das gerade bei Delta. Die Impfungen sind jetzt nur ein Punkt, der einen Nachteil für die Stammvariante bringt, und damit eine Nische eröffnet für die Mutanten, denn während der Pool nach wenigen Iterationen durch Resistenzen aus gesundeten Infizierten ebenfalls weiter schwindet. Der Pool, der sowieso schon nur 62,5% des Gesamtpools darstellt. Die Mutante hat das Problem noch lange nicht, ihr Gesamtpool bleibt noch lange Zeit im oberen 90%-Bereich.
Fehlt nur noch eine Sache: Mutationen. Bei SARS-CoV-2 wissen wir, dass ungefähr alle 10-20 Millionen Infizierte eine Mutante entsteht, die lokal einen Vorteil hat. Spielen wir das mit der obigen Mutante und einer durchschnittlichen Inkubationszeit von 3 Tagen durch:
Tag 3: 16 Menschen neu infiziert, gesamt 16
Tag 6: 265 Menschen neu infiziert, gesamt 281 *
Tag 9: 4.321 Neuinfektionen, gesamt 4.602
Tag 12: 70.370 Neuinfektionen, gesamt 74.972
Tag 15: 1.146.128 Neuinfektionen, gesamt 1.221.100
Tag 18: 18.667.139 Neuinfektionen, gesamt 19.888.339 BINGO!
(Ja, ich habe hier mit Absicht lokalisierte Bremsfaktoren rausgelassen, die etwa ab der mit Stern markierten Größenordnung ausschlaggebend werden, weil das in einem nicht abgeschlossenen Raum sehr komplex zu rechnen wird - im Prinzip dauert das also ein paar Tage länger, aber man sieht recht flott, wie schon wenige Viren riesig durchmultiplizieren).
Und genau das ist unser Problem: Nicht, dass wir impfen können, sondern dass Mutanten so schnell Verbreitung finden, dass wir nicht schnell genug reagieren können, egal wie modular die Impfvektoren sind, weil die großtechnische Produktion alleine schon Monate zum Anlaufen braucht, und Produktion allein ist noch kein Impfschutz im Individuum. Deshalb war mein Take auf dieses Problem von Anfang an: Ausrotten, BEVOR ES EIER LEGT! Jetzt haben wir nen ganzen Zoo an Eiern die fleißig schlüpfen und sich vermehren, weil irgendwelche Knödel unbedingt gewählt werden wollten oder ihre Selbstherrlichkeit mittlerweile in Bruttoregistertonnen angeben müssen. Und Millionen von Vollpfosten, die das Problem nach einem verdammten Jahr immer noch nicht verstanden haben, klatschen fleißig Beifall, wenn von eben jenen Selbstdarstellern verkündet wird, dass wir bis zum Ende des Jahres wohl das erste Nest langsam mit Flammenwerfer zerlegt haben werden. YAY! "
Die Brücke" erfolgreich verteidigt. Zweiten Weltkrieg trotzdem krachend verloren. Wie konnte das nur passieren?