Das ist keine Tendenz, die jetzt so langsam aufkommt, das ist eine Tendenz, die schon seit Jahren besteht. Nennt sich allgemein Verrohung unserer Gesellschaft. Ich würde geschätzt sagen, dass wir bereits vor 5-10 Jahren darüber diskutiert haben, dass wir uns früher als Jugendliche auch geprügelt haben, wenn der andere am Boden lag aber nicht mehr nachgetreten haben. Anders als es heute und in den letzen x Jahren ist.
Ernsthaft?
Ok, du hast am Schluss ein "x" gesetzt, aber vorher warst du konkreter und weißt trotzdem wahrscheinlich selber, dass das halt eben nicht nur schon seit x Jahren der Fall ist, sondern wahrscheinlich seit Menschengedenken. Das man denkt, es war früher alles besser, obwohl es früher im Schnitt immer schlimmer war.
Ich will nichts verharmlosen, mich schocken die Ereignisse zu Silvester immer noch, egal, ob Nero glaubt, ich übertreibe mit meinem Schock.
Genau das tue ich eben nicht, auch gerade deshalb nicht, weil ich sage, dass es heute, auch Silvester 2015, sicherer in De war als die Jahrzehnte vorher, weil wir als Menschheit uns trotz aller Scheiße immer weiter entwickeln.
Dennoch oder gerade deshalb schockt mich das Ganze, auch ohne Tote (damit Nero es auch versteht), eben weil wir schon weiter sind.
Selbst die kriminellen "Antanzer", also Diebe, die Oktoberfest-Grabscher, die Machos wissen, dass das nicht ok war.
Aber deswegen verstehe ich nicht, wie die Rechten (und ja, die Schublade gönne ich mir), denken könnten, die Ereignisse geben ihnen Recht in ihren Vorurteilen.
Die Ereignisse, die ich, noch mal, schockierend und nicht hinnehmbar empfinde, geben denjenigen Recht, die sagen, man darf nicht dahin kommen, Gruppen, gebildet aus welchen Merkmalen auch immer, gegeneinander auszuspielen.
Weil das immer Aus- oder Abgrenzung bedeutet und damit die Gefahr birgt, sich über andere zu stellen und die anderen, zum Beispiel die Gruppe der Frauen, begrapschen zu können.
Es ist eigentlich alles das selbe Spiel: Ausländer beklagen sich über Diskriminierung und ziehen im schlimmsten Fall als unüberlegte Reaktion über Deutsche her und beklauen sie. Sind ja nur die doofen Deutschen, die sich ausnutzen lassen.
Deutsche beklagen sich über Ausnutzung und ziehen im schlimmsten Fall als unüberlegte Reaktion über Ausländer her und zünden Häuser an. Sind ja nur die doofen Schmarotzer.
Männer beklagen sich über den Genderwahn und begrapschen im schlimmsten Fall als unüberlegte Reaktion auf dem Oktoberfest oder zu Silvester Frauen. Sind ja nur die Weibchen.
Frauen beklagen sich über Benachteiligung und erstatten im schlimmsten Fall als unüberlegte Reaktion falsche Anzeige wegen sexueller Nötigung. Sind ja nur die Machoschweine. (Ich gebe zu, hier etwas konstruieren oder aufbauschen zu müssen, mir ging es nur um Auswüchse, die bei Problemen für Frauen offenbar wirklich eher Ausnahmen sind?)
Soll heißen: ja, gerade läuft einiges schief, nein, das hat weder mit dem einen, noch dem anderen, was konkret zu benennen ist, zu tun.
Es ist alles eine Melange aus vielen Dingen, die eben nicht mit Schlagwörtern zu lösen sind. Die eben nicht konkret zu benennen sind.
Sondern nur diffus zu benennen und zu erfassen.
Um es etwas konkreter zu machen: der ein oder andere hier, der sich nichts zu schulden kommen lassen hat, aber Angst um die Ordnung hier in diesem Lande hat, würde sich genau die gleichen Sorgen machen, wenn er/sie als Flüchtling vor vielleicht einem Jahr hier her gekommen wäre und die ganzen Diskussionen mitbekommt.
Manch Deutscher überlegt sich aus dieser Sorge heraus, sich in welcher Form auch immer wehrhafter zu benehmen und würde das genau so machen, wenn er hier als Flüchtling mitlesen würde, dann halt nur von der anderen Seite.
Weil diese "Sorgen" diffus sind.
Und so etwas Diffuses kann man halt nur lösen, wenn man sich entgegen kommt. Was nie und nimmer geschehen kann, wenn man aufeinander eindrischt.
Und das ist keine "Heile-Welt" oder "Gutmenschen-Gelaber", das ist die einzige Alternative zum Eindreschen aka Gewalt.