Seonendseounli
Dummes Zeug
- Registriert
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Das Problem ist stets psychologischer Natur
In der Tat. Dazu ein interessantes Interview mit einem Sozialpsychologen. Viele der von ihm genannten Reaktionen meinte ich auch hier im Thread bei gewissen Leuten sehr oft feststellen zu können...
Vielen Menschen fehlt die Toleranz dort, wo sie sich einem Objekt gegenübersehen, das sie nicht verstehen, und weil sie es nicht verstehen, als Bedrohung wahrnehmen. Diese Menschen erleben ihre Intoleranz auch nicht als etwas Negatives, sondern als berechtigte Verteidigung ihres Lebens und ihrer Werte, die für sie weder verhandelbar noch relativierbar sind. Denn im Grunde sind sie felsenfest davon überzeugt, recht zu haben. Das ist ein Symptom dafür, wie stark die Angst ist. Angst führt in der Regel auch zum Wunsch nach einfachem Denken, weshalb ein starker Bedarf an Orientierungshilfe besteht. Man könnte sagen, dass wir in der derzeitigen Diskussion um die Flüchtlinge oft auf Personen treffen, die sich einen autoritären Staat wünschen, der ihnen alle Orientierungsprobleme abnimmt.
Flüchtlinge sind gerade deshalb ein Ziel der Angstprojektion, weil die Flüchtlingsbewegungen nicht so einfach zu begreifen sind. Hinzu kommt die Unterstellung, die Flüchtlinge würden den Einheimischen etwas wegnehmen, das Entdecken von Positivem wird einfach nicht zugelassen. Vielmehr wird alles als negativ wahrgenommen mit der gleichzeitigen Überzeugung, auf der Seite der Wahrheit zu stehen. Jemand ohne Angst hat eine viel größere Distanz zu den Dingen und wird verschiedene, eben auch positive Perspektiven zulassen. Der Ängstliche reduziert die ganze Welt auf einzelne Schemata, was es ihm erleichtert, für ihn eindeutige Lösungen zu finden.
Wenn ich Differenzierung scheue, habe ich auch große Schwierigkeiten, sachliche Informationen in mein Gesamtbild einzubauen, wie etwa Statistiken. Jemand der Angst hat, lässt sich und sein Angstobjekt nicht durch Daten relativieren, was schließlich zu Vokabeln wie „Lügenpresse“ führt. Mit sachlichen Informationen will er sich nicht beschäftigen, sondern glaubt – von Angst diktiert – zu wissen, wie die Sachverhalte sind. Viele entwickeln sogar die Vorstellung, die wahren Informationen würden einem vorenthalten, wobei hier das Bedürfnis nach Eindeutigkeiten groß ist, die man am besten von einer Autorität versichert bekommt. Zwischenfarben werden nicht akzeptiert.
Es ist diese Schwierigkeit im Erleben, ein Deutscher zweiter Klasse zu sein, obwohl man doch zum selben Volk gehört. Hier wird verstärkt mit der vor-modernen Kategorie des „Volkes“ argumentiert, das blut- anstatt verdienst- oder leistungsorientiert ist und eine Gleichheit suggeriert, die viele Menschen speziell in Ostdeutschland aber gar nicht erleben. Diese Diskussion der Zugehörigkeit wird jetzt verschoben auf die Flüchtlinge als diejenigen, die das „Volk“ unterwandern. Damit wird so getan, als sei Deutschsein eine verdiente Auszeichnung, im Gegensatz zu den Fremden, die – angeblich – bevorzugt behandelt werden, ohne es verdient zu haben. Dabei würde kein Bürger mit einem von den Flüchtlingen tauschen wollen
Jemand, der in dieser Weise unter Angst steht, ist nicht mehr in der Lage, objektive Informationen zu verarbeiten. Der ist voller Panik, dass sein Weltbild nicht stimmen könnte, und blendet alles aus, was dieses Weltbild bedroht. Daher haben Kampagnen, die auf sachliche Informiertheit ausgerichtet sind, meist wenig Erfolg: Es wird nur für wahr gehalten, was die Angst, wenigstens für den Moment, beseitigt. Also abschieben oder verfolgen. Als gut erscheint alles, was zu mehr Kontrolle führt. Wichtig an dieser Stelle ist, dass im Hintergrund die Vorstellung steht, der Staat habe in seiner unbezweifelbaren Autorität nichts anderes zu tun, als die Sicherheitsbedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen. Und was in erster Linie Sicherheit bietet, ist die Reduzierung der Gesamtbevölkerung auf etwas, was „Volk“ heißt und von vornherein Fremde – also die, die man nicht versteht und denen man deshalb misstraut – ausgrenzt.