Da kommen wir wirklich an ein Problem:
Deutsche Gesetze gelten auch, wenn der Andere sich nicht dran hält.
Ja, das siehst du richtig. Allerdings - und da kommen wir in den eben von mir angesprochenen Fall - gelten für mich erweiterte Rechte für den Fall, DASS sich mein Gegenüber nicht an die Spielregeln hält. So muss ich mich nicht von einem Mörder umbringen lassen, um rechtlich einwandfrei zu handeln, sondern darf mich sogar bis zum in Kauf genommenen Ableben des Angreifers wehren, ohne dass mir dadurch rechtliche Konsequenzen drohen (um die prominenteste Regel hier anzuführen).
Das bedeutet: Es existieren für den Fall, dass der Gegenüber die Gesetze für sich als nicht bindend erachtet, Ausnahmeregelungen, die einen in die Lage versetzen, einen drohenden Eingriff in die verfassungsmäßig garantierten Rechte abmindern oder gar abwehren zu können.
Dummerweise - und das ist ein nicht zu unterschätzendes Problem - sind Menschenrechte eine Basis, auf der die anderen Gesetze aufbauen. Das bedeutet, wenn man einen technisch-logischen Denkansatz verfolgt, dass die Menschenrechte selbst dann noch gelten, wenn die darauf aufbauenden Gesetze ungültig werden, was weiterhin heißt, dass die Menschenrechte nicht durch darauf aufbauende Gesetze geschützt werden können. In letzter Konsequenz, die in meinen Augen immer in Betracht gezogen werden muss, müssen sich die Menschenrechte selbst schützen bzw. einen direkten Angriff auf sie auch direkt abwehren können. Daher mein bilateraler Ansatz - Menschenrechte können nur gewährleistet werden, wenn alle Beteiligten sie als gültig erachten. Ist einer der Beteiligten anderer Ansicht, KANN dieser Anspruch nicht mehr aufrecht erhalten werden, denn jeglicher Zwang, sie doch zu akzeptieren und sie anderen zugestehen zu müssen, ist zwangsläufig nicht mehr menschenrechtskonform, sei es durch Vergeltungsdrohung, Freiheitsentzug oder durch die finale Problemlösung.
Das ist übrigens auch das Problem der ganzen Hardcore-Pazifisten, weshalb ich diese Ideologie als überlebensunfähig ablehne: Im Moment, in dem auch nur einer nicht den pazifistischen Ansatz verfolgt, sondern Gewalt als Mittel zur Durchsetzung seiner Interessen als probat erachtet, befindet sich der Pazifist IMMER in der Defensive, bis der Aggressor entweder selbstständig aufhört (und damit wieder zum Pazifisten wird), durch eine höhere Macht mit adäquater Vergeltung bedroht wird oder sein Ende findet oder der Pazifist eben den finalen Rückzug (in den eigenen Tod) antritt. Das Eingreifen einer höheren Macht hingegen ist IMMER nichtpazifistisch und schließt einen rein-pazifistischen Lösungsansatz ohne den Tod des Pazifisten daher kategorisch aus.
Zugegeben, das ist philosophische Grundsatzdiskussion; sie ist in meinen Augen allerdings wichtig für die Erstellung einer für jede Lebenssituation gültigen Moral. Man macht es sich nur oft sehr einfach und nimmt an, dass man nie auf sich allein gestellt ist. Faktisch gibt es aber keinen Retter, der auf weißem Ross in jeder Krisensituation die Lösung bringt. Manchmal ist man halt allein, und es entscheidet nur der eigene Moralkodex. Daher sind Menschenrechte - in meinen Augen - als bilateraler Vertrag zwischen zwei Menschen anzusehen.
Interessant ist es z.B. wie mit Touristen verfahren wird:
Das ist tatsächlich interessant, denn betrachtet man deutsches Recht und nimmt man an, dass dieses in allen Ausprägungen auch in anderen Staaten gilt (Universale Rechtsgültigkeit), so ergeben sich unauflösbare Problemsituationen:
Begeht ein Deutscher eine Straftat gegen einen Deutschen in Deutschland und wird anschließend in Deutschland angetroffen, ist der Fall klar: Deutschland ist verfolgendes Land
Begeht ein Österreicher eine Straftat gegen einen Deutschen in Deutschland und wird anschließend in Deutschland angetroffen, gilt sowohl Österreichisches als auch deutsches Recht, da er Österreicher ist und die Straftat in beiden Staaten eine solche darstellt. Wer verurteilt hier?
Noch komplexer wird es unter diesen Annahmen, wenn mehrere Staaten eine Rolle spielen, etwa bei folgendem Szenario:
Ein Österreicher begeht eine Straftat gegen einen Schweizer (nehmen wir Menschenhandel) in Deutschland, wird anschließend in Frankreich angetroffen und wehrt sich erfolgreich gegen eine Auslieferung, dann gilt das Recht von nicht 4, nein, von allen Staaten weltweit, weil:
Laut § 3 StGB i. V. m. §9 StGB ist die Tat in Deutschland begangen, also ist Deutsches Recht anwendbar und Deutschland zuständig.
Laut § 7 S.1 StGB wurde die Tat gegen einen Schweizer verübt und auch in Deutschland unter Strafe, daher -> Schweiz.
Laut § 7 S.2 1.Alt. StGB ist der Täter aber Österreicher, die Tat ist auch in Deutschland unter Strafe, daher -> Österreich.
Laut § 7 S.2. 2.Alt. StGB ist Frankreich aber zuständig, weil die Auslieferung nicht durchgeführt werden kann -> Frankreich.
Laut §§ 5,6 StGB ist ein internationales Rechtsgut betroffen, daher ist italienisches Recht anwendbar und Italien zuständig. Und Kuba, und China, und Saudi-Arabien, und Südafrika, und Kanada, ...
Nun gehe ich in diesem konstruierten Fall von globaler Gleichheit aus, es wäre also völlig egal, wo er verurteilt wird und einsitzt. In der Praxis ist aber wohl eher nur die Anwendbarkeit des Strafrechts global, die verhängten Strafen jedoch nicht, womit die Frage aufkommt: Wo verurteilt ihn wer nach welchem Recht?
In der Praxis wird das wohl eher eine untergeordnete Rolle spielen, denn 99% aller Staaten werden bilateral auf ihr Recht verzichten (was in der Betrachtung von Gesetzen als Verpflichtungen nicht möglich wäre) und letztendlich wird das verhaftende Land das Urteil nach eigenem Ermessen sprechen. Ist der Täter hingegen Angehöriger einer US-Einrichtung, wird die USA die Auslieferung beantragen und notfalls mit Waffengewalt durchsetzen, denn dort gilt der American Service-Members’ Protection Act, der sogar eine Invasion des Internationalen Strafgerichtshofs explizit vorsieht, sollte ein US-Bürger dorthin zitiert werden.
Wobei ich ~300 Euro im Monat nicht für "en Mass Sozialleistungen" halte, hast du trotzdem IMO Recht.
Zur Klärung: Das war auf die Masse an Geduldeten bezogen, nicht auf die Höhe der Sozialleistungen
Es wird ein beabsichtigtes Schlupfloch sein.
Gut möglich. Es ist ja ein offenes Geheimnis, dass kein Staat, weder der westlichen noch der restlichen Welt, die Menschenrechte tatsächlich umfassend anerkennt und durchzusetzen gedenkt. Wäre es anders, gäbe es zum Beispiel weder Kriege noch "militärische Vergeltungsschläge" (sprich: militärischer Landfriedensbruch).
Mir persönlich währe es auch lieber, wenn sie nicht kommen würden,
wir uns gar nicht damit auseinander setzen müssten...
Mir persönlich wäre es viel lieber, wenn sie nicht kommen WOLLTEN/MÜSSTEN. Aber dazu müsste man Probleme lösen, statt sie zu schaffen...
Nach deiner Definition von Menschenwürde sind wir übrigens trotzdem zu Sozialleistungen Verpflichtet, welche für die Asylsuchenden Essen, Kleidung, Unterkunft und Medizinische Versorgung beinhalten. Egal wie teuer das für uns wird.
Völlig korrekt und von mir auch so explizit erwähnt, siehe:
Menschenwürdig heißt in erster Linie: Gekleidet, satt, frei von ungerechtfertigter Verfolgung, medizinisch grundversorgt und mit Unterkunft zu sein [...]. Dieses Anrecht hat JEDER Mensch, selbst die Wirtschaftsflüchtlinge und Asylbetrüger.