Wie das beim Sterben halt immer so ist. Hast du was genommen oder bist du tatsächlich mit deinem Biologenethos derart abgehoben und auf die dunkle Seite der Macht gedriftet?
Nein, ich bin tatsächlich so abgedriftet und abgehoben. Menschen sind nicht mehr oder weniger wert als anderes Leben, auch wenn wir uns gern an die Spitze allen Lebens stellen. Und auch wenn dir das niemand so sagen wird, vor Allem nicht als Betroffener oder Angehöriger: Es wird selten ALLES in unserer Macht stehende getan, um den Tod noch ein paar Tage hinauszuzögern. Ein Kind wird den Vorzug bei einem Spenderorgan bekommen vor einem alten Mann, und ein mit Toxinen belastetes Spenderorgan wird auch weggeworfen, wenn die gute Chance besteht, dass der Empfänger das verkraften würde. Und natürlich nehmen wir dabei seinen Tod in Kauf.
Mal die Gegenfrage: Was hast du eigentlich für ein Problem mit dem Tod. Oder anders: Warum hab ich damit so wenig Probleme, dass ich mein eigenes Leben riskiere, um eine vielleicht noch Lebende aus einem Zimmerbrand zu holen? Warum muss ich mir von irgendwelchen Sesselfurzern anhören, ich wäre ein Nazi, weil ich den Tod als etwas Natürliches ansehe, gerade WEIL ich selbst in meiner Freizeit damit nicht grade wenig zu tun habe? Natürlich KÖNNTE ich beim nächsten Einsatz noch zusätzlich Sauerstoff geben, den Körper unterkühlen, das Blut vollständig austauschen gegen 10 neue Beutel und mit Herzlungenmaschine den Körper einer 76jährigen noch irgendwie versorgen in der Hoffnung, dass sie vielleicht noch als menschliches Gemüse aufwacht. Nein, mach ich aber nicht. Vorbei ist vorbei (und ja, das war ein realer Einsatz von vor knapp einem halben Jahr, die Frau war ex wie ich selten eine gesehen habe).
Um Gottes Willen, ein Individuum stirbt. OK, es war vorher schon krank, aber - oh Gott, es stirbt! Denkt doch einer mal an die Kinder!
Letztendlich betreiben die meisten von euch Augenwischerei. Um einzelne schwerkranke Individuen zu retten, müssen alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, Koste es, was es wolle. An anderen Stellen ist es völlig egal, wenn tausende sterben, die nicht einmal krank sind. Ach ja, ist ja Hunger, und sind ja Neger. Da wird der Nazi-Vorwurf doch gleich mal zu nem hübschen Bumerang.
Und was habe ich gesagt? Ich sagte, dass es durchaus Sinn macht, zu impfen, wenn es sich um schwere Krankheiten handelt. Ebenso wie es Sinn macht, Antibiotika dagegen einzusetzen. Es macht keinen Sinn, Impfungen für Grippe zu verteilen (weil sie für den jeweils aktuellen Virus eh nichts taugen und der überwiegende Großteil der Menschheit mit einer Woche Bettruhe eine Grippe jederzeit selbst ohne Medikamente übersteht). Es macht auch keinen Sinn, Virostatika dafür zu geben, wenn die Person selbst kein vorbelastetes Immunsystem hat. Der Grund ist einfach: Es bilden sich Resistenzen aus, welche dann, wenn es wirklich zur Sache geht, den Kampf gegen einen Virus ungemein erschweren können. "Wir" sind ja nicht die Einzigen, die uns hochrüsten, "der Feind" tut das durchaus auch. Jeder will schließlich leben (oder sich zumindest vermehren).
Und ich habe auch ausgeführt, WARUM ich es nicht für sinnvoll halte, einen 500 Millionen Jahre alten, erprobten Mechanismus, den wir nur ansatzweise verstehen und dessen Komplexität wir als immer gewaltiger einstufen müssen, auf breiter Basis mit Methoden zu manipulieren, die auf Beobachtungen aus 100 Jahren basieren und deren Langzeitauswirkungen auf diesen Mechanismus völlig unabschätzbar sind, und das nur, um ein paar Individuen ein paar Jahre länger leben zu lassen. Es sind wenige, wir sind viele. Und wir reden hier auch nicht von irgendwelchen menschengemachten Regeln, sondern wir reden hier von einem Krieg, den jeder von uns von seiner Geburt an bis zum letzten Atemzug mit voller Härte führt. Und an dieser Stelle halte ich es für unendlich viel sinnvoller, Waffen einzusetzen, die geringe Verluste auf unserer Seite bedeuten und dennoch effektiv sind, als den Feind mit dem biologischen Äquivalent von Nuklearwaffen zu bombardieren und ihn so zu zwingen, das Kräftegleichgewicht wieder herzustellen und uns in der Folge vor größere Probleme zu stellen. Was ist denn so schlecht am Status Quo? Gewinnen können wir sowieso nur einzelne Schlachten, den Krieg werden wir über kurz oder lang wohl eher verlieren.