Ich würde sagen Reformwillen entsteht dann, wenn es eine starke Opposition gibt. Opposition alleine kann gar nichts bewegen und ich glaube das ist auch im Moment das Problem. Die SPD hat sich mal wieder auf eine Koalition mit der CDU eingelassen (anscheinend lernen die nichts), die FDP ist erstmal weg und die Grünen und die Linke konnten sich mit ihren ~120 Sitzen bisher auch noch nicht auf eine gemeinsame Oppositionarbeit verständigen.
Wenn aber eine Regierung sowohl in Bundestag als auch in Bundesrat die absolute Mehrheit hat, und dennoch keine Reformen zu Stande bringt, welche soll es dann können.
Vielleicht keine? Vielleicht liegt in der objektiven Unmöglichkeit das Problem?
Vielleicht gibt es für Reformen - welche überhaupt, Reform um der Reform willen ist doch Blödsinn -, veilleicht also gibt es für Reformen keinen Bedarf und keinen Spielraum. Vielleicht ist die Politik genau so, wie sie gemacht wird, ALTERNATIVLOS.
So, das war jetzt das Unwort aus dem Wortschatz der Kanzlerin, auf das alle schon gewartet haben, um darüber herzufallen. Bitteschön, hier ist es, tobt euch aus. Dampfablassen gehört dazu. Wenn der Druck gefallen ist, lässt sich besser diskutieren.
Zum Beispiel darüber, warum in Frankreich die mit großen Reformvorhaben und großem Reformwillen angetretene sozialistische Regierung Hollande nunmehr in Schröders Agenda 2010 aus dem Jahr 2003 ein nacheifernswertes Vorbild sieht. Hat man bei den Köpfen der sozialistischen Partei eine Hirntransplantation oder eine Gehirnwäsche vorgenommen, oder warum sind die alle umgekippt? Wurden sie von irgendwelchem Finsterlingen im Auftrag des Unternehmerverbandes bestochen? Ist vielleicht Alzheimer im Spiel?
Oder darüber, warum die im Bundestag vertretenen Parteien einander oft ähnlicher sind als die Flügel einer Einheitspartei? Woher kommt die Qual der Wahl, das Problem, dass man nicht mehr weiß, wodruch die Parteien sich eigentlich noch unterscheiden? Wenn man früher richtige, grundsätzliche, noch nicht weichgespülte Opposition meinte, hat man von "Fundamentalopposition" gesprochen. Dieser Begriff ist aus dem Wortschatz verschwunden, weil die damit bezeichnete Sache nicht mehr existiert.
Sind die Politiker von echtem Schrot und Korn ausgestorben, haben wir es nur noch mit Weicheiern zu tun? Das wäre schön, besonders für unser Forum. Dann könnte man über diese schlaffen Säcke da oben so richtig hemdsärmelig in Stammtischmanier vom Leder ziehen.
Klappt aber nicht. Wer es versucht, zeigt nur seine Kraftlosigkeit: Die Schimpferei kommt nicht von Herzen, sie ist aufgesetzt, gewollt, sie dudelt wie die Langspielplatte mit dem Sprung, immer dieselbe Rille. Ermüdend.
Es klappt deshalb nicht, weil alle die Alternativlosigkeit spüren. Die Debatten gehen wie das Hornberger Schießen aus. 12 Euro Mindestlohn wären eine prima Sache, Rente mit 60 auch, könnte man ja auch machen, wenn eine Regierung noch das Sagen hätte. Hat sie aber nicht in einer globalisierten Welt. 12 Euro Mindestlohn, und die Arbeitslosenzahlen explodieren, weil die Arbeit anderswo billiger ist. Die Politik kann nicht mehr "gestalten", was immer dieses schwer übersetzbare Wort heißen mag.
Der Job der Politik ist es vielmehr, sich unter gegebenen internationalen ökonomischen Rahmendbedingungen nach der Decke zu strecken. Und deshalb ist es ziemlich egal, welche Partei man wählt, denn wenn sie an der Regierung ist, wird sie das Gleiche machen wie ihre Vorgängerin, nämlich sich nach der Decke strecken. Und diese Politik ist alternativlos, genauer: Die Alternative zu dieser Politik wäre die Inkaufnahmer schwerer wirtschaftlicher Nachteile, wel die Menschen vernünftigerweise nicht haben wollen.