Zur Jahreszeit passend habe ich vor einer Weile Night in the Woods: Weird Autumn Edition durchgespielt.
Ein Narrative Game, mit stark reduziertem Gameplay, bei dem es vor allem auf die Geschichte ankommt, ähnlich wie zB Edith Finch oder Oxenfree.
Man taucht ein in die US Kleinstadt Possum Spings, die von antropomorphen Tierwesen bewohnt wird. Hauptcharakter Mae ist 20, hat das College abgebrochen und kehrt daher nach Hause zurück. Während sie feststellt, was sich alles in ihrer Abwesenheit verändert hat, trifft man seine alten Freunde wieder, die mehr oder weniger freiwillig noch immer in dem Kaff festhängen. Dabei wird schnell deutlich, dass Mae eine Vergangenheit als Troublemaker hat, und man kommt auch noch einer ganz anderen Sache auf die Spur.
Die Grafik ist am einfachsten umschrieben mit "wie South Park". Alles ist stark 2D gehalten und wie aus farbigem Tonpapier ausgeschnitten. Kombiniert mit diversen Effekten, Neonlicht und wunderschönen Farbverläufen als Himmel. Außerdem strotzt alles vor Details. Die Augen bewegen sich mit, beim laufen wird Staub aufgewirbelt und Blätter, die Stadt ist voller Passanten und Tieren. Auch verändert sie sich mit der Zeit: Halloween Deko wird aufgehängt, ein Geschäft schließt und bekommt einen neuen Besitzer, an manchen Tagen regnet es.
Man kann auf Zäunen balancieren, auf Mülltonnen springen und auf den Oberleitungen spazieren gehen. Besonderer Clue dabei: auf den Leitungen fängt eine ganz eigene Musik an zu spielen - die, wenn man springt, aussetzt, so lange Mae sich in der Luft befindet.
Das Gameplay besteht primär daraus, durch die Stadt zu laufen und Dialoge zu führen - die wirklich lebensecht und glaubwürdig geschrieben sind. Dabei kann man immer wieder zwischen verschiedenen Antwortmöglichkeiten wählen, einen allzugroßen Unterschied macht das idR aber nicht. Und manchmal würde man gern beides fragen, muss sich aber entscheiden.
Apropos entscheiden: An manchen Stellen ist man gezwungen zu wählen, mit wem man den Abend verbringt: Freund Gregg oder Freundin Bea? Und auch von den 3 Geisterorten kann man nur 2 besuchen. Um wirklich alles zu sehen, muss man das Spiel also mindestens 2x durchspielen.
Jeden Morgen startet man im Elternhaus mit dem Ziel, zu Gregg oder Bea zu laufen, um mit einem von beiden abzuhängen, was den Tag beenedet. Wieviel man davor die Stadt erkundet, ist einem freigestellt, wobei der auf die Art optionale Content kaum auf eine Kuhhaut passt.
Um einen Eindruck davon zu geben: Mein erster Run, in dem ich alles mitgenommen habe, hat ca 14 Stunden gedauert.
Im zweiten bin ich so schnell wie möglich durch alles bekannte durchgerauscht und habe nur das nötigste gemacht, um mich diesmal für Gregg statt Bea zu entscheiden. Die Spielzeit ist auf 5 Std gefallen.
Wenn man vieles nicht macht und entdeckt, verändert das im Verlauf diverse Details. So ist selbst das bei einem weiteren Durchgang interessant zu sehen.
Gut ist dabei zu wissen, dass nur die Treffen mit Gregg oder Bea (oder wahlweise Bandprobe) den Tag beenden. Wird man von einem anderen Charakter eingeladen, kann man ohne Bedenken zusagen und kann im Anschluss seinen Rundgang fortsetzen, als sei nichts gewesen.
Ab und an gibt es immer wieder Minispiele, die mit simpler Steuerung alles etwas auflockern. Die können sehr spaßig sein, insgesamt sind sie aber doch recht rar gesät, und an sehr vielen Stellen wurde auch schlicht Potential für ein weiteres Spiel liegengelassen. Einige von Maes Träumen sind auch zu ähnlich und schon fast als Fleißarbeit zu bezeichnen.
Als ob das alles noch nicht reicht gibt es noch ein Spiel im Spiel, das man an Maes Laptop spielen kann: Demontower. Ein Dungeoncrawler im Pixellook, der problemlos als eigenständiges Spiel ausgekoppelt werden könnte. Macht mega bock, leider aber auch sehr schwer. Ich bin nicht wirklich weit gekommen.
Da das Gameplay so simple ist, kann man problemlos mit Maus/Tastatur spielen, Controller fühlt sich nur bequemer an. Einzige Ausnahme sind die Bandproben, die ein Guitar Hero artiges Minispiel darstellen. Ich habe keine Ahnung, wie man das mit den Facebuttons gut machen soll. Da sind auf jeden Fall die Nummerntasten der Tastatur sehr viel praktischer. (Und das ganze immer noch schwer genug.)
Wie Eingangs erwähnt geht es primär um all die Charaktere, denen man begegnet und ihre unterschiedlichsten Sorgen, Nöte und Ängste. Und ab und an wird es auch wirklich richtig gruselig. Manchmal fühlt man mit Mae, manchmal ist es unangenehm, bei ihren Aktionen zuzusehen. Alle Geschichten wirken dabei unglaublich echt. Auch wenn man mit der einen vielleicht mehr connecten kann als mit der anderen, wirkt doch alles sehr greifbar.
Allerdings denke ich, es hätte dem Spiel nicht geschadet, Mae deutlicher herauszuarbeiten. Manches bleibt Interpretationsspielraum, das klassiche "Was will uns der Autor damit sagen?", mit Vermischung von Realität und Imagination an diversen Stellen.
Mein erster Durchlauf hat sich spontan zu einem All Bea Run entwickelt, da ich mehr über sie erfahren wollte und den Eindruck hatte, dass sie einen guten Einfluss auf Mae ausübt.
Gregg wäre aber die logischere Wahl, da er sich am meisten über ihre Rückkehr freut und immer ihr engster Freund war. Allerdings ist er auch vom selben Schlag, und so bestärken die beiden sich quasi in dem Blödsinn, den sie zusammen machen.
Wirklich blöd:
Es gibt nur einen einzigen Spielstand. Man schaltet keine Kapitelanwahl frei. Auch die Minispiele kann man nicht separat anwählen.
Außerdem ist es eine verdammte Schande, dass ich mit Mae nicht so lange tanzen kann, wie ich will!
Gerne würde ich die Songs als Clip anschauen können. Wenn man selbst spielt, kann man kaum auf die Lyrics und Animationen achten.