Zwar gibt es aufgrund des Drucks von westlichen Staaten einen Gesetzesvorschlag, dass das Heiratsalter auf 17 Jahre heraufgesetzt werden soll, doch scheint dieser nicht genügend Unterstützung zu erfahren. Im Gegenteil, Islamisten sehen in der Heraufsetzung des Mindestalters und damit im Verbot der Kinderheirat nur eine Durchsetzung westlicher Vorstellungen und eine Niederlage des Islam. In diesem Monat steht die Entscheidung eines Unterausschusses des Parlaments an, der darüber befinden soll, ob die Heraufsetzung des Mindestalters mit der Scharia vereinbar ist, nachdem Abgeordnete das Gesetz als unislamisch abgelehnt haben. Man geht davon aus, dass zwar das Heiratsalter herausgesetzt, das Gesetz aber nicht durchgesetzt wird, weil der Widerstand unter den konservativen Muslimen zu groß ist.
Sheik Mohammed Hamzi, ein Imam und Politiker der Oppositionspartei al-Islaah, hat etwa dazu aufgerufen, das Gesetz zurückzuweisen, weil das eine Einmischung des Westens in jemenitische Angelegenheiten bedeute. Seine Begründung ist verwinkelt. Hamzi verweist für seine Begründung auch auf den Propheten Mohammed, dessen zweite Frau Aisha bei der Heirat neun Jahre alt gewesen sein soll. Zudem ist Sex außerhalb der Ehe nicht erlaubt: "Wir verstehen, dass junge Menschen sexuell aktiv sind, aber im Unterschied zum Westen können sie hier heiraten und müssen sich nicht amoralisch verhalten." Zwar müsse ein Mädchen für eine Heirat reif genug sein und dieser zustimmen, ein Mindestheiratsalter würde aber die Freiheit einschränken, beispielsweise wenn ein 13- oder 14-Jähriger Sex haben will. Nun könnten 23-Jährige ja auch Sex miteinander haben, der Imam denkt aber wohl an ältere Männer, die mit Kindern Sex haben wollen und durch ein Schutzalter kriminalisiert würden. Herhalten muss dann die Kultur, die im Jemen halt anders sei. Das wird freilich die Mädchen nicht überzeugen, die zur Heirat und zum Sex gezwungen werden.
Der angeblich einflussreichste Geistliche im Jemen, Sheikh Adbul-Majid al-Zindani, der auch Bin Laden gekannt haben soll, rief Ende April an der Imam-Universität in Sana'a zum Widerstand gegen das Gesetz auf, das "Kultur und Gesellschaft bedroht und Unmoral verbreitet". Die anwesenden Studenten und Geistlichen forderte er auf, eine Millionen Unterschriften gegen das Gesetz zu sammeln, nachdem dessen Befürworter für eine Petition eine Million Unterzeichner zusammen gerbacht haben. Man würde auch eine Millionen Demonstranten organisieren können, wenn dies notwendig werden sollte. Al-Zindani hatte schon im März ein Dekret erlassen, das diejenigen, die das Gesetz für ein Mindestalter unterstützen, zu Apostaten erklärt. Und im Januar hatte er, nachdem die Regierung stärker gegen al-Qaida vorgegangen ist, zusammen mit 150 anderen Geistlichen eine Warnung an die westlichen Regierungen verfasst, sich nicht in die inneren Angelegenheiten des Landes einzumischen.
Islamisten setzen auf Nationalismus, um ihre Position zu stärken. Alles, was angeblich westlich und unislamisch ist, muss so verteidigt werden, bis hin zum Sex mit Minderjährigen, der durch Kinderheirat als "legal" gilt. Wer im Jemen für das Mindestalter eintritt, gilt als Agent des Westens, obgleich die Abschaffung des Mindestalters erst vor 11 Jahren erfolgt ist und sogar das erzkonservative Nachbarland ein Mindestalter eingeführt hat. Islam und Scharia können also für die Ablehnung des Gesetzes keine Rolle spielen.