Wir wollen nicht mehr. Der Sozialhilfeempfänger will nicht mehr, der Rentner nicht, der Arbeitnehmer nicht, der Unternehmer nicht. Nicht die Deutschen und nicht die Spanier, Italiener und Griechen wollen mehr. Viele derer, die nicht mehr wollen, sind der Meinung, dass mehr zu haben schön wäre, nur ist Meinung und Wille nicht dasselbe. Aus dem einen folgt nichts, das andere bahnt sich seinen Weg zur Handlung.
Nicht umsonst heißt es Wählerwille und Meinungsumfrage. Nicht grundlos schert sich Politik nicht um Meinungen. Mit ihrer jahrelangen Ablehnung des Mindestlohns regierte Angela Merkel nicht gegen den Willen von 75 Prozent des Volkes; auch taten es andere Politiker nicht mit der Deregulierung der Finanzmärkte, nicht mit dem Senken von Unternehmenssteuern und nicht mit dem Erhöhen der Mehrwertsteuer. Unsere Demokratie ist in Ordnung, in ganz Europa: Der Wille der Mehrheit des Volkes setzt sich durch. Nicht die Meinung der Mehrheit. Sobald wir die beiden Begriffe auseinanderhalten können, verstehen wir, dass es kein Widerspruch ist, dass CDU-Wähler der Meinung sind, ein Mindestlohn sollte eingeführt werden.
Denn Meinung ist nichts als eine Größe zur Ordnung der Gedanken und der Welt, zum Austausch mit anderen, und ist im Vergleich zum Willen erbärmlich schwach. Ich bin beispielsweise der Meinung, dass niemand mehr hungern sollte, niemand mehr unterdrückt werden sollte, niemand mehr ungerecht behandelt werden sollte. Aber ernsthaft? will ich es nicht. Denn ich weiß, wie es sich anfühlt, etwas zu wollen: trinken zu wollen, halb verdurstet, oder eine konkrete Ungerechtigkeit, sich vor meinen Augen abspielend, beenden zu wollen. Doch das Meinen, so fühlt es sich nicht an, so ist es nicht.
Meinungen sind still, können für immer in einem Mensch vorhanden sein, ohne jemals Auswirkungen auf sein Handeln zu haben. Wille setzt sich jedoch durch, auf der Straße beim Demonstrieren, beim Wählen, beim Organisieren in Parteien, Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände. Also schaue ich auf die Straße, aufs Wahlergebnis, auf die Parteien, auf die Gewerkschaften und auf Wirtschaftsverbände: Niemand will mehr, selbst ein Großteil der Wirtschaft will nicht mehr.
Seit 20 Jahren wollen wir keine Lohnsteigerung, keine bessere Bildung, keine bessere öffentliche Daseinsvorsorge. Und seit 20 Jahren sehen wir in zunehmendem Maße die Folge: äußerst geringes Wirtschaftswachstum, erst in Deutschland, mittlerweile und auf absehbare Zeit in ganz Europa. Ich treffe nur negative Aussagen: Wir wollen nicht mehr. Das bedeutet konkretisiert: Es ist nicht der Fall, dass wir mehr wollen. Wir können also auch völlig indifferent gegenüber dem Thema des Mehr-Wollens sein. Ob das Nicht-Mehr-Bekommen also entsprechend unseres Willens oder nur nicht gegen unseren Willen ist, kann ich nicht beurteilen. Die Aussage, dass wir nicht mehr wollen, bleibt aber richtig, solange wir uns ein Mindestmaß an Intelligenz zuschreiben. Nämlich genau die Intelligenz, die notwendig ist, um unseren Willen in eine Handlung umzusetzen, die uns näher an die Erfüllung unseres Willens heranbringt: Will ich nach vorne gehen, setze ich ein Bein vor das andere; dieses Ausmaß an Intelligenz meine ich.
Ein Nebeneffekt unseres Nicht-Wollens, aber vielleicht das Bedeutsamste an der Sache überhaupt, ist die globale Perspektive. Europa als größter zusammenhängender Wirtschaftsraum der Welt will nicht mehr Wohlstand, will nicht jedes Jahr mehr Ressourcen verbrauchen, macht damit Platz für andere. Für China, Indien, Brasilien und viele andere. Die Menschen dort wollen, verständlicherweise, noch mehr, und wir sind bereit, dafür zu verzichten. Ist das nicht seltsam? Aber es ist schön, denn es ist auf lange Sicht die Voraussetzung für ein zukünftiges friedliches Miteinander. Soweit wird kaum jemand blicken, wenn er sich hier in Deutschland mit seinen mickrigen Lohnzuwächsen Jahr für Jahr zufrieden gibt, trotzdem resultiert das eine aus dem anderen.
Und so wenig ich verstehe, weshalb niemand mehr will, so sehr muss ich auch für mich sagen, dass ich nicht mehr will. Ich bin zufrieden mit meinem materiellen Wohlstand, zufrieden damit, absehbar nur durch Beförderung mehr zu verdienen, nur durch Lebenserfahrung, Arbeitserfahrung, also: mit dem Älterwerden. Ich erwarte nicht, dass Studenten in 25 Jahren mehr materiellen Wohlstand haben als heute ich. Der Club of Rome darf seinen Hut vor uns ziehen, denn noch bevor wir an irgendwelche natürlichen Grenzen gestoßen sind, sagen wir es selbst: Nein, danke, wir haben genug.
Und jetzt zerreißt es.
Grüße
Munro
Nicht umsonst heißt es Wählerwille und Meinungsumfrage. Nicht grundlos schert sich Politik nicht um Meinungen. Mit ihrer jahrelangen Ablehnung des Mindestlohns regierte Angela Merkel nicht gegen den Willen von 75 Prozent des Volkes; auch taten es andere Politiker nicht mit der Deregulierung der Finanzmärkte, nicht mit dem Senken von Unternehmenssteuern und nicht mit dem Erhöhen der Mehrwertsteuer. Unsere Demokratie ist in Ordnung, in ganz Europa: Der Wille der Mehrheit des Volkes setzt sich durch. Nicht die Meinung der Mehrheit. Sobald wir die beiden Begriffe auseinanderhalten können, verstehen wir, dass es kein Widerspruch ist, dass CDU-Wähler der Meinung sind, ein Mindestlohn sollte eingeführt werden.
Denn Meinung ist nichts als eine Größe zur Ordnung der Gedanken und der Welt, zum Austausch mit anderen, und ist im Vergleich zum Willen erbärmlich schwach. Ich bin beispielsweise der Meinung, dass niemand mehr hungern sollte, niemand mehr unterdrückt werden sollte, niemand mehr ungerecht behandelt werden sollte. Aber ernsthaft? will ich es nicht. Denn ich weiß, wie es sich anfühlt, etwas zu wollen: trinken zu wollen, halb verdurstet, oder eine konkrete Ungerechtigkeit, sich vor meinen Augen abspielend, beenden zu wollen. Doch das Meinen, so fühlt es sich nicht an, so ist es nicht.
Meinungen sind still, können für immer in einem Mensch vorhanden sein, ohne jemals Auswirkungen auf sein Handeln zu haben. Wille setzt sich jedoch durch, auf der Straße beim Demonstrieren, beim Wählen, beim Organisieren in Parteien, Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände. Also schaue ich auf die Straße, aufs Wahlergebnis, auf die Parteien, auf die Gewerkschaften und auf Wirtschaftsverbände: Niemand will mehr, selbst ein Großteil der Wirtschaft will nicht mehr.
Seit 20 Jahren wollen wir keine Lohnsteigerung, keine bessere Bildung, keine bessere öffentliche Daseinsvorsorge. Und seit 20 Jahren sehen wir in zunehmendem Maße die Folge: äußerst geringes Wirtschaftswachstum, erst in Deutschland, mittlerweile und auf absehbare Zeit in ganz Europa. Ich treffe nur negative Aussagen: Wir wollen nicht mehr. Das bedeutet konkretisiert: Es ist nicht der Fall, dass wir mehr wollen. Wir können also auch völlig indifferent gegenüber dem Thema des Mehr-Wollens sein. Ob das Nicht-Mehr-Bekommen also entsprechend unseres Willens oder nur nicht gegen unseren Willen ist, kann ich nicht beurteilen. Die Aussage, dass wir nicht mehr wollen, bleibt aber richtig, solange wir uns ein Mindestmaß an Intelligenz zuschreiben. Nämlich genau die Intelligenz, die notwendig ist, um unseren Willen in eine Handlung umzusetzen, die uns näher an die Erfüllung unseres Willens heranbringt: Will ich nach vorne gehen, setze ich ein Bein vor das andere; dieses Ausmaß an Intelligenz meine ich.
Ein Nebeneffekt unseres Nicht-Wollens, aber vielleicht das Bedeutsamste an der Sache überhaupt, ist die globale Perspektive. Europa als größter zusammenhängender Wirtschaftsraum der Welt will nicht mehr Wohlstand, will nicht jedes Jahr mehr Ressourcen verbrauchen, macht damit Platz für andere. Für China, Indien, Brasilien und viele andere. Die Menschen dort wollen, verständlicherweise, noch mehr, und wir sind bereit, dafür zu verzichten. Ist das nicht seltsam? Aber es ist schön, denn es ist auf lange Sicht die Voraussetzung für ein zukünftiges friedliches Miteinander. Soweit wird kaum jemand blicken, wenn er sich hier in Deutschland mit seinen mickrigen Lohnzuwächsen Jahr für Jahr zufrieden gibt, trotzdem resultiert das eine aus dem anderen.
Und so wenig ich verstehe, weshalb niemand mehr will, so sehr muss ich auch für mich sagen, dass ich nicht mehr will. Ich bin zufrieden mit meinem materiellen Wohlstand, zufrieden damit, absehbar nur durch Beförderung mehr zu verdienen, nur durch Lebenserfahrung, Arbeitserfahrung, also: mit dem Älterwerden. Ich erwarte nicht, dass Studenten in 25 Jahren mehr materiellen Wohlstand haben als heute ich. Der Club of Rome darf seinen Hut vor uns ziehen, denn noch bevor wir an irgendwelche natürlichen Grenzen gestoßen sind, sagen wir es selbst: Nein, danke, wir haben genug.
Und jetzt zerreißt es.
Grüße
Munro