@Nero:
Komm, Nero. Zieh mal den weißen Laborkittel aus und sei Mensch! Mach mal den Anfang. Die Thread-Idee gefällt mir.
Bosbach hat heute im DLF-Interview einen guten Spruch gebracht im Zusammenhang mit der Lügerei in der Edati-Affaire. Die Bürger, hat er gesagt, müssen den Eindruck gewinnen, dass man alle Politiker in einen Sack stecken und draufhauen kann. Egal, wen es trifft, und von welcher Partei er ist, es trifft immer den Richtigen. Bosbach sprach mir aus der Seele, leider.
Und wenn diese Gefühl mal nur auf die Politiker beschränkt wäre!
Aber mit den Religionen geht es mir auch nicht anders. Ich kann sie alle, einschließlich der Atheisten (sie sind so verbohrt und gläubig wie alle anderen, sie wissen es nur nicht, das macht sie noch schlimmer als Moslems oder Christen) nicht mehr riechen. Und es ist mir eigentlich egal, wer gerade wen massakriert. Ich muss mich selber treten, um Partei zu ergreifen, von alleine kommt das nicht mehr.
Der Grund ist, dass ich für keinen mehr Sympathie empfinde.
Aber es kommt noch schlimmer. Nicht mal die im Mittelmeer ersoffenen Flüchtlinge rühren mich so richtig. Das sind doch dieselben Leute, vor denen sie abhauen müssen. Wo ist der Unterschied? Er besteht doch nur darin, dass die Flüchtlinge robuster, cleverer und unternehmungslustiger als die Daheimgebliebenen waren. Soll ich sie deshalb mögen? Kann ich nicht.
Die Verhältnisse in Mexiko, gerade wurden 40 Studenten von Polizei und Verbrecherbanden ermordet – ein Alptraum. Keine Wilden Taliban im fernen Afghanistan, sondern fromme Katholiken direkt vor Amerikas Haustür, sind die Täter gewesen. Und jetzt? Man muss das einfach schlucken und verdrängen. Gegen wen soll man protestieren? Gegen die mexikanische Regierung? Aber die wurde von der Bevölkerung doch gewählt, und die Bevölkerung schützt die Mörderbanden, weil eigentlich die ganze Bevölkerung ins organisierte Verbrechen verwickelt ist. Aus Gründen der moralischen Selbsterhaltung kann man sich nur abwenden von der ganzen Angelegenheit.
Es ist momentan immer das gleiche Problem. Man hat niemand mehr, für den man Sympathie empfinden kann. Keine Figuren wie es Willy Brandt oder Che Guevara für die Protestbewegung gewesen sind, keine Gruppen wie den Vietkong, den ANC in Südafrika, Black Power in Amerika.
Unter diesen Bedingungen entwickelt man eine gewisse Menschenfeindschaft. Und neulich habe ich den Beleg bekommen, dass es nicht nur mir so geht, sondern dass ich eher Manfred Mustermann ähnele: Das Gesamtspendenaufkommen der Bundesbürger hat einen neuen Tiefststand erreicht.