Tsipras, Syriza und die EZB: Weltuntergang oder goldenes Zeitalter?

[Nero]

Alexis Tsipras und seine Syriza haben die Wahl in Griechenland gewonnen.

Was das bedeuten wird weiß im Augenblick keiner. Aber das Nichtwissen sind wir schon gewöhnt. Bei Mario Dragis Entscheidung, die EZB monatlich den Banken Staatsanleihen für 50 Milliarden abkaufen zu lassen, weiß ja auch keiner, auf was das in letzter Konsequenz hinauslaufen wird.

Für eine Diskussion hier wäre der Thread also eine Fortsetzung der der Gottesfrage, mit dem Unterschied, dass diesmal einer am Ende Recht behält. Die Gottesfrage bleibt ungeklärt, aber die Entscheidungen der griechischen Wähler und der EZB werden sichtbare und spürbare Folgen haben. Aber das muss sich erst zeigen, im Augenblick weiß es keiner.

Ich kann das Thema nur zur Diskussion stellen, denn ich hänge vollkommen in der Luft. Wer gerade redet, überzeugt mich, die haben alle so plausible Argumente, egal, ob sie den Weltuntergang an die Wand malen oder das goldene Zeitalter versprechen. Und ich habe keine Meinung.

Geht es jemand besser?

 

[War-10-ck]

Ich bin sehr interessiert an der gesammten Thematik, sowohl Griechenland wie auch jüngste Entscheidung der EZB. Würde mir aber leider kaum zutrauen da die umfassenden Zusammenhänge zu verstehen, oder gar selber zu Schlussfolgerungen zu kommen. Bleibt wohl nur abzuwarten was die Zeit bringt.

 

[Nero]

@ War-10-ck


Hochinteressant, dass es Dir auch so geht.

Das war ja noch nie da. Sonst gab es bei solchen Themen immer jeder Menge feste Meinung aus dem hohlen Bauch, und diesmal geben wir zu, dass uns die Sache zu kompliziert ist.

 

[Pleitgengeier]

Sehr interessant ist, dass der DAX trotz dieser Nachricht sogar 1,4% zugelegt hat.
Meine Theorie ist, dass der Markt dieses Wahlergebnis erwartet hat und gleichzeitig Griechenland relativ unbedeutend ist.

Interessant dagegen wird sein, wie die neue griechische Regierung tatsächlich handelt und wie die EU darauf reagiert.

 

[Kokser]

Interessant dagegen wird sein, wie die neue griechische Regierung tatsächlich handelt und wie die EU darauf reagiert.

Eben, es gibt zu viele Eventualitäten, deswegen kann man es schlicht nicht vorhersehen, wie es weiter läuft. Die EU könnte schließlich auch (womöglich) sinnvolle Reformen im Kern abwürgen. Als sonderlich hoch empfinde ich persönlich den Handlungsspielraum von Tsipras nicht.
Gespannt bin ich auch auf die Koalition, die man sich erwählt hat.

 

[Shade666]

In der Tat, die gebildete Koalition dürfte wohl am ehesten ner Koalition aus Linken und AfD entsprechen, das stelle man sich hier mal vor. Meiner Meinung nach wird das nicht lange halten, aber schauen wir mal.

 

[Pleitgengeier]

In der Tat, die gebildete Koalition dürfte wohl am ehesten ner Koalition aus Linken und AfD entsprechen, das stelle man sich hier mal vor.

Warum? Die Linke wüsste was wirtschaftlich falsch läuft und die AFD wüsste wer daran Schuld ist (bei 2/3-3/4 würde die Linke sogar zustimmen^^)

 

[Doc Lion]

In Griechenland läuft es nicht nur wirtschaftlich falsch, sondern ganz allgemein! Der Staat ist eine Mischung aus massiver Korruption, fehlender öffentlicher und fiskalischer Verwaltung und einem bisherigen Pensionssystem, dass die Beamten schon mit Mitte 50 in den 'wohlverdienten' und gut bestallten Ruhestand entließ. In den letzten Jahren hat sich daran nicht viel geändert, außer dass Ioannis-Normal-Grieche mit Arbeitslosigkeit und Einkommensverlusten zu kämpfen hat. Die Politiker hat das aber nicht wirklich interessiert. Selbst innovative und aktive Firmen in dem Land, die EU-Hilfen zugesagt bekamen, erhielten diese oft nicht oder nur mit immenser und Existenz gefährdender Verzögerung. Dank planloser und unfähiger Verwaltung in Griechenland. Vermutlich wurden manche solcher Zuschüsse und Hilfen auch noch in fremde, gierige Taschen umgeleitet.

Die Europäische Union hat über 500 Millionen Einwohner, davon zahlen über 330 Millionen Menschen inzwischen mit dem Euro. Nur knapp 11 Millionen davon sind die Griechen. Ich meine immer noch, dass man schon in der Gründungsphase den verlogenen Bilanzen dieses Staates nicht hätte trauen dürfen. Meines Erachtens sollten die Griechen, wenn ihr neuer Präsident versucht, Europa zu erpressen, zurück zu ihren Drachmen kehren. Lieber ein fauler Staat weniger, als denen ohne Ende unser Geld in den Gierschlund zu werfen.

 

[InternationalBastard]

Ein seltsames Bündnis in einer seltsamen Zeit, wo traditionelle Parteigrenzen unscharf werden. Ich kann mit vorstellen, dass auch in Deutschland so einigen Querfront Menschen einer abgeht. Um ehrlich zu sein passiert auf der Welt gefühlt so viel, dass ich einfach mit einem Cocktail in der Hand das Ganze anschauen werde.

 

[Pleitgengeier]

Der Vorschlag eines erneuten Schuldenschnitts stößt wie erwartet auf breite Ablehnung.
Ich finde, es wäre ein wichtiges Zeichen, Griechenland aus der Eurozone auszuschließen - bevor auch Länder diesen Kurs einschlagen, bei denen das wirkliche Probleme bereiten würde: Spanien, Italien,...

Um ehrlich zu sein passiert auf der Welt gefühlt so viel, dass ich einfach mit einem Cocktail in der Hand das Ganze anschauen werde.

50% Benzin, 50% Diesel?

 

[Nero]

Ein seltsames Bündnis in einer seltsamen Zeit, wo traditionelle Parteigrenzen unscharf werden.

Kennen wir doch:

Nationalismus + Sozialismus = Nationalsozialismus.

Berührungspunkte und fließende Übergänge gab und gibt es genug.

Ich hoffe nur, dass sie isoliert alle zu schwach sind, um große Schweinereien zu machen.


Griechenland will die EU schröpfen, um das eigene Elend zu lindern. Vielen Griechen geht es auch wirklich dreckig.

ABER:Ich habe noch nichts davon gehört, dass die millionenschweren Reeder und andere Riesenvermögen in Griechenland enteignet werden sollen. Solange das nicht passiert ist, würde ich frür Griechenland keine müde Mark geben.

 

[Pleitgengeier]

ABER:Ich habe noch nichts davon gehört, dass die millionenschweren Reeder und andere Riesenvermögen in Griechenland enteignet werden sollen. Solange das nicht passiert ist, würde ich frür Griechenland keine müde Mark geben.

Du willst also private Vermögen enteignen um die Schweinereien des Staates zu bezahlen? Also gesetzlich legitimierter Raub?
Das wirkt sich sicher hervorragend auf die Wirtschaft aus dort - ein Staatsbankrott hätte weniger unangenehme Folgen

 

[Nero]

Du willst also private Vermögen enteignen um die Schweinereien des Staates zu bezahlen? Also gesetzlich legitimierter Raub?

Ich will vor allem nicht selbst durch irgendwelche Schuldenerlasse der EU zu gunsten Griechenland enteignet werden, solange es unter den Griechen Vermögende gibt, die auf höchst zweifelhafte Weise zu ihrem Reichtum gekommen sind, und die nun ungeschoren bleiben sollen.

Das wäre gesetzlich legitimierter Raub, im Unterschied zum internen Lastenausgleich, den ich als Voraussetzung für externe Hilfszahlungen fordere.

Der griechische Staat soll sich das Geld gefälligst bei seinen eigenen Bürgern holen, nicht bei Bürgern fremder Staaten rumschnorren.

Interessant, wie man sich hier mit griechischen Reedern und andere Superreichen identifiziert. Der mickrige Kleinbürger fürchtet sich vor der Sozialisierung, obwohl er selbsr gar nichts zu verlieren hat. Na ja, so war das schon immer, und immer sind die mickrigen Kleinbürger nachher die Angeschissenen gewesen, weil die Superreichen ihnen das Fell über die Ohren gezogen haben.

 

[Doc Lion]

@ Pleitengeier:

Bedenke dabei, dass die wirklich Wohlhabenden in Griechenland praktisch keinerlei Einkommen versteuert hatten, außer Bakschisch oder wie das auf Griechisch halt heißt, hatten die keine größeren Abgaben. Von daher wäre eine Nachbesteuerung großer Vermögen durchaus rechtens und angebracht.

 

[Shade666]

@Pleitgengeier: Es reicht wohlgemerkt ein Punkt/Thema bei dem man sich nicht einig wird, um eine Koalition platzen zu lassen. Da spielen die anderen Punkte bei denen man sich einig wird, auch keine Rolle mehr.

 

[Promillus]

Du willst also private Vermögen enteignen um die Schweinereien des Staates zu bezahlen? Also gesetzlich legitimierter Raub?

Natürlich.
Schließlich sind Die Superreichen durch die Schweinereien des Staates noch superreicher geworden.

Der gesetzlich legitimierte Raub - nämlich an der normalen Bevölkerung - fand doch schon statt, als diese Gestalten nicht ordentlich besteuert wurden.

 

[Kokser]

Eine Enteignung würde ich zwar nicht unbedingt befürworten, dafür hat der griechische Staat lange Zeit zu korrupt und verschwenderisch agiert, aber zumindest eine ordentlich gestaffelte Besteuerung von hohen Einkommen/Kapitalerträgen. In Griechenland besitzen ca. 2000 Familien ca. 80% des Vermögens. Da kann man schon mal ansetzen, bevor man über Schuldenschnitte diskutiert. Dann sollte man aber wenigstens über eine Fristverlängerung der Rückzahlung der Staatsanleihen diskutieren dürfen, damit die neuen Gesetze auch Wirkung zeigen können.

 

[Pleitgengeier]

@ Pleitengeier:

Bedenke dabei, dass die wirklich Wohlhabenden in Griechenland praktisch keinerlei Einkommen versteuert hatten, außer Bakschisch oder wie das auf Griechisch halt heißt, hatten die keine größeren Abgaben. Von daher wäre eine Nachbesteuerung großer Vermögen durchaus rechtens und angebracht.

Wenn diese wohlhabenden Steuern hinterzogen haben, dann ist eine Nachbesteuerung + saftiger Geldstrafe mehr als Angebracht.

Ich hatte das aber eher so verstanden, dass hier Vermögen enteignet werden soll weil es eben da ist, unabhängig von der Art wie es angehäuft wurde.

@Kokser: Die Verlängerung der Rückzahlungsfristen wurde in Aussicht gestellt, im Gegensatz zum Schuldenschnitt.
Vermutlich, weil es effektiv sowieso keine Rolle spielt - nichtmal Deutschland kann seine Schulden bezahlen, im Gegenteil: Es werden Schulden gemacht um Schulden zu bezahlen.

 

[Nero]

Die Griechen sind selbst schuld an dem Sumpf, in dem sie jetzt stecken.

Es hatte ihnen keiner den Euro aufgezwungen, im Gegenteil, sie haben damals sogar beschissen, um ihn zu kriegen. Dabei konnte jeder Tourist damals sehen, dass es der helle Wahnsinn war. Griechenland wurde für Ausländer zu teuer, aber die Griechen konnten sich plötzlich den Urlaub leisten.

Es hat den Griechen später auch keiner die Kreditmilliarden aufgezwungen. Es zwingt ihnen jetzt niemand zusätzliche Hilfsgelder auf. Im Gegenteil, sie betteln händeringend darum.

Die Griechen haben eine Menge Mist gemacht, und das müsste ihnen wenigstens mal klar werden.

Zu befürchten ist das genaue Gegenteil. Die rechtsradikalen Nationalisten in der Regierung werden am Mythos weben, Griechenland sie das schuldlose Opfer des Ausland geworden. Und das läßt man dann die armen Flüchtlinge büßen. Die jetzt schon so mies behandelt werden, dass Abschiebungen aus Deutschland nach Griechenland verboten sind.

 

[Kokser]

Indirekt wurden ihnen schon die Kredite aufgezwängt, teilweise bedingt durch die eingeschränkte Handlungsfreiheit durch die Troika und das überhastete vorantreiben der Haushaltskonsolidierung.
Dass die Politik mit Schuldzuweisungen arbeitet, ist ja nichts Neues. Jetzt gilt es halt zu schauen, was passiert, wenn man einen anderen Weg zulässt. Ich sehe da aber eher einen Kompromiss kommen, der mehr vom Alten fordert, auch wenn sich die Wirksamkeit der Sparreformen imho bisher nicht herauskristalisiert hat. Vermutlich wird man sich darauf einigen neue, unpopuläre Sparmaßnahmen in gemäßgterem "Reformtempo" anzugehen.