Ich hatte vor einigen Jahren mal aus Interesse als Gasthörer eine Vorlesung zu diesem Thema besucht, das war kurz nach der Bekanntgabe der
neuen Richtlinien zum Product Placement der Landesmedienanstalten. Zunächst mal bekommt man ja wirklich oft den Eindruck, dass auch Dokumentationsbeiträge aus dem History Channel, bspw. über den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg, um staatlich gesponsorte US-Propaganda handelt. Mit den Formaten, die du erwähst, das heißt, diese unterschwelligen, halbherzig getarnten Werbedokumentationen über irgendwelche Fabriken, Restaurantketten, über die Bundeswehr - fast täglich der alte Wein in neuen Schläuchen auf ProSieben/Galileo oder N24 zu sehen - mit der Bewertung dieser neuen Formate, die ja irgedwann in der zweiten Hälfte der Nullerjahre wie Pilze aus dem Boden geschossen sind und sich seither sehr erfolgreich halten - tun sich auch die Landesmedienanstalten schwer. Sie werden als "grenzwertig" bezeichnet, weil einerseits ein kriteriengetreuer, ausreichender Informationsgehalt transportiert wird und meist ein gewisser kritischer Faktor (meistens halt in einem pseudoartigen, naiven Infotainment-Stil, etwa durch lässig-flapsige Kommentare des Journalisten) integriert ist; andererseits erfolgt die Dokumentation bspw. eines Produktions- und/oder Vertriebsprozesses dann eben nur am Beispiel eines einzelnen Herstellers, der dann halt häufig bzw. eigentlich immer klar zu erkennen ist. Die Landesmedienanstalten sind aber der Meinung, dass eine Berichterstattung in so einer Weise (wie z.B. dein Beispiel mit der A8 usw.) zulässig ist, solange überhaupt noch ein Informationsgehalt vorhanden ist. Dabei darf dann auch überdeutlich sein, dass es sich eigentlich um eine verkappte Werbesendung haltelt. Nur „übertrieben werden" sollte nicht - was das bedeutet, ist allerdings nicht weiter definiert und wird sich bestimmt (denke ich jetzt mal) an Präzedenzfällen orientieren, wenn es da überhaupt welche gibt...
So heißt es u.a. im Gutachten der Landesmedienanstalten von 2010, an einem Beispiel über eine Doku über eine Rapsöl-Hersteller:
(...) Nach diesen Maßstäben ist der Beitrag ein Grenzfall. Im Gesamteindruck vermittelt er zweifellos einen Werbeeffekt für die Firma Moritz-Öl und ihre Produkte. Im Einzelnen lassen sich aber ebenso Gründe anführen, mit denen sich jede der Darstellungen programmlich auch (noch) rechtfertigen lässt. Zu nennen sind hier die Verdeutlichung der Vielseitigkeit der Verwendbarkeit von Rapsöl, die Abbildung der Realität in der Rapsmühle (...) usw.
Dass die Produktionsfirmen und Sender diese Angebote gern annehmen, liegt auf der Hand. Wenn sie sich für die Drehgenehmigung nicht üppig bezahlen lassen, gibt es Zuwendungen in anderer Form: Der Konzern meiner Familie war am Nachbau eines historisch-antiken Elektrogeräts durch Belieferung mit deutlich sichtbaren Bauteilen beteiligt. Dieser wurde auf der Messe vorgestellt und in eine TV-Dokumentation (absolutes Infotainment, null technische Spezifizierungen) integriert, bei der das betreffende Gerät einen beträchtlichen Teil der Gesamtberichtzeit einnahm (etwa 2/3). In diesem Zuge durfte sich die Produktionsfirma über Zusicherungen über massiv vergünstigte Bauteile für eigene Neubauprojekte freuen, es hatte sich im oberen fünfstelligen Bereich bewegt, was die allein beim Bau eines Gebäudes, von dem ich weiß, eingespart hatten. Der Clou: Es handelte sch um eine Firma, die für die ÖR produziert.
Andererseits suchen die Produktionsfirmen aber auch händeringend nach Gelegenheiten, was zu drehen und es wird auf der anderen Seite genug Tradiotionsbäcker, regionale Brauereien, Süßigkeitenhersteller etcpp. geben, die die Sender liebend gerne auch umsonst filmen. Die Zuschauer sehen es schließlich gern.
Das waren ein paar Fakten. Meine Meinung dazu: Ich erlebe es nicht so, dass sich an der Dichte der Produktplatzierungen viel geändert hat. Ich erinnere mich an die 1990er Jahre und die damals wie heute unheimlich kitschigen Pilcher-Filme, in denen man am Ende die Mercedes-Benz und Range Rover von allen Seiten und von innen besser kannte, als sein eigenes Fahrzeug. Spielfilme werden schon ewig durch PP teilfinanziert, ich denke da an bspw. an den guten DeLorean DMC12 bei seiner Einführung, die Rolex Subs und Omegas von Bond oder Samsung-Geräte bei Jurassic Park, Reese's be ET... Was neu ist, sind halt echt diese Infotainment-Sendungen und da tut man sich eben nachvollziehbar schwer, die Grenze zu ziehen. Eigentlich müsste man sie konsequenterweise ganz verbieten oder deutlichst als Werbesendung kennzeichnen, solange nicht mehrere konkurrierende Betriebe in gleicher Weise gezeigt werden - aber das macht die Doku dann inhaltlich unsinnig.
Etwas OT: Ich möchte da jetzt eigentlich kein neues Fass aufmachen, aber weil ich von Berufs wegen ganz gut Bescheid weiß und der Transfer m.E. gut passt: Die Problematik mit der getarnten Werbung gibt's in ganz vielen Bereichen, das ist wie das Myzel eines Hallimasch. Ich bin bspw. in einem gesundheitlichen Bereich mit einer Firma selbstständig und betreibe eine Seite mit wissenschaftlichen Fachartikeln, die eine gute Reputation hat. Regelmäßig bekommen wir schmeichelhafte Angebote von Pharmaherstellern, die uns für bestimmte, hochdotierte Preise nominieren wollen (Werbung für verschreibungspflichtige Medikamente ist in D verboten). Oder es werden für bestimmte Krankheitsbilder "Informationskampagnen" initiiert, die dann durch Fachleute oder entsprechende Organisationen durchgeführt werden, wobei dann natürlich auch entsprechende Seminare abgehalten werden, auf denen die gesamte Firmenbelegschaft dann indoktriniert wird etc. Schleichwerbung ist überall, im B2C und im B2B, und teilweise ist es richtig mies, was da so läuft. Da kann man aber absolut nichts machen, außer das öffentlich zu monieren und drauf hinzuweisen, aber die, die die entsprechende Reichweite haben, machen das viel zu selten.
tl;dr: Die Landesmedenanstalt sagt, es handelt sich bei diesen Dokus nicht um Werbung, solange noch ein gewisses Maß an Information und die Werbeabsichten nicht marktschreierisch transportiert werden.