Eine Vielzahl an Unternehmen und Startups versucht nun die Lücke zwischen Desktop und den unterschiedlichen mobilen Endgeräten der Benutzer zu schließen um einen möglichen Konsumenten geräteübergreifend identifizieren zu können.
Eines davon, das indische Startup SilverPush (Silveredge Inc.) schaffte es mit einer ungewöhnlichen Idee im Frühjar 2014 etwa 1,5 Mio. Dollar von verschiedenen Investoren einzutreiben. SilverPush CEO Hitesh Chawla beschreibt im Techcrunch Interview die Funktionsweise der SilverPush Lösung, die entfernt mit einer Hundepfeife verglichen werden könnte:
Ein Werbespot für Fernsehen oder Radio wird mit einem sogenannten Audio Beacon ausgestattet, eine für das menschliche Ohr nicht hörbare Tonfolge, wie man sie beispielsweise aus der Steganographie kennt. Sieht der Benutzer einen Fernseh- oder Radiospot bei dem ein Beacon integriert ist, können andere Geräte im gleichen Raum diese unsichtbare ID "hören" und wissen, dass der Besitzer des Geräts den Werbespot wahrscheinlich wahrgenommen hat.
Diese Information wiederum dient Werbetreibenden als Grundlage für verschiedene Maßnahmen: Einerseits ermöglicht es die Reichweite einer Fernseh- oder Radiowerbung in Echtzeit zu messen, da SilverPush-Geräte dem Server des Unternehmens sofort berichten, wenn ein Device einen bestimmten Werbespot erkennt. Andererseits wird dieses Wissen für Retargeting Kampagnen nutzbar, da man gezielt sagen kann, dass der Besitzer des Handies einen Spot bereits in einem anderen Medium gesehen oder gehört hat. Hinsichtlich der Erfolgsauswertung einer Kampagne ist es dadurch möglich Aussagen zu treffen wie: X % der Käufer haben den zugehörigen Werbespot Y Mal gehört, bevor sie einen Artikel gekauft haben. Ein wichtiges Argument für Werbetreibende um Geldgeber von der Wirkung der Kampagnen zu überzeugen und zukünftige Aufträge zu sichern.
Aber nicht nur speziell mit einem Beacon versehene Spots können vom System erkannt werden. Laut SilverPush Website überwacht und analysiert das System täglich 2 Millionen Minuten Fernsehmaterial auf über 300 Sendern. Das System benötigt laut Unternehmenswebsite 10 Millisekunden um eine Serie, einen Film oder einen Werbespot zu erkennen. Zu wissen was ein potentieller Kunde zu Hause im Fernsehen sieht oder welche Musik er gerne hört, ermöglicht zielsichere Aussagen über seine Interessen und seine Gewohnheiten. Dies ermöglicht wiederum zielgerichtete Werbung, die auf diesen Benutzer zugeschnitten ist.
Die Datenschutzorganisation Center for Democracy and Technology (CDT) berichtet, dass im April 2015 bereits 67 Mobile Apps mit dem SilverPush Library ausgestattet waren und dadurch etwa 18 Millionen Smartphones zu heimlichen Zuhörern in der Hosentasche geworden sind. Laut SilverPush "hört" das Library jedoch ausschließlich auf Audio Beacons und übermittelt keine anderen Aufzeichnungen an das Unternehmen. Den Betreibern scheint klar zu sein, das Vertrauen der Benutzer ist ein Schlüsselfaktor für den Erfolg derartiger Anwendungen.
Bei den Werbetreibenden scheint die Idee anzukommen. Auf seiner Website listet das Unternehmen Kunden und Partner wie Google, Nestle, McDonald's, The Royal Bank of Scotland, Kellogg's, Disney oder Cartoon Network.
Details zur technischen Umsetzung finden sich u. A. im Paper Inaudible Sound as a Covert Channel in Mobile Devices oder in der Twitter Teamline von @d0tslash bzw. seinem Github Account, wo er Informationen zum Unternehmen und der Technik hinter SilverPush sammelt.
Aber SilverPush ist nicht alleine
Auch wenn Silveredge Inc. derzeit Schlagzeilen macht, die Technik ist allgemein bekannt und wird von vielen Unternehmen in verschiedensten Formen weiterentwickelt.
Unter diesen finden sich Namen wie 4Info, RocketFuel, Drawbridge, das Unternehmen eines ehemaligen Google Mitarbeiters oder Persio die das selbe Problem mit unterschiedlichen Ansätzen zu lösen versuchen. Keine Überraschung, ebenso Facebook bietet mit seiner "generalsanierten" Atlas-Plattform umfangreiche Tools zur Identifizierung und zum Erreichen potentieller Käufer über die Gerätegrenzen hinaus.
Ein Artikel der New York Times von 2013 beschreibt bereits, dass die inzwischen von Yahoo übernommene Analyse-Software Flurry in 350.000 Anwendungen verwendet und dadurch auf 1.2 Milliarden Geräten zum Einsatz kommt.
Warum der ganze Aufwand nur um einen Kunden zu identifizieren?
Wie hoch der Preis für Werbung in einem Medium ist, orientiert sich daran, wieviele Personen durch das Medium erreicht werden. Klassische Formen der Werbung leiden jedoch an hohen Streuverlusten, weshalb viel Geld versenkt wird, indem Werbung an Konsumenten verteilt wird, die nicht der Zielgruppe entsprechen und sich überhaupt nicht für das beworbene Produkt oder die Dienstleistung interessieren.
Konkretes Beispiel wäre die Hundefutter-Werbung in der Tageszeitung. Der Werber verrechnet pro verkauftem Exemplar der Zeitung. Wird die Zeitung von jemandem gekauft, der überhaupt keinen Hund hat und somit auch kein Hundefutter kaufen wird, bezahlt der Werbetreibende für die Schaltung ohne einen potentiellen Käufer erreicht zu haben.
Um diesem Problem entgegenzuwirken, möchten Werber möglichst genau wissen wofür sich der Besucher interessiert. Um beim obigen Beispiel zu bleiben, wünscht sich der Werber, dass sein Banner ausschließlich an Hundebesitzer ausgespielt wird. Dadurch reduziert sich der Streuverlust und somit das notwendige Budget um die gleiche Zahl an tatsächlich interessierten Konsumenten zu erreichen.
Ein mächtiges Tool, das Retargeting, hat sich in den letzten Jahren als besonders wirksam entpuppt und wird daher von allen "Big Playern" (Facebook, Youtube, Google & Co.) unterstützt. Beim Retargeting versucht man einen Konsumenten, der sich bereits eindeutig für ein Produkt interessiert, dieses aber noch nicht gekauft hat, neuerlich zu erreichen und zum Kauf zu "überreden".
Wie das in der Praxis aussieht, zeigt dieses kurze Video auf der Website des IAB Webads von 2014: Ein Unternehmen lässt sich beispielsweise von Facebook oder Google einen Tracking-Pixel erstellen und verlinkt diesen als "unsichtbares Bild" im eigenen Webshop auf der Detailseite des beworbenen Produkts. Dadurch wissen Facebook und Google/Youtube, dass der Besucher das Produkt angesehen hat. Ein weiterer Tracking-Pixel wird auf der Seite des Webshops hinterlegt, auf der ein Besucher nach Abschluss eines Kaufs landet. Dadurch wissen die Werber, wer das Produkt bereits gekauft hat und somit nicht mehr umworben werden muss oder vielleicht weiteres Zubehör für das gekaufte Produkt braucht.
Beim nächsten Besuch von Youtube oder Facebook erkennt die Seite anhand er beiden Pixel, wer sich zwar schon interessiert, aber noch nicht eingekauft hat. Diesen Personen kann somit zielgerichtet ein Preroll Video-Ad auf Youtube oder eine Banner-Werbung auf Facebook ausgespielt werden.
Die vielen unterschiedlichen Geräte eines Benutzers stellen für diese Form des Retargetings jedoch eine Hürde dar, die durch Maßnahmen des Cross-Device Trackings überwunden werden soll.
Spannend in diesem Zusammenhang wird die Frage, wie rechtlich mit solchen Tracking-Mechanismen umgegangen werden soll. Erst kürzlich haben mehrere Länder Regelungen eingeführt, die Websites dazu verpflichten, vor dem Speichern von Cookies eine explizite Zustimmung des Besuchers einzuholen. Viele Möglichkeiten des Cross-Device Trackings oder Browser-Fingerprintings passieren jedoch ohne jegliches Wissen der Benutzer.
Quellen:
- Datenschutz: Werbe-Tracker überwinden Gerätegrenzen
- Comments for November 2015 Workshop on Cross-Device Tracking
- @d0tslash on Twitter
- SilverPush Says It’s Using “Audio Beacons” For An Unusual Approach To Cross-Device Ad Targeting
- Indian SilverPush raises $1.5M with plans to grow in the U.S.
- Inaudible Sound as a Covert Channel in Mobile Devices
- MAVProxyUser/SilverPushUnmasked @ Github
- Beware of ads that use inaudible sound to link your phone, TV, tablet, and PC
- Why cross-device tracking is the latest obsession for marketers
- SilverPush Documentation
- SilverPush Website
- @SilverPush on Twitter
- India’s e-commerce war (Video)
- Selling Secrets of Phone Users to Advertisers (NYT, 2013)
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