Das populäre ukrainische Nachrichtenportal "Glavcom" veröffentlichte vor einigen Tagen einen Artikel mit der Überschrift: "Ein Gruß an Putin - Sibirien will sich von Moskau abspalten". Darin ging es um eine Gruppierung, die sich, nur halb im Ernst, für "eine Föderalisierung Sibiriens" einsetzt. Dabei geht es noch nicht einmal um die Abspaltung der fraglichen Region, sondern lediglich um die Gründung "einer sibirischen Republik innerhalb der russischen Föderation". Harmlos genug, sollte man vielleicht meinen, aber der Kreml zeigte sich - wie so oft in letzter Zeit - humorlos. Demonstrationen der Gruppierung wurden verboten, Websites blockiert, Medienberichte mit Repressionen gegen die verantwortlichen Publikationen beantwortet.
Diese trafen auch Glavcom. Gegen deren Artikel über das Bündnis wurde die russische Medienaufsicht Roskomnadsor aktiv. Im Falle Hetzners anscheinend mit Erfolg. Der Hosting-Dienstleister forderte Glavcom auf, den Artikel über das Bündnis zu löschen. Anderenfalls werde man die gesamte bei Hetzner gehostete Glavcom-Website vom Netz nehmen. Es ist nicht bewiesen, dass dies auf russischen Druck hin erfolgte - das Timing, kurz nach dem Erhalt eines Briefs von Roskomnadsor, spricht jedoch dafür. Hetzner allerdings wirft Glavcom in seinem Schreiben einen AGB-Verstoß vor. Die Begründung ist allerdings zweifelhaft: Glavcom soll gegen die Regel verstoßen haben, keine Inhalte zu veröffentlichen, die "Dritte in ihren Rechten verletzen". Inwiefern dies jedoch durch den fraglichen Artikel geschieht, bleibt unklar.
Hetzner verweigerte auf Nachfrage von Journalisten einen Kommentar zu dem Vorfall. Man verwies lediglich, dass sich die "Abuse-Abteilung" - standardmäßig zuständig für Beschwerden wegen IT-Sicherheitsproblemen oder vermuteten Straftaten - mit dem Fall befasst habe.
Glavcom war nach mehreren DDoS-Angriffen und anderen Problemen extra zu einem deutschen Provider umgezogen, um freier berichten zu können. Über Hetzners Verhalten ist man dementsprechend schwer enttäuscht. Deutliche Kritik übte auch die Pressefreiheits-Organisation "Reporter ohne Grenzen". "Es ist unerhört, dass sich Roskomnadsor sogar über internationale Grenzen hinweg mit einem klar formulierten Zensurwunsch an einen deutschen Webseitenhost wendet", sagte die Vorstandssprecherin der Organisation, Astrid Frohloff.
Quelle: Spiegel Online