Moin,
folgendes Problem beschäftigt mich in letzter Zeit: Am (vorläufigen) Ende der Diskussion scheint mein Gegenüber kein weiteres Argument anbringen zu können, doch anstatt wenigstens die Diskussion zu vertagen oder zuzugeben, dass sich (zumindest jetzt gerade) kein Argument mehr finden lässt, wählt das Gegenüber eine oder mehrere der folgenden "Strategien":
1. Subjektivismus. Steht die Diskussion am Anfang noch unter der Prämisse, dass die Wahrheit oder Falschheit der These allgemein einzusehen ist, weil Tatsachen oder Argumente dafür sprechen, dass eines von beiden wenigstens wahrscheinlich, wenn nicht sogar sicher ist, scheint am Ende die Idee ganz abwegig, dass objektive Wahrheit in diesem Fall überhaupt ein Begriff ist, der auf den Sachverhalt angewendet werden kann. Aussagen, die Geltung über den einzelnen Menschen hinaus beanspruchen dürfen, finden hier keinen Platz, vielmehr geht es um lediglich subjektive Meinungen, Weltanschauungen oder Werte, die jenseits der Tatsache, dass man selbst oder andere Menschen daran glauben, nicht mehr zu rechtfertigen sind. In Ausnahmen gilt das selbst für Logik und Mathematik. Trotzdem glaubt man an die Wahrheit der eigenen Meinungen.
2. Skeptizismus. Erweist die Diskussion die Falschheit der eigenen Ansichten, kann man sich nicht mehr in einen Subjektivismus retten. Stattdessen bestreitet man, dass der Sachverhalt überhaupt zu verstehen und einzusehen ist. Die Dinge entziehen sich sowohl der Vernunft als auch jeder Wissenschaft, aber um nicht völlig orientierungslos zu sein, nimmt man die eigenen Meinungen trotzdem als Grundlage, um Absichten zu bilden, Vorhaben zu planen und dergleichen.
3. Optimismus. Es wird schon klappen! Versucht man zunächst, die Wahrheit oder Falschheit derjenigen Meinungen zu ergründen, auf die sich ein Vorhaben stützt, um sicherzustellen, dass es einigermaßen zuverlässig umgesetzt werden kann, weigert man sich plötzlich, deren Falschheit auch soweit anzuerkennen, dass dadurch die Hoffnung vergeht (dass jene Vorhaben noch Erfolg haben werden). Versucht man, auch die Hoffnung darauf zu nehmen, ist man Pessimist oder Bedenkenträger und als solcher ein Klotz am Bein.
Den Strategien ist gemeinsam, dass sie die ursprünglichen Voraussetzungen, auf denen die Diskussion geführt wird, in ihr Gegenteil umkehren. So, als wäre nichts gewesen. Offensichtlich beendet das die Diskussion und auch den Willen, mit seinem Gegenüber jemals erneut eine Diskussion zu führen. Wenn man es wenigstens schafft, die unterschiedlichen Annahmen herauszuarbeiten und dann festzustellen, dass man gerade im Moment nicht über deren Wahrheitsgehalt entscheiden kann - in Ordnung! Und selbst, wenn man den schwierigen Spezialfall der Wahrheit bzw. Richtigkeit von Werten ausklammert: Wer nach der Diskussion die Sinnhaftigkeit jeder Diskussion bestreitet, schließt sich aus dem Kreis derjenigen aus, die über diesen Sachverhalt eben doch eine Diskussion führen wollen.
So ein Verhalten ist ja ziemlich ärgerlich und vermutlich ist niemand ganz unschuldig, was solche Figuren anbelangt. Ich kann nur dafür werben, die Diskussion nicht so zu beenden, sondern notfalls solange zu verschieben, bis man sie fortsetzen kann. Wenn das niemals der Fall ist, widerspricht man sich wenigstens nicht selbst. Es ist klar, dass es nicht einfach ist, seinen Meinungen Lebewohl zu sagen; besser ist es, sich dabei nicht die Würde zu nehmen. Niemand wählt solche Strategien, solange er sich in der Wahrheit wähnt. Es ist immer der Moment, in dem die Diskussion (unbewusst) "verloren" gegeben und zumindest die Unwahrscheinlichkeit der eigenen Ansichten anerkannt ist. Das auch zuzugeben, sowohl sich selbst als auch dem anderen, zeugt von Größe.
Immerhin: Man beleidigt den anderen nicht, unterstellt ihm keine bösen Machenschaften und keine schlechte Gesinnung. Es ist der Weg in eine Toleranz, die nur deswegen bestehen kann, weil man sich davon abhält, die Sache durchzudenken. Unter Umständen ist es ein Erfolg, überhaupt so weit zu kommen; ein Erfolg, den man sich zuvor durch äußerste Höflichkeit erarbeiten muss. Wenn man den anderen ausführlich und einigermaßen aufrecht Respekt zollt, fällt es ihm wohl nicht so leicht, verbal um sich zu schlagen.
Trotzdem: Als jemand, der wenigstens versucht, sich entweder überzeugen zu lassen oder selbst zu überzeugen, fühle ich mich ganz schön veräppelt. Ich meine, das Ergebnis hätte man auch gleich am Anfang schon haben können.
Nun ja, vielleicht fällt dem einen oder anderen von euch noch was dazu ein.
Schönen Abend
folgendes Problem beschäftigt mich in letzter Zeit: Am (vorläufigen) Ende der Diskussion scheint mein Gegenüber kein weiteres Argument anbringen zu können, doch anstatt wenigstens die Diskussion zu vertagen oder zuzugeben, dass sich (zumindest jetzt gerade) kein Argument mehr finden lässt, wählt das Gegenüber eine oder mehrere der folgenden "Strategien":
1. Subjektivismus. Steht die Diskussion am Anfang noch unter der Prämisse, dass die Wahrheit oder Falschheit der These allgemein einzusehen ist, weil Tatsachen oder Argumente dafür sprechen, dass eines von beiden wenigstens wahrscheinlich, wenn nicht sogar sicher ist, scheint am Ende die Idee ganz abwegig, dass objektive Wahrheit in diesem Fall überhaupt ein Begriff ist, der auf den Sachverhalt angewendet werden kann. Aussagen, die Geltung über den einzelnen Menschen hinaus beanspruchen dürfen, finden hier keinen Platz, vielmehr geht es um lediglich subjektive Meinungen, Weltanschauungen oder Werte, die jenseits der Tatsache, dass man selbst oder andere Menschen daran glauben, nicht mehr zu rechtfertigen sind. In Ausnahmen gilt das selbst für Logik und Mathematik. Trotzdem glaubt man an die Wahrheit der eigenen Meinungen.
2. Skeptizismus. Erweist die Diskussion die Falschheit der eigenen Ansichten, kann man sich nicht mehr in einen Subjektivismus retten. Stattdessen bestreitet man, dass der Sachverhalt überhaupt zu verstehen und einzusehen ist. Die Dinge entziehen sich sowohl der Vernunft als auch jeder Wissenschaft, aber um nicht völlig orientierungslos zu sein, nimmt man die eigenen Meinungen trotzdem als Grundlage, um Absichten zu bilden, Vorhaben zu planen und dergleichen.
3. Optimismus. Es wird schon klappen! Versucht man zunächst, die Wahrheit oder Falschheit derjenigen Meinungen zu ergründen, auf die sich ein Vorhaben stützt, um sicherzustellen, dass es einigermaßen zuverlässig umgesetzt werden kann, weigert man sich plötzlich, deren Falschheit auch soweit anzuerkennen, dass dadurch die Hoffnung vergeht (dass jene Vorhaben noch Erfolg haben werden). Versucht man, auch die Hoffnung darauf zu nehmen, ist man Pessimist oder Bedenkenträger und als solcher ein Klotz am Bein.
Den Strategien ist gemeinsam, dass sie die ursprünglichen Voraussetzungen, auf denen die Diskussion geführt wird, in ihr Gegenteil umkehren. So, als wäre nichts gewesen. Offensichtlich beendet das die Diskussion und auch den Willen, mit seinem Gegenüber jemals erneut eine Diskussion zu führen. Wenn man es wenigstens schafft, die unterschiedlichen Annahmen herauszuarbeiten und dann festzustellen, dass man gerade im Moment nicht über deren Wahrheitsgehalt entscheiden kann - in Ordnung! Und selbst, wenn man den schwierigen Spezialfall der Wahrheit bzw. Richtigkeit von Werten ausklammert: Wer nach der Diskussion die Sinnhaftigkeit jeder Diskussion bestreitet, schließt sich aus dem Kreis derjenigen aus, die über diesen Sachverhalt eben doch eine Diskussion führen wollen.
So ein Verhalten ist ja ziemlich ärgerlich und vermutlich ist niemand ganz unschuldig, was solche Figuren anbelangt. Ich kann nur dafür werben, die Diskussion nicht so zu beenden, sondern notfalls solange zu verschieben, bis man sie fortsetzen kann. Wenn das niemals der Fall ist, widerspricht man sich wenigstens nicht selbst. Es ist klar, dass es nicht einfach ist, seinen Meinungen Lebewohl zu sagen; besser ist es, sich dabei nicht die Würde zu nehmen. Niemand wählt solche Strategien, solange er sich in der Wahrheit wähnt. Es ist immer der Moment, in dem die Diskussion (unbewusst) "verloren" gegeben und zumindest die Unwahrscheinlichkeit der eigenen Ansichten anerkannt ist. Das auch zuzugeben, sowohl sich selbst als auch dem anderen, zeugt von Größe.
Immerhin: Man beleidigt den anderen nicht, unterstellt ihm keine bösen Machenschaften und keine schlechte Gesinnung. Es ist der Weg in eine Toleranz, die nur deswegen bestehen kann, weil man sich davon abhält, die Sache durchzudenken. Unter Umständen ist es ein Erfolg, überhaupt so weit zu kommen; ein Erfolg, den man sich zuvor durch äußerste Höflichkeit erarbeiten muss. Wenn man den anderen ausführlich und einigermaßen aufrecht Respekt zollt, fällt es ihm wohl nicht so leicht, verbal um sich zu schlagen.
Trotzdem: Als jemand, der wenigstens versucht, sich entweder überzeugen zu lassen oder selbst zu überzeugen, fühle ich mich ganz schön veräppelt. Ich meine, das Ergebnis hätte man auch gleich am Anfang schon haben können.
Nun ja, vielleicht fällt dem einen oder anderen von euch noch was dazu ein.
Schönen Abend