...und die Dispo-Zinsen bleiben natürlich trotzdem bei 15%.
Eher so 8 bis 11 Prozent, was natürlich noch immer eine sehr einfache Einnahmequelle für Banken ist. Wenn das Konto über den Kreditrahmen hinaus überzogen wird, werden natürlich bei manchen Banken auch mehr fällig. Gleichzeitig gehören diese Kosten für den Kunden zu denen, die am einfachsten zu vermeiden sind: bei 0 ist Schluss. Und zwar völlig egal, wie wichtig es gerade wäre, Geld zu haben. Für private Haushalte gibt es genau einen Grund, sich Geld zu leihen: fürs Haus (kaufen, sanieren). Und die Kosten für solche Kredite sind ja nun wirklich im Keller. Von 2009 bis heute von 4 auf 2 Prozent (für kreditwürdige Kunden).
Allgemein sind die Entscheidungen der EZB richtig, obwohl sie nicht viel ausrichten können. Der Leitzins und auch das allgemeine (Real-)Zinsniveau wirkt kaum auf Wirtschaftswachstum oder Inflation, der jetzt negative Einlagenzins ebenfalls nicht. Eigentlich ist der Gedanke nachvollziehbar, dass wenn Kredite billiger sind, sie vermehrt in Anspruch genommen werden, also die Geldmenge erhöht wird und damit Nachfrage geschaffen wird und bei der Verwendung für Investitionen gleichzeitig entsprechendes Angebot geschaffen wird. Das bedeutet aber bereits: Wird die Geldmenge durch Kreditvergabe für Investitionen erhöht, bleibt die Inflation mehr oder weniger gleich, aber es gibt Wirtschaftswachstum (und im Zuge dessen später etwas höhere Inflation). Wirtschaftswachstum ist aber nicht das Primärziel der EZB, sondern 1,9 Prozent Inflation. Das wird sie so nicht zuverlässig erreichen, dafür müsste sie die Vergabe von Krediten zu Konsumzwecken erhöhen. Lohnerhöhungen und höhere Steuern auf hohe Einkommen, die vom Staat wiederum für Konsumausgaben verwendet werden, befördern zwar ebenfalls die Inflation, sind nicht Instrumente der EZB.
Das Problem der EZB ist die grundsätzliche Wirkungslosigkeit ihrer Maßnahmen auf Wirtschaftswachstum und Inflation. Was soll die Zinshöhe ausrichten, wenn die Gründe für die Nicht-Kreditaufnahme von privaten Haushalten und Unternehmen nicht in der Zinshöhe liegen, sondern:
1. in der Weigerung, sich angesichts der Wirtschaftskrise in Europa überhaupt (höher als bisher) zu verschulden, sei es für Investition oder Konsum. Kein Unternehmen investiert ohne zu erwartende größere Absatzmöglichkeiten und nur die ganz dummen bauen ein Haus oder kaufen ein teures Auto ohne Aussicht auf eine finanziell sichere Zukunft. Auf der anderen Seite liegt der Grund in der Unnötigkeit sich zu verschulden, wenn das eigene Geldvermögen groß genug ist.
2. in der Weigerung der Banken, überhaupt Kredite zu vergeben, wenn sie denn nachgefragt werden. Die Kreditnachfrage liegt immer über dem Kreditangebot, was auch so sein muss, weil sich sonst jeder unbegrenzt verschulden könnte. Außerdem ist die Kreditnachfrage unabhängig vom Zinssatz, was sich aus dem vorigen Satz ergibt. Beides zeigt sich an folgendem Beispiel: Jemand geht zur Bank, sagt, er hätte gerne einen Kredit über eine Milliarde Euro, Laufzeit 30 Jahre; die Bank berechnet das Risiko und kommt auf einen Zinssatz von 100 Prozent; der Kreditnehmer ist 70 Jahre alt und nimmt den Kredit auf. So läuft es natürlich nicht, denn die Bank verweigert ab einem gewissen Risiko die Kreditvergabe, statt das höhere Risiko durch höheren Zins auszugleichen. Derzeit 10 Prozent für einen Hauskredit zu bekommen dürfte unmöglich sein: Entweder der Kredit wird vergeben, dann für deutlich weniger als 10 Prozent, oder der Kreditnehmer ist auch für 10 Prozent nicht kreditwürdig.
Aus beidem folgt, dass eine Zentralbank nichts ausrichten kann über die Zinshöhe. Stattdessen passt sie ihre Zinssätze der jeweiligen Wirtschaftssituation an, die Kausalität ist also tatsächlich andersherum als i.d.R. angenommen. Nur die Finanzmärkte spielen verrückt, weil da vor allem erwartete Erwartungen zählen und keine Wirtschaftsdaten selbst. Niedrige Leitzinsen sind der Ausdruck großen Geldüberschusses, der aber keine ausreichend große adäquate Nachfrage (siehe 1. u. 2.) findet. Damit sinkt natürlich der Zinssatz für Sparer, was sowohl gewollt als auch notwendig ist, um den Markt halbwegs im Gleichgewicht zu halten. Was gleichzeitig aber ebenfalls nicht viel an der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage ändert. Denn niemand spart wegen der Zinsen, sondern weil er das Geld gerade einfach nicht braucht oder später dringend braucht (ich beispielsweise brauche es gerade einfach nicht).
Recht interessant ist das Programm der EZB der zweckgebundenen Förderungen der Kreditvergabe durch Geschäftsbanken. Soweit ich das richtig verstanden habe, bekommen Geschäftsbanken, die nach bestimmten Kriterien Kredite vergeben, in der Kredithöhe langfristig bessere Konditionen zur Refinanzierung bei der EZB. Wobei das auch nur in die richtige Richtung geht, nämlich den Geschäftsbanken letztendlich vorzuschreiben, dass sie bestimmte Arten von Krediten zu vergeben haben, ob sie wollen oder nicht. Nur so kommt man um das Problem von Punkt 2 herum. Interessanterweise habe ich in einem Interview mit einem aus dem EZB-Vorstand die Tage von Gedanken in die Gegenrichtung gelesen: Um eine drohende Immobilienblase in Deutschland zu verhindern, könne sie Bundesbank die Geschäftsbanken ja anweisen, weniger Immobilienkredite zu vergeben; grundsätzlich bestehen solche Möglichkeiten der direkten Steuerung also.
Um die Sparer (und damit auch um mich) verdrücke ich bei alledem hingegen keine Träne. Die sollen endlich mal alle aufhören zu heulen! Es gibt kein Recht darauf, für heute verdientes Geld in ein paar Jahren noch dieselbe Gütermenge kaufen zu können. Dieses elende Geflenne geht mir dermaßen auf den Sack. Die niedrigen Zinsen sind richtig, sie bilden das Verhältnis von Angebot und Nachfrage ab. Wer an diesem Verhältnis etwas ändern will, muss zu ganz anderen Maßnahmen greifen.