Und besser wäre es, wenn dann alle als Bürger 2. Klasse behandelt werden?
1. Beispiel:
Mein Sohn (damals 2 oder 3 Jahre alt) hatte akute Probleme mit seiner Haut. Termin beim Hautarzt der gesetzlichen Kasse: 8 Wochen. Meine Frau hat dann einen Termin bei einem privaten Arzt ausgemacht. Da waren wir dann am nächsten Tag dran. Die Rechnung mussten wir vorstrecken, hat die gesetzliche Kasse dann aber aus Kulanz (oder Scham) erstattet.
2. Beispiel:
Ich wollte einen Termin beim Augenarzt. Also begann ich herumzutelefonieren. Einer hatte 2 Telefonnummern - eine für gesetzliche und ein für private Patienten. Bei der Nummer für die gesetzlichen wurde man darauf vertröstet, dass man erst in 4 Monaten nach neuen Terminen anfragen könne (also nicht Termine in 4 Monaten, sondern Anfragen nach Terminen in 4 Monaten). Der nächste Arzt bot eine "erweiterte Patientenbetreuung" an. Hieß im Klartext, Kassenpatienten wurden nur aufgenommen, wenn sie was zusätzlich aus eigener Tasche bezahlen. Das ging dann bei den anderen Augenärzten noch eine ganze Weile so weiter.
3. Beispiel:
Ein Arbeitskollege ist privat versichert. Er rief bei einem Orthopäden an, um einen Termin zu kriegen. Am Telefon wurde er dann vertröstet, dass Termine erst in einem halben Jahr möglich wären. 10 Minuten nach dem Gespräch rief die Sprechstundentante noch mal an und erkundigte sich nach seiner Versicherungsnummer. Als sich herausstellte, dass er privat versichert war, bekam er auf einmal einen Termin in den Folgetagen. In der Praxis gab's dann auch 2 Wartezimmer. Eins für die Privat-, eins für die gesetzlichen Patienten. In zweiterem stapelten sich die Leute förmlich. Im Zimmer für die Privatpatienten waren bequeme Sessel, eine Kaffeemaschine gab's ebenfalls. Dafür hatte er aber keine Zeit, da ihn der Arzt relativ schnell abholte.
Ja, ich bin eindeutig dafür, dass alle Bürger beim Arzt gleich behandelt werden sollen, was Terminvergabe und Behandlung betrifft - auch wenn dadurch die "Exklusivpatienten" Abstriche machen müssen. Das Sesselzimmer und die Kaffeemaschine sind mir egal. Eine Lösung wäre, dass die Bürgerversicherung das gesamte Spektrum abdeckt und private Zusatzversicherungen für nicht notwendige Leistungen (irgendwelche Kuren, Einzelzimmer usw.) angeboten werden können.
Vor 10 Jahren wollte ich mal in die Schweiz auswandern. Bei denen gibt's nur private Krankenversicherungen, die aber alle dieselbe Basisleistung anbieten müssen. Warum geht sowas nicht bei uns? Vor allem würden ja auch die Privatpatienten den gesetzlichen Versicherungen viel Kohle in die Kasse spülen. Schließlich sind dort die ganzen Großverdiener. Also entweder Bürgerversicherung oder alle Versicherungen privat mit festgelegter Basisleistung. Aber das Zwischending in Deutschland ist wohl die schlechteste Variante.
Dazu kommt noch, dass ich zwar gesetzlich versichert bin, wegen des Beitragshöchstsatzes sehr wahrscheinlich aber mehr an die Krankenversicherung abdrück als die meisten Privatversicherten. Aufgrund meines Alters lohnt sich aber der Wechsel nicht mehr.
Der nächste Punkt, der mich am deutschen Krankenkassensystem massiv stört: Notwendige Leistungen (u.a. Zahnersatz) werden immer mehr aus der Basisleistung herausgestrichen. Bei den letzten Plomben und Kronen musste ich immer zuzahlen. Hingegen sind viele meiner Meinung nach sinnlose Dinge (Da sind wir wieder bei diversen Kuren) in der Versicherung enthalten. Auch das müsste korrigiert werden.
Den Vogel hat aber mal meine Krankenversicherung (Barmer) abgeschossen. Die professionelle Zahnreinigung zahlen sie nicht. Es gibt auch keine Zuschüsse mehr dafür. Damit ich aber nicht mit leeren Taschen nach Hause geh, haben sie eine Art Bonusheft. Wenn man alle Stempelchen zusammen hat, bekommt man 20 oder 30 Euro. Die Stempelchen gab's auf BMI, Nachweis einer Fitnessstudiomitgliedschaft, Teilnahme an irgendwelchen Kursen, Sportwettkämpfen sowie der Teilnahme an diversen Vorsorgeuntersuchungen. Irgendwie hat's der Onkel der Krankenkasse hingebogen, dass ich die notwendigen Stempelchen zusammenbekomm. Nach nur 4 Wochen Bearbeitungszeit hatte ich dann die 20 Euro auf dem Konto. Rechnet man jetzt die Zeit, die die Mitarbeiter der Kasse für die Prüfung, Verwaltung, Genehmigung und Überweisung der 20 Euro benötigten, dürften das sehr teure 20 Euro geworden sein.
Ums auf den Punkt zu bringen: Das Krankenkassensystem in Deutschland gehört extrem reformiert. Es ist teuer, ineffizient und ungerecht.