Photonenbieger
Unfreiwilliger IM der NSA
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Ich denke, es gibt drei wesentliche Gründe die Frage "Wie geht es dir?" zu stellen:
1) Höflichkeit (gibts wirklich noch )
2) Die Person nutzt es als Gesprächsstarter, weil sie unentgeldliche Hilfeleistung sucht
3) Wirkliches Interesse (weil du diesem Menschen wichtig und wertvoll bist)
Leider noch einen Weiteren und mehrere zusätzliche Aspekte.
4.
Diese Frage ist bei den allermeisten Mitmenschen zu einer völlig bedeutungslosen Floskel verkommen.
Das war und ist mein Erleben, Erfahren, Erleiden.
Zeitweise teste ich die Reaktion auf die Frage: "Wie geht es Dir?"
mit meiner untypischen Antwort: "Auch schlecht!"
Es ist einer meiner geliebten "Gesprächsaufhänger".
Die erneute Antwort erreicht öfters breiteste Streuung.
Das reicht von herzhaftem Lacher bis zu ungläubigem Kieferklappen mit schieren Ausdruck von Unverstand in der Pupille.
Oder es freezt eben auch ein bedeutungsloses wie vielsagendes nichts, nada, niente zur versteinerten Gesichtsmimik.
Nach der Gauss'schen Verteilhäufigkeitskurve,
"hört" -im Sinne von erfassen, begreifen- die grosse Mehrheit
die ungewöhnliche Antwort überhaupt nicht und reagiert nicht erkennbar.
Es kann nicht als richtig gehört sein, was nicht dem gewohnten Standard entspricht.
Der "Kommunikationshänger" durch überraschende Verblüffung wird zur "Schreckminute", also schon fast zur Ewigkeit.
Wer hat soviel Zeit, auf eine mögliche Antwort zu warten.
Wir alle sind -leider- reizüberflutet und es bedeutet oft auch gar nichts,
wenn sensible Leute irritiert ein Aufmerksamkeitsdefizit vermuten,
das es letztlich nicht gibt.
Robuste Naturen mit dem "dicken Fell" hingegen, können gar nicht empathisch "erspüren", dass jemand nur Kontakt sucht,
um dem Alleingelassensein zu entkommen.
Unter Psychologen gibt es ein ironisches Begrüssungsritual, wenn sie sich begegnen:
"Hallo, Herr Kollege, wie geht es mir?
Wie es Dir geht, weiss ich doch, ich habe Dich schon analysiert."
Darin steckt viel Wahrheit, wir alle haben idR zwei Ohren zum (Zu)Hören, zwei Augen zu sehen, doch nur einen Mund zum Geräusche abgeben.
Allermeist mögen wir es gern, dann zu Reden,
wenn Zuhören die bessere Form der zischenmenschlichen Kommunikation wäre.
Postings, Threads und Diskussionen dieser Art, sind ein eigenes Thema und besondere Kommunikationsformen und sehr berechtigte Teilmengen mit hohem Effekt.
Aber auch mit gewaltigen Defiziten für ein zutreffendes Erkennen des Gegenüber.
Phantasie ist sehr schön, aber auch kein Wissen.
Noch ein gewichtiger Aspekt, der viel seltener als die verkündete Wahrheit, auch tatsächlich zutrifft.
Wir flüchten uns alle sind in eine fürchterliche, oft eingebildete, persönliche Zeitnot.
Wer kennt nicht das Totschlagargument.: "Ich würde gerne ..., aber leider keine Zeit."
Briefe, die anfangen: "Leider kann ich dir erst jetzt schreiben, ich hatte keine Zeit, zuviel zu tun, blabla ..." beginnen mit einer Lüge.
Nein, es bedeutuet: Du Empfänger warst mir nicht wichtig genug, um eher zu antworten!
Da darf man -frau auch- sich berechtigt als im Wert gesunken ansehen, wenn ein Freund so schreibt.
Entschuldigung, wer schreibt heutzutage noch altmodische Briefe, Mails sind natürlich gemeint.^^
Tweets, SMS haben schon gar keinen Platz für Erklärungen.
Da wird ein Statement abgelassen. Basta!
Bei manchem Zeitgenossen ist das auch ein Fluchtreflex in die Ruhe, weg von dem Anderen, dem Unbekannten, dem "Störer" der eigenen Gedankenwelt und seiner eigenen "Gotthaftigheit".
Nur die Ruhe kann dann auch wiederum nicht ertragen werden.
Wer kontemplative Übungen lehrt und lernt, kennt das "nicht zur Ruhe kommen".
Wir sind alle reichlich ambivalent und zumeist Getriebene.
Heutzutage sind sehr viele beständig auf der Flucht und kennen weder Ziel noch Plan und kreisen mit Radius Null, d.h. um sich selbst herum, bis der Saft ausgeht, der Stecker gezogen wird.
Gute Kommunikation braucht aber Gelassenheit und Übersicht,
möglichst keinen Druck und keine Vorbedingung, ein Ziel erreichen zu müssen, eine ökononische Effizienz erzwingen zu wollen.
Es ist auch überhaupt nicht einfach, höflich abzusagen, wenn einem Hilfesuchenden nicht zu helfen ist oder man selber dabei überfordert wird.
Mir macht das auch genug Mühe, stets die richtigen Worte zu finden.
Zu Zeiten der Aufklärung in den Salons, später in der besten Blüte
der Wiener Kaffeehäuser, wurde viel "Dampfplauderei" betrieben
als "l'art pour l'art" und die haben sich freundschaftlich gefetzt.
Es war jedes Mal eine kulturelle Hochzeit.
Das fehlt uns im Moment gänzlich, die Ungezwungenheit,
Worte in die Freiheit zu entlassen.
Es sei denn hier, anonym, unverbindlich.
Auch die Zeiten der Neuen Frankfurter Schule mit Wortakrobaten wie Gernhardt, Wächter, Bernstein, u.v.a. sind ja leider ebenso vorbei.
Wir schwätzen zumeist unter Erfolgsdruck in Wortphrasen,
es muss schnellstens ein Ergebnis her, wir brauchen die ökonomische Effizienz der Worte.
Die menschliche Kommunikation reduziert sich auf die (Er)Schlagzeilenlänge der BLÖD-Zeitung.
Anders, manch Rededuell verkommt zur Verbalschlacht, der Wortkrieg muss einen Sieger kennen,
die Stammtischhoheit ist die höchste Weihe.
Kennen wir alle zur Genüge, nicht wahr!
Den Jüngeren kommt vermehrt nun leider auch noch der Wortschatz mangels Training und Schulung abhanden.
Geil ersetzt inzwischen hunderte Attribute.
Die germanische Schlichtsprache als Ersatz-Englisch und Alternativ-Esperanto, dieser "Melodie" fehlen die Zwischentöne für gute zwischenmenschliche Kommunikation.
Globalisierung der Sprache mutiert zum Silbenbrei, das schmeckt nicht Jedem gut, das schmeckt nie.
Auch deshalb "verstehen" wir uns immer schwerer und reden herrlich gruselig blöde an uns vorbei.
Ab einem gewissen Ehrlichkeitsgrad zu sich selbst, wächst auch die Erkenntnis, dass Kommunikation anstrengend sein kann,
sowieso Arbeit ist, und mitunter pickelhartes "Bohren ganz dicker Bretter" bedeutuet.
Und klugerweise ersparen wir uns öfters diese Anstrengung.
Dann doch lieber Jogging oder eine Runde Squash.^^
Nur noch den geschlechtsspezifischen Aspekt hinterher geworfen:
Die meisten Jungs tun nunmal besser als sie kommunizieren können.
Fussballspielende und Sporter sind oft tolle Kerle, solange sie schweigen.^^
Wer jetzt "Beweise" für meine steilen Thesen einfordert,
nehme bloss an öffentliche Diskussionen im TV o.ä. Plattformen Anteil.
Diese Woche war reichlich Anschauungsuntericht für Kommunikationsunfälle.
norway's Thematik ist hochinteressant, bedeutungsvoll und bewegt offenkundig Viele.
Das Problem hat extrem viel mit Kommunikationsstörungen zu tun -imho-.
Konnte selbst nur über die vielen und langen Posts "drüberfliegen" und sah, dass mit grosser Akribie darauf eingegangen wird.
(Ganz klar, auch bei mir Zeitmangel.^^ )
Es gibt sehr tolle hilfreiche Antworten, Hinweise, Ratschläge.
Das genauere Lesen werde ich später noch i-wann nachholen.
Bitte mich nur als klitzekleine Einmischung in den Faden bewerten.
Bin hier zufällig reingestolpert auf der Suche nach ganz anderen Antworten, fand es thematisch dann so anregend,
dass ich kurz zu verweilen wagte und dreist meine "Senfspur" hinterlassen wollte.
Sry, sollte es unpassend sein, das Stören kann ich nunmal gut.
Quintessenz
Es muss auch überhaupt nichts bedeuten und nicht an Einem selbst liegen, nicht(s) gefragt zu werden.
Es kann sogar Segen sein, nicht aus seiner Deckung zu müssen.
Das ist doch gut, auch nicht in allem seine Meinung kundtun zu sollen.
Franz Beckenbauer ist doch Warnung genug.^^
Wieviel hohle Phrasendrescher und leere Worthülsenstanzer braucht die Welt noch?
Abraham Lincoln hat das damals so formuliert:
"Es ist besser zu schweigen und als Idiot verdächtigt zu werden,
als zu reden und dadurch alle Zweifel zu beseitigen."
Das Politsprechblech dieser Tage ist ein treffliches Beispiel für:
"Si tacuisses, philosophus mansisses."
Sehr frei übersetzt: Schweigen ist Silber, Reden ist Blech.^^
Die Genauwissenwollenden mögen es mit Latein oder durch Google herausfinden.
Gut ist aber in jedem Fall, sich selbst zu reflektieren,
sein eigenes Problem zu erkennen, ggfs. abzustellen, so es bekümmert, lästig wird, Einbusse an Lebensqualität bedeutet.
Doch bedarf es -imho- zur Analyse und Therapie eines echten Menschenfreundes mit ausgezeichneten Zuhörereigenschaften
als Spiegelfläche zur Reflexion, wenn nicht sogar professioneller Betreuung.
Ein öffentlicher Thread kann nach meiner Erkenntnis das nicht genügend leisten, Anhaltspunkte jedoch sehr wohl liefern.
Der Begriff Freund ist spätestens seit den sozialen Netzwerken a la facebook zu Tode strapaziert.
Diese Zeitgenossen, gen. echte Freunde, sind höchst seltene "Tiere".
François VI. de La Rochefoucauld sagt völlig richtig:
"Der höchste Beweis der Freundschaft ist nicht, einem Freund unsere Fehler, sondern ihm seine bemerkbar zu machen."
Es würde mich freuen, ein kleines Gedankenkörnchen als Positivum fallengelassen zu haben,
vor allem auch als weiteren "Trostspender" für den Threadstarter.
norway, viel Erfolg beim Finden dessen, was Du wirklich suchst!
Jetzt möchte auch nicht weiter stören.
LG
Photonenbieger