Bin jetzt seit 4-5 Jahren "clean". Keine Medikamente, keine Therapie. Nach 3 Jahren nix machen gilt man als Clean. Die Gedanken werde ich wohl nie los, tlw Albträume und alles, aber ich komm irgendwie damit klar.
So schnell kann es gehen und man steht vor einem verdammten Haufen Scherben. Mittlerweile ist es realisiert und auch schon grob verarbeitet, daher sind die Eindrücke noch sehr frisch. Ich hatte einen durch übermäßig viel Alkohol geprägten Rückfall Mitte des Monats und wurde an 3 verschiedenen Stellen mit ca. 35 Stichen genäht nach dem ich dann doch noch einen lichten Moment hatte und mir Hilfe geholt habe. Neben dem Alkohol haben auch private Probleme, u.A. 2 Verluste im nahen Familienumfeld, Jobtechnisch und Beziehungstechnisch damit reingespielt, praktisch das Fass zum Überlaufen gebracht.
Durch den Alkohol war ich überaus redselig in der Notaufnahme und auch sehr kooperativ, was mich im Nachhinein vor der geschlossenen Station ‚gerettet‘ hat. Bei so schwerwiegenden Verletzungen gibt es nicht nur die Wundversorgung sondern eigentlich direkt eine Einweisung - entweder man geht freiwillig (auf die geschlossene) oder man wird halt Zwangseingewiesen. Durch erwähnte von meiner Seite aus offenen und kooperativen Art gegenüber Ärzten und Schwestern in der NA haben „wir“ uns den Teil mit der geschlossenen Station dann gesteckt bzw. mir wurde die Wahl gelassen, etwas untypisch für diese Art von Verletzungen, aber gut.
Nach der Wundversorgung ging es erst mal auf die Intensivstation zur Überwachung für knapp 8 Stunden. Nach einer eher unruhigen Nacht mit 2-3 Stunden Schlaf und einem tierischem Kater haben sich alleine 3 Ärzte noch mal alles angeguckt (sie waren dezent neugierig…) und so die typischen Ratschläge hatte natürlich auch jeder, aber egal. Gegen 09:30 (am Abend zuvor war ich gegen 23:00 Uhr im Krankenhaus), nach einem kurzen Krankenhaustypischen Frühstück, ging es dann im Krankenwagen in die LWL Klinik.
Aufnahmegespräch war wie üblich unspektakulär - wie alt sind die Verletzungen / wurde alles versorgt, was war der Auslöser, wie stabil schätzen sie sich ein. Nichts Tiefergehendes. Danach noch mal zum EKG und warten bis man abgeholt wird … um dann auf 41.5 zu landen. Ehh? Aha, 41.6 (die offene Station) ist umgezogen auf 41.5 (die geschlossene Station). Die haben praktisch getauscht, also hat alles seine Richtigkeit, ich werde doch nicht eingesperrt. Erst mal ins Schwesternzimmer, kurze Bestandsaufnahme von der Pflegerin (noch mal die typischen Fragen was der Auslöser war etc. aber alles nur ganz knapp), Behandlungsvertrag hatte ich unten bei der Aufnahme schon unterschrieben. Stationsregeln vorgelegt bekommen, auch unterschrieben. Blanko Therapieplan bekommen. Dann ab ins Zimmer - 4 Betten, toll - und dann auch noch ein altes Überwachungszimmer. 2 Betten belegt, also die Wahl gehabt. Das neben der Nische mit dem Waschbecken oder das an den Schränken. Da das an den Schränken vermeintlich Licht hatte das gewählt (dümmste Entscheidung überhaupt). Schrankschlüssel bekommen, wiederauffüllbare Wasserflasche bekommen, Empfang unterschrieben sowie das ich auf meinen Kram selber aufzupassen habe und die Klinik nicht haftet wenn was weg kommt wenn nicht gerade der Schrank aufgebrochen wird.
Da ich eh keine Klamotten mit hatte - die blutigen Sachen wollte ich nicht wieder anziehen, dass Krankenhaus hatte mir freundlicherweise ein kurzärmliges Kasack Set in blau zur Verfügung gestellt - ging es eigentlich direkt weiter zum zuständigen Facharzt für Psychiatrie & Psychotherapie. Seltsamerweise kannte der mich - ich kann mich absolut 0,0 an den erinnern, allerdings war der letzte Aufenthalt auch 6 Jahre her. Kann sein das er damals auch schon das Gespräch geleitet hatte, keine Ahnung. Zumindest hatte er meine Akte noch mal durchgelesen und war so halbwegs im Bilde. Kurz die Situation erläutert was Sache war und gemeinsam überlegt wie wir jetzt vorgehen. Habe darum gebeten es erst mal ohne Medikamente zu versuchen. Gemessen an den Schilderungen hat mir der Arzt eine Mischung aus Beruhigungs-/Schlaf- und Mittel gegen Entzugserscheinungen als Bedarfsmedikation aufgeschrieben, namentlich Oxazepam 10-20mg
http://de.wikipedia.org/wiki/Oxazepam - nach 2 Tagen und einer sehr rücksichtslosen Zimmermitbewohnerin wurde das auf das weit harmlosere Dipiperon 20-40mg
http://de.wikipedia.org/wiki/Pipamperon umgestellt. Das habe ich mir auch so alle 2 Tage geholt um wenigstens überhaupt mal schlafen zu können - das ist nämlich verdammt schwer, wenn jemand die ganze Nacht nur rumkramt, Licht an und aus, rein und raus, Wasser an und aus … irgendwann wurde sie dann zwar mit Schlafmitteln beglückt, aber da sie was am Herzen hat war es nur eine geringe Dosis und es hielt nicht wirklich lang vor.
Dann gab es noch den obligatorischen Therapieplan, es hat sich zwar ein wenig was geändert im Vergleich zu früher, aber so gravierend sind die Änderungen jetzt auch nicht.
Im Grunde hatte mich der Klinikalltag sehr schnell wieder. Visite war am nächsten Morgen, natürlich gab es noch keinen Wochenendurlaub. Großartig was bereden konnte man ja auch nicht. Blutabnahme war wie üblich eine Qual (sehr schlechte Venen…), das Antibiotikum gab es 3x täglich in Tablettenform, Pinkelprobe und das war es eigentlich schon. Wundversorgung erfolgte regelmäßig, inkl. Netterweise vom Personal besorgten Duschpflaster. Das Gebäude ist locker über 100 Jahre alt und miserabel isoliert und in der Woche war eine Affenhitze, da war ich sehr froh über die Möglichkeit duschen gehen zu können.
Pflegepersonal war durch die Bank eigentlich sehr nett und aufmerksam. Der Arzt hatte mir dann noch angeboten in einem Gespräch mit meinem Partner als Moderator zu agieren, ein Angebot was wir genutzt haben. War auch keine verschenkte Zeit.
Was halt absolut mangelhaft ist, ist die Ausstattung der Zimmer. Das Fernseher nicht vorhanden sind ist in einer psychiatrischen Einrichtung nur verständlich (also auf den Zimmern, auf der Station selber sind 2 Stück vorhanden). Das nicht jedes Zimmer eine eigene Dusche und Toilette hat ist auch noch zu verkraften. Das aber nicht mal jedes Bett mit Licht und Strom ausgestattet ist, ist wirklich suboptimal. Noch dazu hat es in der Klinik, auf genau der Station wo ich war, Mitte Juni gebrannt. Siehe auch
http://www.ruhrnachrichten.de/staed...nnt-Grosseinsatz-der-Feuerwehr;art930,2394234 - dadurch ist ein „Flügel“ unbewohnbar und die Handwerker sind natürlich immer im Haus. Da die geschlossene Station nach oben verfrachtet wurde und die offene nach unten, ist die offene natürlich in der Aufnahmekapazität beschränkt und wir haben die Zimmer von Leuten, die teilweise wochenlang eingesperrt waren und ihrer Zerstörungswut an den Lampen und Sanitären Anlagen nachgegeben haben. Klar, nach dem 300. Mal erneuert man die Lampen nicht mehr, aber es ist halt nicht wirklich komfortabel.
Grundsätzlich kann dir alles besorgt werden was du benötigst und nicht selber besorgen kannst, Handtücher und Waschlappen werden von der Klinik gestellt. Eine Waschmaschine und ein Trockner stehen zur freien Verfügung ohne Kosten.
Aufdröseln vom Therapieplan
Das grau hinterlegte ist eigentlich eine Pflichtveranstaltung:
Wecken: Je nach anwesendem Pflegepersonal wurde „geweckt“ (Tür auf „guten Morgen! Frühstück!“ - Tür zu) oder halt nicht.
Frühstück: Buffetform, bis auf Sonntag immer Brötchen (1 Sorte, wechseln. Sesambrötchen, normale Brötchen, Vollkornbrötchen etc.) - Schweinefreie Wurst, Wurst mit Schwein, Schnittkäse und abgepackte Aufstriche (Milram Frischkäse, Honig, Nuss Nougat Creme, kleine Brie Käse etc.), Portionspäckchen Butter und Margarine sowie wechselndes Brot (in der Regel Toastbrot / Weißbrot, Vollkorn und Mischkorn, mal Roggen, mal Dinkel etc.)
Morgenrunde: Kurze Tagesbesprechung - u.A. wer zur Blutentnahme, Röntgen, EKG oder ähnliches muss, Ausfälle von Therapien, abstimmen über das Mittagessen. Also rein organisatorisch.
Medikamente: Versteht sich von selbst.
Einzelvisite: Auf der Station jeden Montag und Freitag. Montags wird u.A. das Wochenende besprochen, Freitag der Wochenendurlaub (Belastungsprobe) geplant, dazu halt das übliche - ob Bedarf an Gesprächsterminen besteht, ob mit den Medikamenten alles in Ordnung ist etc. Reihenfolge: Wer zuerst kommt … oder es liegt eine Liste aus. Wo man sich eintragen kann. Achtet aber eh niemand drauf. Anwesend sind je nach dem 1 oder beide Ärzte, die Sozialarbeiterin und 1 Pfleger/Schwester die protokollieren.
Gruppenvisite: Ist eigentlich nicht wirklich eine Visite, findet auf der Station jeden Dienstag und Mittwoch statt. Die Patienten versammeln sich halt hübsch im Stuhlkreis, der Arzt sitzt dabei und 1 Pfleger / Schwester und es wird einmal reih um gefragt ob alles okay ist. Nur oberflächlich, nichts tiefergehendes. Auch noch mal die Möglichkeit Gesprächstermine zu vereinbaren.
Mittagessen: Bei der Aufnahme gibt man an was man primär isst (Vollkost, Schweinefreie Vollkost, Vegetarisch, Diät) und in den Morgenrunden wird dann jeweils für 2 Tage abgestimmt. Es ist auch möglich von Vollkost auf z.B. Vegetarisch zu wechseln - aber nur 1x, nicht jeden Tag aufs Neue. Das Essen wird auf dem Klinikgelände zubereitet und kommt heiß an ... Standard ist eine Vorsuppe, der Hauptgang und ein Dessert. Moslems bekommen Grundsätzlich (sofern nicht für vegetarisch eingetragen) die Schweinefreie Vollkost. Es wird zwar nach Portionen bestellt, aber jeder kann so viel futtern bis alle ist
und man kann auch Schweinefrei futtern, wenn es bestellt wurde (= wenn man moslemische Patienten auf der Station hat), solang man denen was überlässt.
Abendresumee: Alle Patienten versammeln sich in einem Stuhlkreis und einer der Pfleger/Schwestern fragt reihum wie der Tag war und ob es Gesprächsbedarf gibt. Wer zu spät kommt, kommt nicht mehr in den Raum damit die Sache nicht gestört wird und dazwischenquatschen wird auch schon mal mit Rauswurf aus der Abendrunde „bestraft“.
Stationsversammlung: Ebenfalls Pflichtveranstaltung für alle Patienten der Station, hier werden dann organisatorische Dinge festgelegt, überwiegend die Dienste. Die gelten für 1 Woche (ergo von Mittwoch bis Mittwoch). Beispiele für Dienste wären zum Beispiel im Speiseraum die Stühle abends hochstellen damit die Putzfrau morgens vernünftig wischen kann, den Wasserspender reinigen, Spülmaschine ein- und ausräumen, Abendessen vorbereiten etc.
Abendessen: Wie Frühstück, nur ohne frische Brötchen, dafür aber in der Regel mit Gemüse (Tomaten, Salatgurken, ab und an eingelegte Gurken), halben kalten Eiern und ab und an noch anderem Salat (Coleslaw, Bohnensalat) oder Kaltschalen
Schließen der Stationstür: Wird meist 15 - 30 Minuten nach hinten rausgezögert, danach kommt man nur noch rein wenn man ausgesperrt wurde - in der Regel düsen alle Raucher um 21:45 noch mal nach unten und inhalieren die letzte Dosis Nikotin des Tages. Auch wenn man nicht pennen kann - die Tür bleibt bis 6 Uhr morgens zu.
Um mal zum kulinarischen zurück zu kommen:
Es gibt Stilles Wasser und Wasser mit Kohlensäure im ‚Automaten‘. Flaschen (1,0 oder 0,5 Liter) gibt es bei der Aufnahme auf der Station und man kann sich rund um die Uhr Wasser holen.
Ansonsten gibt es Milch (1.5% und 3.5%), Buttermilch, Ayran, verschiedene Sorten Tee und Kaffee (mit Koffein!).
Außerdem ist jeden Tag um 14 Uhr „Kaffee und Kuchen“, sprich da wird noch mal Kaffee aufgesetzt (den gibt’s abends nicht mehr) und es gibt entweder Kekse oder Kuchen.
Außerdem werden ab und an mal „Leckereien“ rausgestellt - in die Küche darf nur das Personal und der Küchendienst, auch wenn sich nicht alle daran halten. Kommt aber auch immer aufs Personal an was gerade da ist, die einen machen die Tür zu, die anderen nicht so lang man keinen Mist baut.
Gibt abends schon mal noch eine Rutsche mit Joghurts oder ein Dutzend Trinkpäckchen oder nachgemachte Knoppers / Hanuta etc. - also auch süßes, zuckeriges Zeug. Allerdings auch da: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Was weg ist, ist weg - aber in der Regel geht man durchaus sozial miteinander um.
Und jetzt zu den anderen Dingen auf dem Therapieplan:
Die Ergotherapie ist eine kreative Therapieform. Ein paar allgemeine Informationen gibt es bei Wikipedia
http://de.wikipedia.org/wiki/Ergotherapie#Psychiatrie - mal so ein paar Beispiele was möglich ist: Ton Bearbeitung und Verarbeitung, Holzarbeiten (in kleinerem Rahmen, so Richtung Frühstücksbrettchen und Co), Window Color, diverse Maltechniken (Zeichnen, Aquarell, Kreide etc.), Stoffmalerei, Speckstein und so weiter. Also viel kreatives Zeug eben.
Analytische Kunsttherapie ist im Grunde mehr oder weniger das gleiche, hat aber einen größeren Gesprächsaspekt. Gibt es auch ohne den analytischen Teil und als Einzelkunsttherapie (nur nach Absprache)
Freies Schwimmen ist im Klinikeigenen Schwimmbad möglich, frei bedeutet hier einfach plantschen. Gibt es auch mal nur für Frauen oder nur für Männer. Gibt es auch ohne den Zusatz frei, sprich da werden dann auch Übungen im Wasser gemacht.
Psychoedukative Gruppe kann ich absolut nichts zu sagen.
Allgemein kann ich zu allem was noch offen ist nicht viel zu sagen, da nie belegt. Oder wenn kümmert die Teilnahme eh niemanden.
Die Klinik bietet einem die Option nach der Akutstation auf eine Therapiestation zu wechseln. Da gibt es sowohl DBT Programme (für Borderline Störungen) als auch für Depressionen und Co Programme, in unterschiedlichen Häusern, die weit intensiver sind. Die Therapien da sind Pflicht, es wird viel mehr Wert auf Gespräche gelegt (auch Gruppengespräche, Themenbezogen etc.), etwas was man auf einer Akutstation zur Stabilisierung halt nicht liefern kann. Problem ist nur: Diese Stationen sind vollkommen überfüllt und wenn man nicht gerade der Top Vorzeige Patient ist hat man kaum eine Chance um da einen Platz zu ergattern.
Aber so ist es ja überall. Bin jetzt schon längere Zeit wieder zu Hause, denke aktuell ist auch die komplette Station wieder bewohnbar, die Klebefolien an den Überwachungszimmern halten (damit es nicht ein gläserner Kasten ist), Licht und Strom gibt es für jeden … oder vielleicht hat man auch schon getauscht. Wer weiß.
Ich bin mal jedes mal daran vorbei gefahren mit dem Gedanken „da willst du nie wieder hin“. Gehalten hat es nicht. Hoffen wir mal das es in Zukunft auch wenn überhaupt wieder so lange dauert oder einfach gar nicht.
Tschö
Zeddi