Re: Coronavirus
So, wie versprochen bzgl. der neuen Studie zum südafrikanischen Strang, der offenbar die derzeitigen Impfstoffe nutzlos macht:
Ja, er spricht - wenn die Daten einer Prüfung standhalten - nicht auf Rekonvaleszenzseren an. Damit sind alle Impfungen, auf die wir aktuell die Hoffnungen stützen, gegen ihn nutzlos.
Grund: Rekonvaleszenzseren enthalten die Antikörper, die ein Organismus typischerweise gegen ein Antigen (ein klassifizierendes Protein eines Fremdkörpers) bildet. Das ist natürlich ein stochastischer Prozess: Der Organismus produziert mehr oder weniger auf Blau verschiedene Antikörper, bis einer davon wirkt. Je prominenter (häufiger/zugänglicher) ein dafür infrage kommendes Antigen auf dem zu bekämpfenden Fremdkörper ist, desto wahrscheinlicher hat der Körper das Glück, dafür einen Antikörper zu finden. Dürfte auch relativ logisch sein: Wenn ein Virus 100x das turmhohe Protein A an der Oberflächte trägt, aber nur 1x Protein B, das auch noch zwischen den ganzen Protein-A-Türmen wie ein Auto in New York verschwindet, ist es wahrscheinlicher, dass der Körper zuerst am Protein A erfolgreich eine Bindungsstelle findet. Diese Bindungsstellen sind aber im Vergleich relativ klein, d. h. ein Antigen kann eine Vielzahl an potentiellen Antikörper-Dockingstellen aufweisen. Welche davon am wahrscheinlichsten genutzt wird, hängt wieder von der Prominenz ab, also wie zugänglich und wie häufig ist sie. Um wieder beim Hochhaus zu bleiben: Es ist wahrscheinlicher, dass man aus dem Flugzeug die Fenster oder das Dach zuerst sieht, als den Garageneingang auf der Rückseite oder gar das Fundament.
Fast alle Rekonvaleszenzseren gehen daher auf das Spike-Protein, das massiv aus dem Virus herausragt. Und die meisten dieser Antikörper können an der Spitze docken. Dummerweise ist genau das eingetreten, was man am Anfang letzten Jahres mal in einer Mutationsstudie vorhergesagt hat: Das S-Protein ist sehr funktionsstabil, d. h. es behält seine Funktion bei einer Vielzahl von Mutationen grundsätzlich bei, kann sogar bei der ein oder anderen bestimmten Mutation seine Funktion noch verbessern. Und in einem Organismus ist wohl durch massive Schädigung des viralen Genoms eine ganze Reihe an Veränderungen am S-Protein aufgetreten, die sein Aussehen stark geändert, aber seine Funktion nahezu überhaupt nicht eingeschränkt haben. Dummerweise ist das Aussehen so stark verändert, dass die Bindungsstellen der meisten Antikörper für diese nicht mehr identifizierbar sind. Für den Organismus, der einen anderen Strang SARS-CoV-2 überlebt hat, sieht der neue Strang also völlig unbekannt aus.
Die Impfungen, und zwar alle, die in Europa verwendet werden, induzieren die Produktion von S-Proteinen in den "infizierten" Zellen. Das ist super, denn das ist schließlich das Protein, welches am prominentesten am Virus ist - die Wahrscheinlichkeit, dass der geimpfte Organismus also die echten Viren nach dem Training mit den Dummys erkennt, ist sehr hoch. Das ist aber jetzt auch blöde - denn die neuen S-Proteine des neuen Strangs sind so anders, dass nahezu keine Bindungsstelle mehr so aussieht wie erwartet. Ergo: es dürfte kaum Leute geben, welche Antikörper gegen die nicht veränderten Stellen gebildet haben, und damit sind wir - für diesen einen Strang - wieder Anfang Februar 2020.
Ein Gutes haben unsere jetzigen Impfstoffe aber: Sie sind relativ leicht abänderbar. Es wird aber trotzdem Monate dauern, bis der Impfstoff für den neuen Strang großtechnisch verfügbar sein dürfte.