Ungesund
Feiner Herr
Ich stelle hier mal mein Effektgerät vor, welches ich letztes Jahr als Teil meiner Bachelor-Thesis entworfen und gebaut habe.
Das Video dazu habe ich mal irgendwo hier gepostet, aber ein kleines Spotlight kann ja nicht schaden, wo wir hier schon diesen schönen Bereich haben.
Dabei handelt es sich um einen asynchronen 2-Stufen Stereo Delay, mit 4 Delay-Prozessoren (zwei pro Stereo-Kanal). Beide Stufen sind einzeln Schaltbar, Pro Delayprozessor sind Länge, Feedback und Stereomix frei kontrollierbar.
Konzipiert wurde der Effekt Digital in Logic Pro X: Hier konnte ich durch experimentieren den gewünschten Effekt produzieren und anhand des digitalen Aufbaus den späteren Signalweg simulieren. Mit diesem war es möglich die für das Hardware-Gerät nötigen Bauteile und Steuerelemente zu identifizieren.
Mit der Philosophie hinter dem Gerät will ich euch nicht all zu sehr langweilen. Wichtig ist nur: Als Grundgedanke galt hier die freie, intuitive Echo-Gestaltung. So weit es geht sollten Templates, Settings, vordefinierten Stufen der Regler und auto-synchronisation des Stereo-Timings gemieden werden. Meine Absicht war hier das Echo viel mehr als ein Instrument wahrzunehmen, welches direkt mit den Händen in, ansonsten durch Vordefinition nicht zugänglicher Art, "gespielt" werden kann.
Wie sich der Effekt anhört, was er kann, könnt ihr hier sehen:
Ein Eingangssignal wird mit zwei gestaffelten Stereo-Echos belegt. Bei beiden Echos sind je der linke und rechte Kanal einzeln in ihren Parametern Länge, Feedback und Lautstärke steuerbar, was zusammen 12 veränderbare Parameter macht. Gesteuert über hochaufgelöste Potentiometer ergeben sich unzählige Kombinationsmöglichkeiten und somit resultierende Echos.
Ich kann bei dem nun folgenden Text über den Bau nicht immer ganz chronologisch vorgehen, da die einzelnen Arbeitsschritte teilweise voneinander abhingen. So spreche ich im Teil der Hardware über Teile des Cases, komme auf den Bau des Cases jedoch erst später zu sprechen, da dessen Beschaffenheit von der Auswahl der Hardware abhing.
Die Hardware
Nach eingehender Recherche stellte sich der Microprozessor „PT2399“ von Princeton Technology Corp. als guter Kandidat heraus, die Kernaufgabe als Delay-Prozessor zu übernehmen. Dieser Chip bietet in einem Package sowohl A/D und D/A Wandlung des Mono-Eingangs- und Ausgangssignals wie auch Delay-Zwischenspeicher und dessen Auslese- und Abspielmöglichkeit in einem Komplettpaket. Über an die Steuer-Pins des Chips angelegte Widerstände können die Echo-Parameter beeinflusst werden.
Die Chips gibt es, direkt vom chinesischen Hersteller aus Shenzen, auch in Modul-Bauweise, was den Entwurf einer passenden Platine zur Stromversorgung und Out-Routing der Chip-Pins für leicht zu verkabelnde Ein- und Ausgänge überflüssig macht. Auch wenn die Module nicht direkt alle gewünschten Features bieten, so sind sie leicht modifizier- und somit um die gewünschten Features erweiterbar. Dazu müssen SMD-Bauteile von der Platine entfernt, und an anderer Stelle Leitungen zu variablen Widerständen (Potentiometer) angelötet werden. Ein weiterer positiver Effekt der Module ist eine, ausgenommen der Stromversorgung, völlige Autarkie der einzelnen Delay-Prozessoren, mit eigenem Board pro Delaychip und so weniger Schwachstellen für eventuelle gegenseitige Beeinflussung der Bauteile durch fehlende Schirmung.
Besonderes Feature bei dem Effektgerät sind die 10-turn-Potentiometer von BURNS, welche für Ihren Widerstandsbereich von ca. 0,1 Ω bis 20 kΩ zehn Umdrehungen benötigen. Dadurch ist eine sehr hohe Auflösung bei der Steuerung der Delaylänge und des Feedbacks gegeben. Der Regler für den Mix benötigt keine so hohe Auflösung zur Steuerung, daher kommt hier ein normales, 1-Umdrehung 10 kΩ Potentiometer zum Einsatz.
Die Module selbst verarbeiten nur ein Mono-Signal, dementsprechend werden für den gewünschten Aufbau von Zwei Stereo-Echos vier autarke Module benötigt, die in Serie pro Stereo-Kanal verlegt und im Paar zu- und abschaltbar sind. Dies wird über einen 3-position Switch realisiert. Position 1 schleift das Signal von Modulpaar 1 an den Ausgang durch, Position 2 (Mittelstellung) cuttet das Signal und dient als Killswitch für Situationen auf die ich später noch zu sprechen komme. Position 3 gibt das Signal beider Modulpaare/Delay-Stufen aus.
Für Ein- und Ausgang habe ich mich für 3,5 Stereo-Klinke entschieden. Ich wollte das Gerät Kompakt halten, und so gerne ich 6,35 mm Klinke verwendet hätte, hätten die dazugehörigen Buchsen sehr viel Platz im Innenraum beansprucht.
Zur Stomversorgung kommt letztendlich eine geregelte 9V PSU (Steckernetzteil) zum Einsatz, ein erschwingliches Produkt einer kleinen Englischen Hardwaresschmiede aus dem Footpadel-Bereich.
Alle Hardwareteile wurden mit individuell gestalteten, 3D-gedruckten Halterungen versehen, welche im Gehäuse mit Epoxidharz verklebt wurden. Alle Bauteile sind so an ihre position steck- und einzeln entnehmbar (Nach dem auslöten). Mehrfache Test-drucke und sich daraus ergebende enge Toleranzen sorgen für einen Stabilen Aufbau.
The Noise, oh the noise!
Steuerungssignale werden durch ungeschirmte Steckverbinder übertragen, was keine Probleme darstellte. Bei den Audio-Signal tragenden Kabeln war das allerdings nicht der Fall. Hier musste ich schön Lehrgeld bezahlen. Nachdem der erste Aufbau am Breadboard, mit sehr kurzen Kabeln funktionierte wie gewünscht, machte ich mich ans fröhliche löten. Als alles nach viel arbeit sorgfältig verlötet war, kam dann die Ernüchterung: Das Signal war beim ersten Test so von Rauschen geplagt, dass ich manche Funktionen, wie das Feedback gar nicht nutzen konnte. Die Noise drang als konstantes Signal in den Delaykreislauf und potentierte sich innerhalb weniger Sekunden so sehr, dass die Ausgabe übersteuerte. Mit leerem Blick schaute ich auf mein Konstrukt und sinnierte über die vielen Stunden die ich in den bau einer lauten Rauschmaschine investiert hatte... Mit dem Gefühl der Geschlagenheit ging ich zu Bett.
Am nächsten Tag sah die Welt dann schon anders aus. Ich las mich ein in die Gebräuche um die EM-Schirmung, etwas dass ich in meinen bisherigen Projekten nur mal gelegentlich streifte. Erste Maßnahme war die komplette Ausstattung des Signalweges mit geschirmten, geerdeten Kabeln. Das bedeutete zwar dass ich alle Lötarbeit vom Vortag rückgängig machen musste, aber es lohnte sich: Nach dem Verlegen der neuen Kabel war das Rauschen massiv reduziert und man konnte erstmals den Effekt testen.
Weitere Maßnahmen waren die Investition in ein reguliertes Netzteil, und ein Erden der Alu-Faceplate.
Das Case
Nachdem fest stand welche Hardware zum Einsatz kommt, ging es an das Case. Ich hatte da eine klassisch anmutende Tischkonsole im Kopf, mit dunklem Holz als basis, und einer Faceplate/Bedienfläche und Elementen aus Metall. Mit den Maßen der Bauteile entwarf ich einen Bauplan in 3DS Max. Für das Case kam Multiplex Sperrholz zum Einsatz, welches nach dem Bauplan passgenau zugeschnitten, mit den entsprechenden Bohrungen für ein/ausgang sowie Vcc versehen, verleimt und geschliffen wurde.
Für die dunkle Färbung kam Clou Pulverbeize Farbton Mahagoni zum Einsatz. Abschließend wurde das Gehäuse transparent mehrfach lackiert, mit 3000er-Papier Handschleif-Durchgängen zwischen den Lackierungen.
Für die Faceplate hatte ich mir zuerst einen Online-Dienst für Faceplates angeschaut, mich dann aber doch für DIY entschieden, weil cooler. Die Platzierung der Potentiometer auf der Faceplate plante ich in 2D am Rechner und druckte diese Positionen auf Transparente Klebefolie.
Ein 3mm Alu-Zuschnitt aus dem Internet, der schief und Krumm geschnitten bei mir ankam wurde auf Maß heruntergefeilt, mit der Klebefolie versehen. So habe ich exakte Vorgaben um die nötigen Löcher zu Bohren, was an der Tischbohrmaschine geschah.
Als finale Beschriftung entwarf ich Symbole für alle Funktionen. Diese Symbole sollen in Kombination mit der Nutzung des Effekts Sinn ergeben und ohne Sprachkentnisse verständlich sein. Bei der Umsetzung schlugen erste Versuche des Siebdrucks auf die massive Alu-Platte fehl, bzw. waren nicht haltbar genug. So kam ich darauf nach anderen Möglichkeiten der Beschriftung ausschau zu halten. Gravur per CNC wäre eine Methode, doch wirklich feine Details konnte ich mit dem mit zur Verfügung stehenden Gerätschaften nicht erwarten. So kam ich auf das ätzen. Das Aluminium der Faceplate eignete sich gut für dieses Verfahren, alles was ich brauchte war Natriumhydroxid. Also ab in den Supermarkt und Abflussreiniger kaufen.
Nach Versuchen mehrerer Marken kam ich auf "Becher Blank- Abfluss frei" . Wenn man da die zusätzlich hinzu gegebenen Aluminium-späne herausfischt, ist das Zeug äußerst potent. Entsprechende Schutzmaßnahmen und die Durchführung unter freiem Himmel sollten da klar sein.
Um nur zu Ätzen was nachher als Beschriftung erkennbar sein soll, braucht es eine Maske, die nur diese Teile des Aluminiums der Säure aussetzt. Ich habe mich hier für Autofolie ohne(!) Luftkanäle entschieden, aus welcher ich negativ die zuvor entworfenen Symbole am Schneideplotter ausschneiden ließ.
Erste Tests ließen hoffen. Ich machte verschiedene Durchläufe mit verschiedenen Dosierungen und Einwirkzeiten, bis ich eine Tiefe erreichte die mir gefiel und es zum Ätzen der letztendlichen Faceplate ging.
Dieses verlief im großen und ganzen wie gewünscht. Im Nachhinein hätte ich mich jedoch vermutlich besser für ein anderes Maskierungsverfahren, wie den Laserdrucker-Toner-Transfer entschieden. An manchen Stellen gelangte Ätzmittel unter die Folie und sorgte so für ein etwas unscharfes Ätzbild.
Nach eingehender Bearbeitung mit Schleifpapier, von 500 bis 5000, Stahlwolle und anschließender Politur, sieht das ganze aber ansehnlich aus.
Abschließend wurde alles zusammengebaut und das erste mal in seiner endgültigen Form ausgiebig getestet.
Für Die Faceplate druckte ich zwei Halter für Neodym-Magnete, mit entsprechendem Gegenstück für die Case-Innenseite.
Die Faceplate sitzt so von 6 Magenten gehalten sicher auf dem Case, ist jedoch leicht abnehmbar, um den Prototypen weiter bequem modifizieren zu können.
Die Funktion des Geräts entspricht in allen Belangen dem gewünschten Effekt. In manchen Konfigurationen wie z.B. mit massivem Feedback ist es noch etwas noisy, aber dem wäre evtl. damit zu begegnen auch die Steuerbefehl-führenden Teile der Schaltung, so wie jedes Modul einzeln zu schirmen. Das Musizieren oder einfach nur im Echo-versinken macht großen Spaß, vor allem weil es gelöst vom Bildschirm, mit jedem Stereo-Signal auf 3,5 Klinke verwendet werden kann. Schon ein Smartphone mit einer Klangerzeugenden App reicht aus.
Weiterer Teil der Arbeit waren Musikstücke und ein zum Effekt passender Visuals-Baukasten.
Die will ich allerdings erst releasen wenn ich noch ein paar mehr Stücke produziert habe.
Danke fürs lesen! Ich beantworte auch gerne Fragen dazu.
--- [2020-02-20 20:48 CET] Automatisch zusammengeführter Beitrag ---
Zur Info am Rande, bezüglich Rohstoffen und deren Einsatzzweck:
Das Video dazu habe ich mal irgendwo hier gepostet, aber ein kleines Spotlight kann ja nicht schaden, wo wir hier schon diesen schönen Bereich haben.
Dabei handelt es sich um einen asynchronen 2-Stufen Stereo Delay, mit 4 Delay-Prozessoren (zwei pro Stereo-Kanal). Beide Stufen sind einzeln Schaltbar, Pro Delayprozessor sind Länge, Feedback und Stereomix frei kontrollierbar.
Konzipiert wurde der Effekt Digital in Logic Pro X: Hier konnte ich durch experimentieren den gewünschten Effekt produzieren und anhand des digitalen Aufbaus den späteren Signalweg simulieren. Mit diesem war es möglich die für das Hardware-Gerät nötigen Bauteile und Steuerelemente zu identifizieren.
Mit der Philosophie hinter dem Gerät will ich euch nicht all zu sehr langweilen. Wichtig ist nur: Als Grundgedanke galt hier die freie, intuitive Echo-Gestaltung. So weit es geht sollten Templates, Settings, vordefinierten Stufen der Regler und auto-synchronisation des Stereo-Timings gemieden werden. Meine Absicht war hier das Echo viel mehr als ein Instrument wahrzunehmen, welches direkt mit den Händen in, ansonsten durch Vordefinition nicht zugänglicher Art, "gespielt" werden kann.
Wie sich der Effekt anhört, was er kann, könnt ihr hier sehen:
Ein Eingangssignal wird mit zwei gestaffelten Stereo-Echos belegt. Bei beiden Echos sind je der linke und rechte Kanal einzeln in ihren Parametern Länge, Feedback und Lautstärke steuerbar, was zusammen 12 veränderbare Parameter macht. Gesteuert über hochaufgelöste Potentiometer ergeben sich unzählige Kombinationsmöglichkeiten und somit resultierende Echos.
Ich kann bei dem nun folgenden Text über den Bau nicht immer ganz chronologisch vorgehen, da die einzelnen Arbeitsschritte teilweise voneinander abhingen. So spreche ich im Teil der Hardware über Teile des Cases, komme auf den Bau des Cases jedoch erst später zu sprechen, da dessen Beschaffenheit von der Auswahl der Hardware abhing.
Die Hardware
Nach eingehender Recherche stellte sich der Microprozessor „PT2399“ von Princeton Technology Corp. als guter Kandidat heraus, die Kernaufgabe als Delay-Prozessor zu übernehmen. Dieser Chip bietet in einem Package sowohl A/D und D/A Wandlung des Mono-Eingangs- und Ausgangssignals wie auch Delay-Zwischenspeicher und dessen Auslese- und Abspielmöglichkeit in einem Komplettpaket. Über an die Steuer-Pins des Chips angelegte Widerstände können die Echo-Parameter beeinflusst werden.
Die Chips gibt es, direkt vom chinesischen Hersteller aus Shenzen, auch in Modul-Bauweise, was den Entwurf einer passenden Platine zur Stromversorgung und Out-Routing der Chip-Pins für leicht zu verkabelnde Ein- und Ausgänge überflüssig macht. Auch wenn die Module nicht direkt alle gewünschten Features bieten, so sind sie leicht modifizier- und somit um die gewünschten Features erweiterbar. Dazu müssen SMD-Bauteile von der Platine entfernt, und an anderer Stelle Leitungen zu variablen Widerständen (Potentiometer) angelötet werden. Ein weiterer positiver Effekt der Module ist eine, ausgenommen der Stromversorgung, völlige Autarkie der einzelnen Delay-Prozessoren, mit eigenem Board pro Delaychip und so weniger Schwachstellen für eventuelle gegenseitige Beeinflussung der Bauteile durch fehlende Schirmung.
Besonderes Feature bei dem Effektgerät sind die 10-turn-Potentiometer von BURNS, welche für Ihren Widerstandsbereich von ca. 0,1 Ω bis 20 kΩ zehn Umdrehungen benötigen. Dadurch ist eine sehr hohe Auflösung bei der Steuerung der Delaylänge und des Feedbacks gegeben. Der Regler für den Mix benötigt keine so hohe Auflösung zur Steuerung, daher kommt hier ein normales, 1-Umdrehung 10 kΩ Potentiometer zum Einsatz.
Die Module selbst verarbeiten nur ein Mono-Signal, dementsprechend werden für den gewünschten Aufbau von Zwei Stereo-Echos vier autarke Module benötigt, die in Serie pro Stereo-Kanal verlegt und im Paar zu- und abschaltbar sind. Dies wird über einen 3-position Switch realisiert. Position 1 schleift das Signal von Modulpaar 1 an den Ausgang durch, Position 2 (Mittelstellung) cuttet das Signal und dient als Killswitch für Situationen auf die ich später noch zu sprechen komme. Position 3 gibt das Signal beider Modulpaare/Delay-Stufen aus.
Für Ein- und Ausgang habe ich mich für 3,5 Stereo-Klinke entschieden. Ich wollte das Gerät Kompakt halten, und so gerne ich 6,35 mm Klinke verwendet hätte, hätten die dazugehörigen Buchsen sehr viel Platz im Innenraum beansprucht.
Zur Stomversorgung kommt letztendlich eine geregelte 9V PSU (Steckernetzteil) zum Einsatz, ein erschwingliches Produkt einer kleinen Englischen Hardwaresschmiede aus dem Footpadel-Bereich.
Alle Hardwareteile wurden mit individuell gestalteten, 3D-gedruckten Halterungen versehen, welche im Gehäuse mit Epoxidharz verklebt wurden. Alle Bauteile sind so an ihre position steck- und einzeln entnehmbar (Nach dem auslöten). Mehrfache Test-drucke und sich daraus ergebende enge Toleranzen sorgen für einen Stabilen Aufbau.
The Noise, oh the noise!
Steuerungssignale werden durch ungeschirmte Steckverbinder übertragen, was keine Probleme darstellte. Bei den Audio-Signal tragenden Kabeln war das allerdings nicht der Fall. Hier musste ich schön Lehrgeld bezahlen. Nachdem der erste Aufbau am Breadboard, mit sehr kurzen Kabeln funktionierte wie gewünscht, machte ich mich ans fröhliche löten. Als alles nach viel arbeit sorgfältig verlötet war, kam dann die Ernüchterung: Das Signal war beim ersten Test so von Rauschen geplagt, dass ich manche Funktionen, wie das Feedback gar nicht nutzen konnte. Die Noise drang als konstantes Signal in den Delaykreislauf und potentierte sich innerhalb weniger Sekunden so sehr, dass die Ausgabe übersteuerte. Mit leerem Blick schaute ich auf mein Konstrukt und sinnierte über die vielen Stunden die ich in den bau einer lauten Rauschmaschine investiert hatte... Mit dem Gefühl der Geschlagenheit ging ich zu Bett.
Am nächsten Tag sah die Welt dann schon anders aus. Ich las mich ein in die Gebräuche um die EM-Schirmung, etwas dass ich in meinen bisherigen Projekten nur mal gelegentlich streifte. Erste Maßnahme war die komplette Ausstattung des Signalweges mit geschirmten, geerdeten Kabeln. Das bedeutete zwar dass ich alle Lötarbeit vom Vortag rückgängig machen musste, aber es lohnte sich: Nach dem Verlegen der neuen Kabel war das Rauschen massiv reduziert und man konnte erstmals den Effekt testen.
Weitere Maßnahmen waren die Investition in ein reguliertes Netzteil, und ein Erden der Alu-Faceplate.
Das Case
Nachdem fest stand welche Hardware zum Einsatz kommt, ging es an das Case. Ich hatte da eine klassisch anmutende Tischkonsole im Kopf, mit dunklem Holz als basis, und einer Faceplate/Bedienfläche und Elementen aus Metall. Mit den Maßen der Bauteile entwarf ich einen Bauplan in 3DS Max. Für das Case kam Multiplex Sperrholz zum Einsatz, welches nach dem Bauplan passgenau zugeschnitten, mit den entsprechenden Bohrungen für ein/ausgang sowie Vcc versehen, verleimt und geschliffen wurde.
Für die dunkle Färbung kam Clou Pulverbeize Farbton Mahagoni zum Einsatz. Abschließend wurde das Gehäuse transparent mehrfach lackiert, mit 3000er-Papier Handschleif-Durchgängen zwischen den Lackierungen.
Für die Faceplate hatte ich mir zuerst einen Online-Dienst für Faceplates angeschaut, mich dann aber doch für DIY entschieden, weil cooler. Die Platzierung der Potentiometer auf der Faceplate plante ich in 2D am Rechner und druckte diese Positionen auf Transparente Klebefolie.
Ein 3mm Alu-Zuschnitt aus dem Internet, der schief und Krumm geschnitten bei mir ankam wurde auf Maß heruntergefeilt, mit der Klebefolie versehen. So habe ich exakte Vorgaben um die nötigen Löcher zu Bohren, was an der Tischbohrmaschine geschah.
Als finale Beschriftung entwarf ich Symbole für alle Funktionen. Diese Symbole sollen in Kombination mit der Nutzung des Effekts Sinn ergeben und ohne Sprachkentnisse verständlich sein. Bei der Umsetzung schlugen erste Versuche des Siebdrucks auf die massive Alu-Platte fehl, bzw. waren nicht haltbar genug. So kam ich darauf nach anderen Möglichkeiten der Beschriftung ausschau zu halten. Gravur per CNC wäre eine Methode, doch wirklich feine Details konnte ich mit dem mit zur Verfügung stehenden Gerätschaften nicht erwarten. So kam ich auf das ätzen. Das Aluminium der Faceplate eignete sich gut für dieses Verfahren, alles was ich brauchte war Natriumhydroxid. Also ab in den Supermarkt und Abflussreiniger kaufen.
Nach Versuchen mehrerer Marken kam ich auf "Becher Blank- Abfluss frei" . Wenn man da die zusätzlich hinzu gegebenen Aluminium-späne herausfischt, ist das Zeug äußerst potent. Entsprechende Schutzmaßnahmen und die Durchführung unter freiem Himmel sollten da klar sein.
Um nur zu Ätzen was nachher als Beschriftung erkennbar sein soll, braucht es eine Maske, die nur diese Teile des Aluminiums der Säure aussetzt. Ich habe mich hier für Autofolie ohne(!) Luftkanäle entschieden, aus welcher ich negativ die zuvor entworfenen Symbole am Schneideplotter ausschneiden ließ.
Erste Tests ließen hoffen. Ich machte verschiedene Durchläufe mit verschiedenen Dosierungen und Einwirkzeiten, bis ich eine Tiefe erreichte die mir gefiel und es zum Ätzen der letztendlichen Faceplate ging.
Dieses verlief im großen und ganzen wie gewünscht. Im Nachhinein hätte ich mich jedoch vermutlich besser für ein anderes Maskierungsverfahren, wie den Laserdrucker-Toner-Transfer entschieden. An manchen Stellen gelangte Ätzmittel unter die Folie und sorgte so für ein etwas unscharfes Ätzbild.
Nach eingehender Bearbeitung mit Schleifpapier, von 500 bis 5000, Stahlwolle und anschließender Politur, sieht das ganze aber ansehnlich aus.
Abschließend wurde alles zusammengebaut und das erste mal in seiner endgültigen Form ausgiebig getestet.
Für Die Faceplate druckte ich zwei Halter für Neodym-Magnete, mit entsprechendem Gegenstück für die Case-Innenseite.
Die Faceplate sitzt so von 6 Magenten gehalten sicher auf dem Case, ist jedoch leicht abnehmbar, um den Prototypen weiter bequem modifizieren zu können.
Die Funktion des Geräts entspricht in allen Belangen dem gewünschten Effekt. In manchen Konfigurationen wie z.B. mit massivem Feedback ist es noch etwas noisy, aber dem wäre evtl. damit zu begegnen auch die Steuerbefehl-führenden Teile der Schaltung, so wie jedes Modul einzeln zu schirmen. Das Musizieren oder einfach nur im Echo-versinken macht großen Spaß, vor allem weil es gelöst vom Bildschirm, mit jedem Stereo-Signal auf 3,5 Klinke verwendet werden kann. Schon ein Smartphone mit einer Klangerzeugenden App reicht aus.
Weiterer Teil der Arbeit waren Musikstücke und ein zum Effekt passender Visuals-Baukasten.
Die will ich allerdings erst releasen wenn ich noch ein paar mehr Stücke produziert habe.
Danke fürs lesen! Ich beantworte auch gerne Fragen dazu.
--- [2020-02-20 20:48 CET] Automatisch zusammengeführter Beitrag ---
Zur Info am Rande, bezüglich Rohstoffen und deren Einsatzzweck:
In dem Fall hier wollte ich eine gebeizte Holz-Optik und eine hohe Steifheit(?) bei möglichst dünnem Material. Ich habe schon funierte Spanplatten gebeizt, aber die gibts zumindest bei meinen Quellen erst ab 9mm, was zu dick für den Anwendungszweck ist. Ich habe übrigens auch nie behauptet dass Spanplatte der ideale Rohstoff für alles sind. Kommt eben auf den Anwendungsfall an.
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