Auch auf die Gefahr, dass ich mich hier mehrfach wiederhole:
Es ist womöglich gar nicht sinnvoll, sowas wie HIV-Resistenzen in unser Erbgut "reinzupatchen", oder sowas wie Erbkrankheiten "rauszupatchen". Dazu wissen wir noch viel zu wenig, was die entsprechenden Gene noch so alles treiben.
Ihr geht immer alle (zurecht, weil einfach beschissen in der Schule gelehrt) davon aus, dass die Gene ein Bauplan sind, so wie der eines Hauses. Sind sie aber nicht. Sie sind sowas wie ein kryptographischer Ciphertext, der mittels eines anderen Schlüssels komplex vermischt wurde und das ein paar tausend Mal nacheinander - mit dem Unterschied, dass viele Entschlüsselungen mit verschiedenen Schlüsseln zu völlig anderen Ergebnissen kommen, die aber alle mehr oder minder logisch und vernünftig aussehen. Fast wie ein Kaleidoskop.
Am Einfachsten ist das nachvollziehbar, wenn man sich die Geschlechtschromosomen ansieht:
X codiert weibliche Merkmale
Y codiert männliche Merkmale
Sind beide Geschlechtschromosomen (weil wir Diploiden sind) X, entsteht eine Frau. Sind beide unterschiedlich, also X und Y, entsteht ein Mann. Das bedeutet, X tritt in seiner Auswirkung dann zurück, wenn Y das andere Chromosom ist. Das passiert übrigens auch bei XX - ein Geschlechtschromosom wird dabei nahezu vollständig ausgeschaltet. Das passiert aber nicht, indem das "feindliche" Chromosom zerstört wird, sondern deaktiviert, und zwar epigenetisch durch angedockte Proteine an das jeweilige Chromosom. Diese Besetzungen der Dockingstellen können auch vererbt werden, was dazu führen würde, dass zwei Menschen mit exakt identischer Basenfolge auf allen Chromosomen völlig andere Eigenschaften aufweisen, und zwar auch und insbesondere morphologisch, wenn sich nur die Besetzung der Dockingstellen unterscheidet. Dumm ist nur: Wir haben aktuell (Stand Ende 2017) noch keine wirkliche Ahnung, wie weit dieses Docking vererbt wird, wie es warum modifiziert wird und vor allem, wie viele Trigger es dafür gibt und wie viele - und da wird es erst richtig interessant - davon überhaupt gar nicht im Körper selbst produziert oder angestoßen werden, sondern durch äußere Einflüsse.
So ist es durchaus denkbar, dass ein bestimmter Virus, den wir seit Jahrhunderten nicht mehr gesehen haben, eine Veränderung in der Epigenetik unseres Erbguts über Generationen triggern kann, von der wir nicht einmal wissen, dass sie überhaupt möglich ist. Das, zusammen mit der Tatsache, dass unser Genom nicht einfach nur normale Proteinsequenzen kodiert, sondern in einer Stelle ähnlich einer sehr gut komprimierten ZIP-Datei teils dutzende Proteine unterschiedlicher Effizienz, Art, Nutzbarkeit und Bestimmung codieren kann - es werden nur die Sequenzen anders zerschnitten und wieder verbunden (Stichwörter: Introns/Exons) - macht die Sache nahezu unmöglich zu überblicken. Was sich aktuell als völlig willkürlich mutierte Kopie eines benachbarten Exons in einem Intron darstellen kann, ersetzt möglicherweise bei einer Exposition mit einem bestimmten Gift das sonst transkripierte Exon und bringt damit ein Enzym hervor, das zwar etwas ineffizienter ist, aber dafür zum Beispiel vom Gift nicht mehr gehemmt werden kann (und damit eine Resistenz ausbildet). Es ist durchaus möglich, dass solche Vorgänge ständig in unserem Körper passieren, ohne dass wir es wissen - weil wir auch keinen Vergleichswert haben. Wer wäre denn bitte der Vergleichswert für eine breite Resistenz gegen z. B. Alkohol (man beachte, dass Ethanol für den Menschen ungiftiger ist als Methanol, bei Ratten ist das aber genau umgekehrt!)?
Das wollte ich mit dem Beispiel mit der Sichelzellanämie zeigen - ja, sie ist eine schwere Erbkrankheit, wir sollten sie los werden... oh, Scheiße, war doch sinnvoll, aber wir haben gerade breitgefächert das Gen ausgelöscht, das dafür verantwortlich war. Blöd jetzt, weil Malaria und so... Das ist eben das Problem mit heterozygoten Wesen - das Gen, das abgeschaltet wurde/rezessiv auftritt, weil es nur 50% Effizienz haben würde, kann bei geänderten Bedingungen angeschaltet werden bzw. dominant werden, um die Überlebenschancen der Spezies zu verbessern, weil 50% Effizienz ist besser als 95% Sterblichkeitsrate. Daran rumzuPFUSCHEN (und nichts anderes ist es aktuell - wir hoffen nur, dass die Auswirkungen überschaubar bleiben) ist nur dann vertretbar, wenn wir das nicht an der Keimbahn tun. Denn spätestens dort verändern wir die Spezies dauerhaft und mit unüberblickbaren Folgen. Und nein, Crispr unterscheidet nicht zwischen Chromosomen - passt die Basenabfolge und ist sie gerade zugänglich, wird geschnitten. Deshalb kann man auch Trisomie damit nicht behandeln, weil die Basenfolge IMMER auf mindestens zwei Chromosomen sitzt, und eine Monosomie oder gar ein völliges Fehlen der Zielchromosomen bringt mitunter eine SEHR kurze Lebenserwartung mit sich (wir reden hier von wenigen Stunden bis Tagen, je nach Impact).
Ich hoffe, es wird langsam klar, wie kompliziert das Drumrum eigentlich ist - Crispr/CAS selbst ist easy peasy...
Edit:
Wer übrigens noch ein Beispiel haben möchte, wann insbesondere die Ärzte im medizinischen Messias-Trieb uns als Spezies einen Bärendienst erwiesen haben, möchte sich mal die Geschichte der multiresistenten Keimen und Antibiotika zu Gemüte führen. TL;DR: Wir haben dank Verteilen von Antibiotika für völlig nichtige Scheiße so viele wirksame Antibiotika verbraten, dass wir aktuell nur noch mit knapp einer Handvoll Backup-Antibiotika mit starken Nebenwirkungen und vielen Kontraindikationen mit dem Rücken zur Wand stehen. Ein Keim mit der Ausbreitungsgeschwindigkeit von Yersinia pestis und Resistenzen gegen die meisten Breitband-Antibiotika, und "Resident Evil" wird zur RL-Experience (nur ohne Zombies, dafür mit Kranken, die einen auf der Suche nach Hilfe verfolgen).