Verordnung (EU) 2017/2158 was an inside job?
Ich finde das immer wieder lustig: die EU macht im Sommer 2017 eine öffentliche Konsultation zum Entwurf der Verordnung und bekommt 73 (in Worten drei-und-siebzig) Rückmeldungen, fast alle von Unternehmerverbänden. Ein paar Verbraucherorganisationen melden sich, eine Hand voll Privatpersonen.
Fast ein Jahr tritt die Verordnung in Kraft und dann muss jeder eine Meinung dazu haben, was die EU da wieder alles regelt, weil ja die Presse aktuell darüber schreibt. Diese Meinung wird dann in obskuren Onlineforen geäußert, auf Basis inhatlich stark reduzierter, oder sogar grob falscher Pressemitteilungen. Wir haben es erfolgreich geschafft, dass die meisten Bürger sich nur als Endkonsument des politischen Entscheidungsfindungsprozesses verstehen.
European Commission (via YoutTube): Ihre Meinung zählt (DE) <-- hat jemand ein Grundschulkind und kann mal testen, ob es das Konzept kapiert?
Und jetzt fragt einen Erwachsenen, wie es funktioniert:
>> "Demokratie"? Das machen die Lobbyisten der Unternehmensverbände repräsentativ für uns. Wäre ja Arbeit, wenn ich mich selbst darum kümmern müsste
https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/have-your-say_de schrieb:
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Mal ehrlich: die meisten von uns interessiert die Verordnung zur Festlegung von Minimierungsmaßnahmen und Richtwerten für die Senkung des Acrylamidgehalts in Lebensmitteln doch gar nicht, unser Hobby ist News kommentieren
Anders wäre nicht zu erklären, warum wir NGB News abonnieren, statt die des Directorate-General for Health and Food Safety.
Mein Punkt ist, nur Du selber weißt welchen Quellen Du traust.
Quoted for truth
Spiegel Online schrieb:
Wer wird die Einhaltung der Regelung überprüfen?
Die Überprüfung ist Aufgabe der deutschen Behörden. Die Kontrolle vor Ort übernehmen dabei in der Regel die lokalen Lebensmittelüberwachungs- oder Veterinärämter. "Proben ziehen" werde man, erklärt Manfred Woller, stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbands für Lebensmittelkontrolleure. Das heißt: Das Kontrollpersonal bringt Pommes aus den Buden ins Labor. (
Link)
Bundesverbands für Lebensmittelkontrolleure schrieb:
Die Lebensmittelunternehmer erstellen eigene Analysen zu den Acrylamidgehalten (
Link)
Die untere Quelle entspricht dem Text der Verordnung. SPON hat es mal wieder geschafft jemanden zu fragen, der keine Ahnung hat, ob Leute die er repräsentiert etwas tun, was wie ihr Job klingt, statt in die Primärquelle zu sehen. Qualitätsjournalismus
(Unter Vorbehalt, dass in Sachen "Pommesbude", wo eine Zusammenführung mit den schon vorhandenen Lebensmittelkontrollen den Budenbesitzer entlasten würde, durchaus denkbar ist, dass die Lebensmittelkontrolleure die Acrylamidanalyse anbieten, der Budenbesitzer aber auch selbst ein Labor beauftragen kann - unter Vorbehalt das Deutschland nachreguliert).
Diese Form der Berichterstattung grenzt schon an fahrlässig: der ein oder andere Budenbesitzer glaubt jetzt vielleicht, da kommt irgendwann einer um das prüfen, statt sich selbst in der Pflicht zu sehen.
Achja, falls jetzt jemand sagt: "bei so viel Eigenverantwortung für die Unternehmen wird da doch sicher geschummelt": das ist ziemlich irrelevant, die Verordnung enthält keine Sanktionen. "Halten sich Unternehmen nicht an die Regeln, können ihre Produkte aus dem Verkehr gezogen werden." schreibt SPON dazu. Das trifft im Allgemeinen auch zu. Im Konkreten ist es aber Quatsch. Sinn dahinter: erst durch diese Verordnung werden überhaupt europaweite Messungen durchgeführt und genug Daten erhoben. In drei Jahren werden die Richtwerte dann der Realität angepasst. Bis Maximalwerte eingeführt werden, bei deren Überschreitung Sanktionen folgen, dauert es wahrscheinlich noch länger.
Denkt an den Abgasskandal: Die Autoindustrie hat jahrelang falsche Werte an die Behörden gesendet und als dann auf deren Basis harte Regeln eingeführt wurden sind sie gegen die Wand gefahren. Daraufhin wurde festgestellt, dass die Industrie die Grenzwerte gar nicht schafft und diese erhöht, weil die Alternative wäre Autos verbieten.