Ende August letzten Jahres ging der deutsche Staat mittels Vereinsrecht gegen ein Portal vor, das laut Aussage Bundesinnenministers Thomas de Maizière: “die bedeutendste Internetseite für gewaltbereite Linksextremisten in Deutschland“ wäre. Begründet wurde das Verbot mit einem Paragraph des Vereinsgesetzes und umfasst das Verbot, die Internetseite zu betreiben sowie sonstige “Internetpräsenzen des Vereins”, wie Posts auf Twitter.
“linksunten.indymedia” ist jedoch kein Verein. Die Seite wurde von einem globalen Netzwerk von Medienaktivisten betrieben. Die Betreiber wurden dennoch von den Behörden als Verein eingestuft, obwohl es formal gar keinen solchen gab. Den Weg über das Vereinsverbot begründete der Minister damit, dass es schwierig sei, gegen einzelne Artikel auf der Plattform strafrechtlich vorzugehen, da diese in der Regel anonym veröffentlicht wurden. Reporter ohne Grenzen bezeichnet die Schließung des Portals als „rechtsstaatlich gefährliche Entwicklung“. Pressefreiheit, äußerte Geschäftsführer Christian Mihr, „gilt auch für unbequeme, ja selbst für schwer erträgliche Veröffentlichungen“.
Gemäß Bericht der taz.de wären nun, ein halbes Jahr später, fünf Klagen vor dem Bundesverwaltungsgericht Leipzig gegen die individuell zugestellten Verbotsverfügungen und mehr als 40 verschiedene Verfahren in Freiburg, Karlsruhe und Mannheim anhängig. Für Sven Adam, einem der Anwälte der Betroffenen, stehe fest: „Das Verbot ist ein fachlich erbärmlicher Schnellschuss.“ , der vor allem politisch motiviert gewesen sei: „Das war offenbar Wahlkampfgetöse in Reaktion auf G20 und im Vorfeld der Bundestagswahl.“ Somit würden die KlägerInnen das Verbot nun „umfassend angreifen“. Zudem gebe es Beschwerdeverfahren wegen der mehr als 40 Beschlagnahmungen von Post, Equipment im Wert von rund 80.000 Euro, der Sicherstellung von E-Mail-Adressen und gegen die Hausdurchsuchung bei den Betroffenen und bei einem linksradikalen Zentrum in Freiburg.
Adam gibt an, dass juristisch dagegen angegangen wird, dass das Vereinsgesetz angewendet wurde, korrekt wäre die Anwendung des Telemedienrechts gewesen, damit kämen jedoch strenge Regeln für das Vorgehen gegen unliebsame Medien zur Anwendung. Zudem wäre fraglich, wer überhaupt auf linksunten publiziert habe. Die Faktenlage, auf der das Verbot beruhe, sei demnach außerordentlich dünn. Die Klagebegründungen müssen von den Anwälten bis Anfang April eingereicht werden, danach, so meint Adam, sei erneut das Innenministerium am Ball: Es müsse dann das Verbot verteidigen. Sofern alles nach Plan ablaufe, würde am Ende eine mündliche Verhandlung in Leipzig stehen. Adam schätzt, dass bis dahin noch gut zwei Jahre vergehen könnten.
Die gleichfalls zuständige Anwältin Kristin Pietrzyk kritisierte nach Informationen von Golem ebenso, dass das Verbotsverfahren auf Basis des Vereinsrechts durchgeführt wurde, obwohl die mutmaßlichen Betreiber der Plattform selbst zu keinem Zeitpunkt einen Verein gegründet hatten. Ferner wären die Aktionen der ermittelnden Behörden zu weitreichend. Die beschlagnahmten Geräte, wie Laptops und Smartphones seien für den täglichen Alltag ihrer Mandanten wichtig, die Beschlagnahmung treffe sie daher hart.
Weiterhin beanstandet Kristin Pietrzyk, dass die Betroffenen nicht in Kenntnis darüber gesetzt worden seien, dass die Briefpost umgeleitet und durchsucht worden ist. Zudem hätte ein Anwaltsbrief von ihr an ihren Mandanten dann noch Spuren einer Öffnung aufgewiesen, dazu war er mit einer Vorgangsnummer versehen. Die Anwältin schlussfolgert daraus, dass man hier von einer Überwachung ausgehen müsse: “Ich glaube auch, dass Rechtsanwälte auf ihren Umschlägen deutlich kenntlich machen, dass es sich um eine Kanzlei handelt”, sagte Pietrzyk. Kommunikation zwischen Anwälten und ihren Mandanten unterliegt einer besonderen Vertraulichkeit und darf nicht überwacht werden.
Bildquelle: TheDigitalArtist, thx! (CC0 Public Domain)
https://tarnkappe.info/linksunten-indymedia-org-faktenlage-ein-halbes-jahr-nach-dem-verbot/Quelle
Autor: Antonia
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