Im Zuge des Wahlkampfes zur letzten Bundestagswahl und auch jetzt gerade wird, zumindest kurzzeitig, mal wieder intensiver über die Notstände in der Pflege berichtet (Beispiel: SpOn: Pflegealltag in deutschen Kliniken Jeden Tag eine neue Katastrophe) .
Ob die Pflege in den Seniorenheimen, in Krankenhäusern, oder wie bei mir im Rettungsdienst - in großen Teilen herrscht Chaos, Überarbeitung, schlechte Ausstattung, fehlendes Personal, schlechte Bezahlung, etc.. und in letzter Konsequenz daraus resultierend eine mangelhafte Pflege und Versorgung. Und Tod - gar nicht mal so selten.
Mein persönlicher Eindruck als Rettungsassistent in der Notfallrettung (in NRW): Diese Probleme in den Bereichen der Pflege bekomme ich gewissermaßen in fast jedem Dienst zu sehen - sowohl in Pflegeheimen, in die wir gerufen werden als auch in den Krankenhäusern/Notaufnahmen, wo wir die Patienten dann hinbringen.
In vielen Pflegeheimen sind Überarbeitung, zu wenig Personal, deutlich fragwürdige hygienische Zustände etc. Normalität. Oft ist es so, dass wir von den Pflegern kaum oder gar keine Informationen über den Bewohner bekommen können (es gibt da allerdings auch deutlich gute Ausnahmen!) oder die Pflegehelfer kaum Deutsch sprechen. Die Antworten bzw. "Ausreden", die wir dann häufig zu hören bekommen, gleichen sich immer: #Pfleger ist von einer anderen Station, #kommt gerade aus dem Urlaub, #Bewohner ist gerade neu in der Wohngruppe, etc. etc.
Sehr häufig macht es auch den Eindruck, dass der Rettungsdienst nur gerufen wird, um kurzzeitig etwas Ruhe zu haben und einen Bewohner weniger versorgen zu müssen. Wir müssen dann für offensichtliche Bagatellfälle ausrücken und die Senioren aus ihrem gewohnten Umfeld reißen - nur, und so läuft es dann häufig, dass diese dann für Stunden in der (überarbeiteten) Notaufnahme liegen, damit sich irgendwann ein Unfallchirurg einen blauen Fleck anschaut.
Dies trägt dann natürlich ebenfalls zu der allgemeinen Überarbeitung bei.
In den Notaufnahmen (wir sehen in der Notfallrettung ja eher nur die Notaufnahmen) zeigt sich (uns) dann ein ähnliches Bild, auch wenn die Probleme etwas anders gelagert sind. Hier ergibt sich die Überarbeitung aus dem fehlenden Personal bei gleichzeitig steigender Patienten/Fallzahlen in den Notaufnahmen. Immer mehr Leute kommen, sowohl selbst auch auch mit dem Rettungsdienst, in die Notaufnahmen - wegen absoluten Nichtigkeiten. Dort stapeln sich dann die Patienten in den Wartebereichen oder auf Betten in den Fluren. Die Räume sind alle belegt und auch wenn echte Notfälle Vorrang haben, melden sich die Notaufnahmen, zumindest die, die es dürfen*, häufig ab. Aufnahmestopp! Wir müssen dann weiter gelegene Häuser anfahren, was dann zur Folge hat, dass die Rettungsfahrzeuge nicht für echte Notfälle/Notrufe zur Verfügung stehen. Da wird dann der 25j. mit seiner Männergrippe durch die Gegend kutschiert - und der Herzinfarkt muss "notgedrungen" warten. Oder sterben.
*Wir haben ein Haus in unserem Einzugsbereich, dass sich - offiziell - nicht abmelden darf, weil deren Geschäftsführung das so angeordnet hat. Die Pfleger fragen die Leitstelle dann häufig vorsichtig, ob es nicht möglich wäre, dass der RTW woanders hinfährt. Es ist ein katholisches Haus, welches - zumindest augenscheinlich - die Notaufnahme tagsüber nur Aufrecht erhalten/am Laufen halten kann, weil dort einige Bufdis/Personen im sozialen Jahr(?) herum laufen und den Pflegern bei einigen Tätigkeiten helfen und Kleinkram eigenständig erledigen. Nachts ist i.d.R. nur ein Pfleger dort - für 8 Behandlungsräume inkl. 1 Trauma/Schockraum.
Verglichen mit den anderen Bereichen der Pflege läuft es im Rettungsdienst allerdings noch recht gut. Aber eben nur gut oder "okay" - weit entfernt von optimal oder dem, was ich mir für so ein teures Gesundheitssystem wünschen würde. Oder was für so ein System adäquat wäre. Wir haben halt wieder ganz andere Probleme, da sich die Arbeit auch gänzlich anders gestaltet. Den individuellen Patienten sehen wir nur eine relativ kurze Zeitspanne - vom Eintreffen am Notfallort bis zur Übergabe in der Notaufnahme.
Ich selbst arbeite im öffentlichen Dienst, heißt, dass bei uns der Kreis die Notfallrettung selbst durchführt. Diese Aufgabe ist also nicht an private Dienstleister wie die bekannten Hilfsorganisationen vergeben.
Dabei arbeiten wir in 12h Schichten, von denen nur 9,75h bezahlt werden, bei einer 48h Woche. Die restlichen Stunden sind "Bereitschaftszeit". Überstunden und die Zuschläge dafür werden bei uns erst seit kurzem vergütet. Damit arbeite ich gewissermaßen noch in der Oberklasse.
In der Regel sieht es bei den privaten/kirchlichen Hilfsorganisationen deutlich schlechter aus (mit Ausnahmen). Es wird oft an der persönlichen und technischen Ausrüstung und Ausstattung, inkl. der Fahrzeuge, gespart. Je nach Organisation wird das Personal (sehr) schlecht bezahlt und es gibt keine Vergütung für Überstunden. 24h Dienste mit einem Tag Pause zwischen den Diensten sind da auch nicht ungewöhnlich.
Es gibt auch deutliche Probleme mit Vorschriften oder gesetzlichen Bestimmungen, welche unsere Arbeit deutlich erschweren. Einen kleinen Teil hatte ich im Drogenpolitik-Thread bereits angesprochen. Bisher ist die medikamentöse Therapie sehr eingeschränkt und auch mit dem neuen Berufsbild Notfallsanitäter gibt es noch deutliche Probleme.
Kurz: Oft darf man einfach nicht helfen, obwohl man es könnte. Wir müssen dann auf den Notarzt warten, bei dem (Personenabhängig) allerdings auch nicht immer sichergestellt ist, dass der sein Handwerk wirklich beherrscht. Oder Deutsch spricht.
Auch können wir keinen Transport ablehnen oder verweigern. So kommt es regelmäßig zu einem Missbrauch der Notfallrettung als Taxi - die Personen stehen dann bereits mit gepackten Taschen an der Straße. Dies führt dann, um den Kreis zu schließen, wieder zu einer deutlichen Überlastung der Notaufnahmen. Und, wie bereits erwähnt, steht unser Fahrzeug dann nicht für einen echten Notfall zur Verfügung.
Wie sehen eure Erfahrungen mit dieser Thematik aus?! Was wären eure Erwartungen an die Politik?
Ob die Pflege in den Seniorenheimen, in Krankenhäusern, oder wie bei mir im Rettungsdienst - in großen Teilen herrscht Chaos, Überarbeitung, schlechte Ausstattung, fehlendes Personal, schlechte Bezahlung, etc.. und in letzter Konsequenz daraus resultierend eine mangelhafte Pflege und Versorgung. Und Tod - gar nicht mal so selten.
Mein persönlicher Eindruck als Rettungsassistent in der Notfallrettung (in NRW): Diese Probleme in den Bereichen der Pflege bekomme ich gewissermaßen in fast jedem Dienst zu sehen - sowohl in Pflegeheimen, in die wir gerufen werden als auch in den Krankenhäusern/Notaufnahmen, wo wir die Patienten dann hinbringen.
In vielen Pflegeheimen sind Überarbeitung, zu wenig Personal, deutlich fragwürdige hygienische Zustände etc. Normalität. Oft ist es so, dass wir von den Pflegern kaum oder gar keine Informationen über den Bewohner bekommen können (es gibt da allerdings auch deutlich gute Ausnahmen!) oder die Pflegehelfer kaum Deutsch sprechen. Die Antworten bzw. "Ausreden", die wir dann häufig zu hören bekommen, gleichen sich immer: #Pfleger ist von einer anderen Station, #kommt gerade aus dem Urlaub, #Bewohner ist gerade neu in der Wohngruppe, etc. etc.
Sehr häufig macht es auch den Eindruck, dass der Rettungsdienst nur gerufen wird, um kurzzeitig etwas Ruhe zu haben und einen Bewohner weniger versorgen zu müssen. Wir müssen dann für offensichtliche Bagatellfälle ausrücken und die Senioren aus ihrem gewohnten Umfeld reißen - nur, und so läuft es dann häufig, dass diese dann für Stunden in der (überarbeiteten) Notaufnahme liegen, damit sich irgendwann ein Unfallchirurg einen blauen Fleck anschaut.
Dies trägt dann natürlich ebenfalls zu der allgemeinen Überarbeitung bei.
In den Notaufnahmen (wir sehen in der Notfallrettung ja eher nur die Notaufnahmen) zeigt sich (uns) dann ein ähnliches Bild, auch wenn die Probleme etwas anders gelagert sind. Hier ergibt sich die Überarbeitung aus dem fehlenden Personal bei gleichzeitig steigender Patienten/Fallzahlen in den Notaufnahmen. Immer mehr Leute kommen, sowohl selbst auch auch mit dem Rettungsdienst, in die Notaufnahmen - wegen absoluten Nichtigkeiten. Dort stapeln sich dann die Patienten in den Wartebereichen oder auf Betten in den Fluren. Die Räume sind alle belegt und auch wenn echte Notfälle Vorrang haben, melden sich die Notaufnahmen, zumindest die, die es dürfen*, häufig ab. Aufnahmestopp! Wir müssen dann weiter gelegene Häuser anfahren, was dann zur Folge hat, dass die Rettungsfahrzeuge nicht für echte Notfälle/Notrufe zur Verfügung stehen. Da wird dann der 25j. mit seiner Männergrippe durch die Gegend kutschiert - und der Herzinfarkt muss "notgedrungen" warten. Oder sterben.
*Wir haben ein Haus in unserem Einzugsbereich, dass sich - offiziell - nicht abmelden darf, weil deren Geschäftsführung das so angeordnet hat. Die Pfleger fragen die Leitstelle dann häufig vorsichtig, ob es nicht möglich wäre, dass der RTW woanders hinfährt. Es ist ein katholisches Haus, welches - zumindest augenscheinlich - die Notaufnahme tagsüber nur Aufrecht erhalten/am Laufen halten kann, weil dort einige Bufdis/Personen im sozialen Jahr(?) herum laufen und den Pflegern bei einigen Tätigkeiten helfen und Kleinkram eigenständig erledigen. Nachts ist i.d.R. nur ein Pfleger dort - für 8 Behandlungsräume inkl. 1 Trauma/Schockraum.
Verglichen mit den anderen Bereichen der Pflege läuft es im Rettungsdienst allerdings noch recht gut. Aber eben nur gut oder "okay" - weit entfernt von optimal oder dem, was ich mir für so ein teures Gesundheitssystem wünschen würde. Oder was für so ein System adäquat wäre. Wir haben halt wieder ganz andere Probleme, da sich die Arbeit auch gänzlich anders gestaltet. Den individuellen Patienten sehen wir nur eine relativ kurze Zeitspanne - vom Eintreffen am Notfallort bis zur Übergabe in der Notaufnahme.
Ich selbst arbeite im öffentlichen Dienst, heißt, dass bei uns der Kreis die Notfallrettung selbst durchführt. Diese Aufgabe ist also nicht an private Dienstleister wie die bekannten Hilfsorganisationen vergeben.
Dabei arbeiten wir in 12h Schichten, von denen nur 9,75h bezahlt werden, bei einer 48h Woche. Die restlichen Stunden sind "Bereitschaftszeit". Überstunden und die Zuschläge dafür werden bei uns erst seit kurzem vergütet. Damit arbeite ich gewissermaßen noch in der Oberklasse.
In der Regel sieht es bei den privaten/kirchlichen Hilfsorganisationen deutlich schlechter aus (mit Ausnahmen). Es wird oft an der persönlichen und technischen Ausrüstung und Ausstattung, inkl. der Fahrzeuge, gespart. Je nach Organisation wird das Personal (sehr) schlecht bezahlt und es gibt keine Vergütung für Überstunden. 24h Dienste mit einem Tag Pause zwischen den Diensten sind da auch nicht ungewöhnlich.
Es gibt auch deutliche Probleme mit Vorschriften oder gesetzlichen Bestimmungen, welche unsere Arbeit deutlich erschweren. Einen kleinen Teil hatte ich im Drogenpolitik-Thread bereits angesprochen. Bisher ist die medikamentöse Therapie sehr eingeschränkt und auch mit dem neuen Berufsbild Notfallsanitäter gibt es noch deutliche Probleme.
Kurz: Oft darf man einfach nicht helfen, obwohl man es könnte. Wir müssen dann auf den Notarzt warten, bei dem (Personenabhängig) allerdings auch nicht immer sichergestellt ist, dass der sein Handwerk wirklich beherrscht. Oder Deutsch spricht.
Auch können wir keinen Transport ablehnen oder verweigern. So kommt es regelmäßig zu einem Missbrauch der Notfallrettung als Taxi - die Personen stehen dann bereits mit gepackten Taschen an der Straße. Dies führt dann, um den Kreis zu schließen, wieder zu einer deutlichen Überlastung der Notaufnahmen. Und, wie bereits erwähnt, steht unser Fahrzeug dann nicht für einen echten Notfall zur Verfügung.
Wie sehen eure Erfahrungen mit dieser Thematik aus?! Was wären eure Erwartungen an die Politik?
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