Am Mittwoch, dem 31.05.2017, ging es in einer Debatte im Bundestag um eine Gesetzesinitiative, wonach Ermittlern der Einsatz von Staatstrojanern im Kampf gegen schwere Verbrechen gestattet werden soll. Die Standpunkte von Justiz und Polizeibehörden versus Juristen und IT-Experten konnten unterschiedlicher kaum sein.
Die Große Koalition möchte nach einem Vorschlag des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) die Überwachung erweitern und nicht mehr wie bisher nur bei den Providern ansetzen. Vielmehr möchte Justizminister Heiko Maas zusätzlich auf breiter Front Staatstrojaner einsetzen lassen. So sollen in einer Gesetzesänderung zum einen sowohl die Quellen-Telekommunikationsüberwachung oder Quellen-TKÜ zugelassen werden, d.h., das Abfangen der Daten, noch bevor sie verschlüsselt werden. Zum zweiten soll zudem die Online-Durchsuchung unter besonders strengen Voraussetzungen erlaubt sein, also das Durchsuchen eines kompletten elektronischen Gerätes nach verdächtigen Daten. In beiden Fällen muss auf dem Gerät heimlich ein Spionageprogramm installiert werden, der sogenannte Staatstrojaner.
Diese Überwachungssoftware, die der Staat bisher nur zur Gefahrenabwehr, insbesondere zur Verhinderung von Terroranschlägen, einsetzen durfte, soll nach einem Änderungsantrag der CDU-/CSU- und SPD-Fraktionen, den die Bundesregierung Mitte Mai kurzfristig durch eine Formulierungshilfe auf den Weg gebracht hat, zukünftig auch zur Strafverfolgung eingesetzt werden.
Während IT-Experten und Juristen davor warnten, Strafverfolgern auch zur Bekämpfung von Alltagskriminalität den Einsatz des Staatstrojaners zu gestatten, begrüßten Staatsanwälte und das BKA das Vorhaben. Im Rahmen der Sachverständigen-Anhörung sprachen sich die Vertreter der Ermittlungsbehörden eindeutig für die Einführung der neuen Eingriffsbefugnisse durch die geplanten Gesetzesänderungen aus: Als Mittel zur Aufklärung von Straftaten müsse der Einsatz des Staatstrojaners erlaubt werden.
Linus Neumann, als Vertreter des Chaos Computer Clubs (CCC), warnte in einer Stellungnahme eindringlich vor einem Einsatz des Staatstrojaners und wies auf die Folgen für alle Computer- und Handynutzer hin. Zur Installation der Schadsoftware seien IT-Schwachstellen eine zwingende Voraussetzungen. Das Bestehen von Sicherheitslücken auf allen Systemen wäre also zukünftig im staatlichen Interesse. Um die Möglichkeit zu haben, wenige Geräte von Verdächtigen infizieren zu können, werde die Sicherheit von Millionen anderer Nutzer gefährdet.
Dr. Ulf Buermeyer, Richter am Landgericht Berlin, bezeichnete die geplante Überwachungsausweitung bei der Anhörung treffend als „das ganz große Besteck des Strafprozessrechts“. Die Betroffenen würden damit derart gläsern, wie es das Strafrecht bisher nicht kenne: „Hier geht es ums Ganze rechtsstaatlich betrachtet.“ Die Systeme dürfen von den Strafverfolgungsbehörden nur soweit manipuliert werden, wie es für die Überwachung notwendig ist. Es dürfen also keine Beweismittel manipuliert oder gar untergeschoben werden. Wirksam kontrollieren lässt sich diese Begrenzung allerdings nicht. Völlig ungeklärt bleibt die Frage, wie die Behörden sicherstellen wollen, dass ein Trojaner zur Kommunikationsüberwachung tatsächlich keine anderen Funktionen hat: „Wir können nur hoffen und beten, dass die Vorgaben eingehalten werden“, sagte Buermeyer.
BKA-Vizepräsident Peter Henzler verwies in diesem Zusammenhang auf die sogenannte Standardisierte Leistungsbeschreibung, die erfüllt werden müsse. Dies werde durch eine externe Firma geprüft. Demnach gebe es den Trojaner nur in „verfassungskonformer Form“. Die Software sei dabei ein „technisches Unikat“, das auf den jeweiligen Täter zugeschnitten sei und „längst nicht auf jeden passt“. Henzler verteidigt zudem die Möglichkeit, mit Hilfe der Onlinedurchsuchung die Inhalte von Computern auszuspähen, denn es seien bisher von 125 Datenträgern fast jeder vierte verschlüsselt gewesen.
Auch der Nürnberger Oberstaatsanwalt Alfred Huber stimmte dem Vorschlag der Bundesregierung zu: „Sie müssen uns den Schlüssel zur Verfügung stellen, damit wir auf Augenhöhe mit den Tätern kommen“, sagte er und erklärte die Quellen-TKÜ für „absolut unabdingbar“. Im übrigen sei es eine politische Frage, ob man die organisierte Kriminalität oder Einbrecher überhaupt bekämpfen wolle: „Wir schützen lieber die Daten, oder schützen Sie damit nicht die Täter?“, meinte er.
Die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff, die selbst nicht anwesend war und nach eigenen Angaben von dem Plan erst aus den Medien erfuhr, warnt in einer Stellungnahme (veröffentlicht durch netzpolitik.org) vor „erheblichen datenschutzrechtlichen Risiken“ und einem „klaren Verfassungsverstoß“. Dieser drohe durch eine Klausel, mit der die Quellen-TKÜ im Einzelfall zur „vollwertigen“ Online-Durchsuchung ausgebaut werde.
Bildquelle: Dennis Skley, thx! (CC BY-ND 2.0)
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Autor: Antonia
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