• Hallo liebe Userinnen und User,

    nach bereits längeren Planungen und Vorbereitungen sind wir nun von vBulletin auf Xenforo umgestiegen. Die Umstellung musste leider aufgrund der Serverprobleme der letzten Tage notgedrungen vorverlegt werden. Das neue Forum ist soweit voll funktionsfähig, allerdings sind noch nicht alle der gewohnten Funktionen vorhanden. Nach Möglichkeit werden wir sie in den nächsten Wochen nachrüsten. Dafür sollte es nun einige der Probleme lösen, die wir in den letzten Tagen, Wochen und Monaten hatten. Auch der Server ist nun potenter als bei unserem alten Hoster, wodurch wir nun langfristig den Tank mit Bytes vollgetankt haben.

    Anfangs mag die neue Boardsoftware etwas ungewohnt sein, aber man findet sich recht schnell ein. Wir wissen, dass ihr alle Gewohnheitstiere seid, aber gebt dem neuen Board eine Chance.
    Sollte etwas der neuen oder auch gewohnten Funktionen unklar sein, könnt ihr den "Wo issn da der Button zu"-Thread im Feedback nutzen. Bugs meldet ihr bitte im Bugtracker, es wird sicher welche geben die uns noch nicht aufgefallen sind. Ich werde das dann versuchen, halbwegs im Startbeitrag übersichtlich zu halten, was an Arbeit noch aussteht.

    Neu ist, dass die Boardsoftware deutlich besser für Mobiltelefone und diverse Endgeräte geeignet ist und nun auch im mobilen Style alle Funktionen verfügbar sind. Am Desktop findet ihr oben rechts sowohl den Umschalter zwischen hellem und dunklem Style. Am Handy ist der Hell-/Dunkelschalter am Ende der Seite. Damit sollte zukünftig jeder sein Board so konfigurieren können, wie es ihm am liebsten ist.


    Die restlichen Funktionen sollten eigentlich soweit wie gewohnt funktionieren. Einfach mal ein wenig damit spielen oder bei Unklarheiten im Thread nachfragen. Viel Spaß im ngb 2.0.

Mein Hafttagebuch

BeSure

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Danke Leute, hätte echt nicht soviel Verständnis gerechnet! :) Irgendwie fühle ich mich hier wie in einer Familie (Ups, zu viel geschleimt) :P
Um ehrlich zu sein, wäre ich ein Depressionstief gefallen, hätte ich für mein Auslandssemester in England aufgrund meiner Vorstrafe kein Visum erhalten.
Durch den Erhalt des Visums hat mich das total motiviert und meinen Glauben gestärkt, dass man nicht nur den Vorbestraften in mir sieht, sondern alles andere was mich sonst noch so ausmacht :)

Es geht weiter:
Kapitel 45 - Zurück zum Anfang
Der erste Verhandlungstag war zu Ende.

Ich befand mich nun wieder in der JVA in Schwäbisch Hall und ging meiner täglichen Arbeit nach. Kaum hatte ich den Auftritt meines Bruders verdaut, machte sich schon die Aufregung aufgrund des zweiten Verhandlungstags in mir breit. In einer Woche würde es wieder soweit sein. Ich überbrückte diese Woche voller Nervosität damit, allen möglichen Häftlingen von meinem Debüt im Gerichtssaal zu erzählen. ‘Ein intelligenter Mensch lernt aus seinen Fehlern – ein weiser Mensch aus den Fehlern der anderen’. Ich weiß nicht, wer dieses Zitat als erstes von sich gegeben hatte, aber es passte perfekt zu den U-Häftlingen, die aus den Erfahrungen der anderen alles mitnahmen, was sie nur konnten – sie hörten alle meiner Erzählung über den ersten Verhandlungstag sehr aufmerksam zu.

Sie wollten wohl – was wirklich weise war – aus meinen Fehlern lernen. Oder eben aus denen meines Bruders.

Aus den Fehlern meines albanischen Reiniger-Kollegen sollte auch ich lernen. Ihm war der Posten als Reiniger entzogen worden.

Ein U-Häftling hatte mehr Glück als ich gehabt und wurde an seinem ersten Verhandlungstag entlassen. Wir Reiniger mussten seine Zelle räumen. „Hey Emre, wie hat der denn so ein schwarzes Buch bekommen?“, fragte mich mein albanischer Reinigerkollege, während ich die Bettwäsche des entlassenen Häftlings in Kisten packte. „Was soll das denn sein?“, fragte ich verwundert. „Da stehen so Fitness-Sachen drin. Informationen über Anabolika und der ganze Kram. Ich behalte das.” Er schien fasziniert von dem Inhalt, als er die einzelnen Seiten durchblätterte. Dabei war sein Deutsch mehr als nur schlecht. In den letzten Wochen hatte ich in seinem Namen Briefe an seine Freundin auf Deutsch verfasst, da er dazu aufgrund der fehlenden Sprachkenntnisse nicht in der Lage gewesen war. Die Briefe in der U-Haft mussten, bzw. sollten auf Deutsch sein, wenn man längere Wartezeiten verhindern wollte. Wenigstens lernte ich dabei ein paar (wenn man so will, allgemeinbildende) albanische Sprichwörter, die wir gemeinsam ins Deutsche übersetzten. Eines davon lautete „Shpirti Jam“, was wohl „Meine Seele“ bedeutete.

“Das fällt doch sofort auf, leg das in die Kiste. Ich habe keine Lust auf Ärger“, war meine etwas nervöse Antwort. Vor Allem während meiner Verhandlungstage konnte ich mir keinen negativen Vorfall leisten. Endspurt! Er jedoch hatte es sich fest in den Kopf gesetzt, das Buch an sich zu nehmen, wollte wohl dennoch auf Nummer sichergehen: Als wir alles in die Kisten gepackt hatten und der junge Beamte, der aktuell Dienst hatte, den Wagen abholte, wurde jener mit einer ungewöhnlichen Frage des albanischen Reinigers konfrontiert: „Darf ich das Buch behalten?“ Noch ungewöhnlicher erschien mir jedoch die Reaktion des Beamten: „Mir egal, mach halt.“ Gesagt, getan – er verschwand mit dem schwarzen Buch in seiner Zelle. Der andere Reiniger, Yilmaz, befand sich bereits in der Strafhaft. Er hatte vor einiger Zeit sein Urteil bekommen, das er der allgemeinen Ansicht nach mehr als verdient hatte. Wir würdigten ihn keines Blickes mehr, da er seine Frau auf abscheulichste Art und Weise zusammengeschlagen hatte. Dennoch hatte er Berufung eingelegt. Was genau daraus geworden war, erfuhr ich nicht mehr, da er in eine andere JVA verlegt wurde. Dementsprechend waren wir aktuell nur zwei Reiniger, so schien es an potentiellen Kandidaten zu mangeln. Einige Tage vor meinem zweiten Verhandlungstag rief Herr Winter uns zwei Reiniger in sein Büro. Wir erinnern uns: Wenn Herr Winter da war, musste man aufpassen, ja keine Fehler zu begehen. Die Bestrafung erfolgte während seines Dienstes in der Regel sofort. Sobald Herr Winter einen ins Büro rief, war klar: man hatte bereits den Fehler begangen, und das Wichtigste war dann, bloß nicht zu lügen! Das wusste auch der albanische Reiniger. „Ich habe einen Anruf von einem entlassenen Häftling bekommen. Ihm fehlt seltsamerweise ein schwarzes Buch. Einer von euch sagt mir jetzt, wo das Buch ist, oder euch beiden wird gekündigt.” Er blickte uns strafend an. Keine drei Sekunden vergingen, als der albanische Reiniger gestand. Er verriet jedoch nicht, dass er einen jungen Beamten während der Räumung informiert hatte. „Sie bringen mir jetzt das Buch. Eine Woche dürfen Sie noch arbeiten, bis wir Ihren Nachfolger bestimmt haben“, ordnete Herr Winter an. Die Widerrede meines Kollegen war wirkungslos. „Aber Herr Winter, das tut mir echt Leid, bitte geben Sie mir eine zweite Chance!“ – „Seien Sie mal froh, dass ich keine weiteren Maßnahmen vornehme. Das ist Diebstahl, was Sie getan haben!“ Wo er Recht hatte, hatte er halt leider Recht.

Der zweite Verhandlungstag stand an und wieder fuhr ich in dem Transporter zum Landgericht Stuttgart. Wo anfangs bei der Fahrt beruhigende Gefühle in mir herrschten, machte sich kurz vor dem Ziel Übelkeit und Aufregung breit. In der Wartezelle traf ich wieder Abde an, die Gebetskette an seiner rechten Hand, die linke Hand an seinem Ziegenbart, grinste er mich an. Nach einer weiteren Unterhaltung mit ihm, die ich mir lieber gespart hätte, befand ich mich kurz darauf wieder auf der Anklagebank.

Die Richterinnen waren mit Cem noch nicht fertig.

„Was würden Sie nach einer Entlassung tun?“, wollte die Richterin von Cem wissen. Diesmal hatten alle eine ernste Mimik aufgesetzt. „Ich will Schule machen”, lautete Cems Antwort. „Laut der Akten waren Sie dabei, Ihre Mittlere Reife nachzuholen. Allerdings hat eine Nachfrage bei der Schule ergeben, dass Sie eine bedeutsame Menge an Fehltagen haben, denken Sie, Sie hätten die Mittlere Reifeprüfung bestanden?“, fuhr die Richterin fort. Die wollte es wohl genau wissen. „Ja, also, ich war zu den Prüfungen zugelassen, aber ich war ja dann in Haft und konnte nicht zur Prüfung. Wir haben auch probiert, dass ich von der JVA aus an der Prüfung teilnehmen kann. Die Schule war damit einverstanden, die JVA allerdings nicht. Sonst hätte ich die Prüfungen geschrieben.” Als Cem dies erzählte, schien irgendwie jedem im Raum klar zu sein, dass er die Prüfungen nicht ohne Weiteres bestanden hätte. Ein alleiniges Schreiben der schulischen Prüfungen reicht eben nicht aus zum Bestehen, da in der Schule mehrheitlich Anwesenheitspflicht in den Fächern besteht. Die Richterin kam mit einem Angebot auf Cem zu: „Falls Sie nicht entlassen werden, werde ich eine Verlegung zur JVA Adelsheim beantragen. Dort können Sie ihren Abschluss nachholen.“ Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Von der JVA Adelsheim hatte ich bereits einiges gehört – aber nur schlimmes. Es war ein Jugendgefängnis, alle Halbstarken mussten sich dort durch Schlägereien beweisen. In Adelsheim ging es tatsächlich hart zur Sache, die Erwachsenen in anderen JVAs waren in solchen Punkten beruhigter und irgendwie auch charakterlich gefestigter. Ich kann mich noch erinnern, als sich unter den Häftlingen rumgesprochen hatte, dass im Hofgang in der JVA Adelsheim eine Massenschlägerei stattgefunden hatte. Mehrere Beamte wurden dabei schwer verletzt, Hunderte Häftlinge bekamen besondere Sicherheitsmaßnahmen. So wie ich Cem einschätzte, würde er seine Aggressionen dort rege ausleben und eventuell noch welche dazu bekommen.

Nun war der dritte und letzte in unserem Bunde dran, alle Augen richteten sich auf Adnan. Er erzählte, wie er damals von mir in das „Geschäft“ eingeweiht wurde, da ich von seinen Geldnöten gewusst hatte. „Ich habe meine Ausbildung beendet und brauchte Geld für den weiteren Bildungsweg, bzw. um ein Studium aufnehmen zu können. Ich hatte mich bereits an die Ausbildungsvergütung gewöhnt und konnte mir nicht vorstellen, am Existenzminimum zu leben.“ Während er seine Begründung für die Entscheidung, mit mir Betrug zu begehen, mitteilte, wurde er mit verständnisvollen Gesichtern konfrontiert. Er erzählte, wie mein Bruder und ich uns verstritten hatten, wie er einige Ticketverkäufe für mich übernahm, während ich einer Ferientätigkeit nachging, und wie es zu seinem Entschluss kam, aufzuhören. „Ich hatte mir eine Playstation Spielekonsole gegönnt … von dem Geld, welches ich von Emre bekam. Mit der Konsole in meinem Wagen fuhr ich gerade vom Media Markt nach Hause, als ich dann einen Unfall baute. Ich hatte große Angst vor dem Tod und dachte die ganze Zeit nur daran, was für ein schlechter Mensch ich geworden war. Ich hatte das „schmutzige“ Geld in meiner Tasche und das alles nur für eine Konsole? Ich war fest davon überzeugt, dass das ein Zeichen von Gott war. Ich wurde diesmal verschont. Mein Entschluss stand fest, ich wollte aufhören. Doch Emre kam mir zuvor. Er meinte, der Bankdrop wäre vom Automaten eingezogen worden und er habe nicht vor, einen neuen Bankdrop zu kaufen. Er wolle auch aufhören. Von dem Zeitpunkt an ging ich davon aus, dass auch er aufgehört hatte. Wir hatten danach auch keinen regelmäßigen Kontakt mehr…“, seine Erzählungen waren durchgehend wahr. Mir hatte er damals tatsächlich von dem Unfall erzählt. Mir kam es generell so vor, als würden die Richter Adnan schonen, sie stellten nicht viele Fragen, akzeptierten seine Aussagen und auch sonst hakten nicht nach, trotz mancher eindeutiger Indizien. So beispielsweise bei der SMS, von der ich vermutet hatte, dass sie zu seinem Verhängnis werden könnte. Es war wichtig, dass wir nicht als Bande verurteilt würden. Noch wichtiger war es, dass ich Adnan nicht unnötig in die Scheiße reiten würde, was mein ohnehin schlechtes Gewissen noch verstärkt hätte. „Sie haben Emre kurz vor seiner Verhaftung eine WhatsApp-Nachricht geschrieben, die wie folgt lautet”, die Richterin begann, zu lesen:

„Adnan: „Hey Bro, was geht, was machst Du so?“

Emre: „Hey Bro, mir geht es gut. Studiere jetzt wieder in Esslingen, chill gerade daheim. Was machst Du so, wie läuft die Schule?“

Adnan: „Ah super, ich fang hoffentlich auch nach dem Sommer mit dem Studium an. Mir geht es nicht so gut. Können wir uns mal treffen?“

Emre: „Oh, was ist denn los? Ja, klar. Um was geht es genau?“

Adnan: „Ich brauche bisschen Hilfe. Können wir wieder was machen?”

Was können Sie mir dazu sagen?”

Die Richterin sah seltsamerweise mich an, anstatt eine Erklärung von Adnan zu verlangen. Ohne, dass sie mich etwas gefragt hätte, antwortete ich sofort an Adnans statt mit einer Lüge: „Ja, ich kenn die SMS. Er wollte wieder mal ins Kino und bisschen zocken. Hatten schon lange nichts mehr gemeinsam gemacht und auch nichts voneinander gehört.“ Die Begründung schien der Richterin mehr als zu reichen, zumal Adnan ihr dies bestätigte. Dass Adnan finanzielle Hilfe gebraucht haben könnte und wieder Betrug begehen wollte, war wohlmöglich nicht nur mir klar wie Kloßbrühe. Allen war jedenfalls ebenso bewusst, dass Adnan einem guten Pfad folgte, er hatte seine Ausbildung abgeschlossen, hatte somit die Mittlere Reife. Die kommenden Monate sollte er seine Fachhochschulreife erlangen und mit einem Studium beginnen können. Wegen eines zeitlich begrenzten Fehlers sollte seine Zukunft nicht zerstört werden. Zumal es vor Gericht einen markanten Unterschied gibt zwischen der Begehung eines dauerhaft anhaltenden Betrugs oder ein nur für einen kurzen Zeitraum begangenen Betrug. Adnan kannte ich seit meiner Kindheit, unsere Familien kannten sich, als Freund wollte ich Adnan lieber draußen sehen. Ganz anders mein Vater: bei mehreren Besuchen machte er mir klar, dass Adnan schuld daran sei, dass Cem immer noch in Haft säße. Er sah alles aus einer falschen Perspektive und wollte die Schuld stets den anderen geben. Eins weiß ich ganz gewiss, Adnan war und ist kein Verräter für mich. Auch wenn Cem das Gegenteil behauptete, einen ganz klaren Fakt darf man nicht vergessen: Als Adnan gefasst wurde und ausgesagt hatte, hatten mein Bruder und ich bereits alles gebeichtet. Die Polizisten konnten keine neuen Erkenntnisse aus seinen Aussagen gewinnen. Mir war es wichtig, dass Adnan ebenfalls bewusst war, dass ich ihn nicht verraten hatte. Obwohl die BKA-Beamten mich damals nach einem dritten Täter fragten und wohlmöglich schon einen Verdacht hatten, leugnete ich einen dritten Mittäter.

Genau jene Beamten waren als Zeugen am dritten Verhandlungstag eine Woche später eingeladen.

An dem dritten Verhandlungstag war ich dann gottfroh, als der BKA-Beamte mich als kooperativ beschrieb, dennoch betonte er ausdrücklich, dass ich hinsichtlich eines dritten Täters gelogen hatte. Sie seien nur durch eigene Ermittlungsarbeit zu Adnan gekommen. „Herr Ates hat im Sommer als Ferienjobber 40 Stunden pro Woche gearbeitet. Zur selben Zeit wurden allerdings Tickets mit seinen erstellten Fake-eMail-Adressen verkauft. Da sein Bruder Cem sich in der Türkei befand und es sich bei den IP-Adressen der eMail-Adressen um deutsche handelte, gingen wir von einem dritten Mittäter aus. Durch einen SMS-Verkehr kam dann Adnan als Verdächtiger zum Vorschein. Nach einer Hausdurchsuchung bei Adnan gestand dieser auch.“ Im Grunde genommen erzählte der BKA-Beamte von seiner Ermittlungsarbeit, aber auch davon, dass Cem im Gegensatz zu mir überhaupt nicht kooperativ gewesen war und auch sonst keine Anstalten gemacht hatte, irgendwelche Ungereimtheiten klarzustellen. Das negative Bild, dass das Gericht von Cem ohnehin bereits hatte, wurde durch die BKA-Beamten bestätigt. „Herr Emre Ates behauptet, das Notebook seines Bruders für die Taten verwendet zu haben. Cem habe, so Herr Ates, am Laptop keine Geschäfte getätigt. Bei den ICQ-Chatverläufen können wir uns bereits denken, welcher der Brüder den Chat geführt hat. Doch können Sie rausfinden, wer den Rechner zu welchem Zeitpunkt benutzt hat?“, wollte die Richterin wissen. „Nun, das geht nicht. Da hätte ja jeder vor dem Laptop sitzen können. Allerdings ist es so, dass das TrueCrypt-Passwort des Laptops von Cem Ates sich nur um zwei zusätzliche Stellen von dem Passwort des Computers von Emre Ates unterscheidet. Also vermuten wir, dass beide das Passwort des anderen kannten und beide Zugriff zu beiden Rechnern hatten.“ Klang logisch. „Wenn Sie schon vom TrueCrypt-Passwort reden, können wir direkt damit weiter machen. Hätten die Ates-Brüder die Passwörter nicht verraten, wie wahrscheinlich wäre es gewesen, dass das BKA die Passwörter geknackt hätte und vor Allem, wie lange hätte es gedauert?“ Auf die Antwort war nicht nur die Richterin gespannt. „Nun ja, Emre Ates hat uns das Passwort erst nach zwei Monaten verraten. Unsere IT-Abteilung in Rosenheim hatte sich mit der Entschlüsselung befasst, aber schon nach kurzer Zeit aufgegeben, das Passwort zu knacken. Uns wurde mitgeteilt, dass die Wahrscheinlichkeit, das Passwort zu knacken, bei nahezu 0% läge. Nein, also nicht mal nahezu, sie liegt bei 0%. Als später rauskam, dass das Passwort um die 40 Stellen hatte und zudem noch Zahlen, Groß- und Kleinschreibung, sowie Sonderzeichen enthielt, wurde die Annahme mit den 0% bestätigt.” Das von einem BKA-Beamten zu Ohren zu bekommen war eine große Nummer. Nicht nur die Richter waren geschockt. Ich selbst bekam eine Gänsehaut, als ich das hörte. Ich hatte zwar damals die Verschlüsselung vorgenommen, in dem Glauben, dass das BKA nicht knacken könnte, aber es war nur ein Glaube gewesen … bis jetzt.

Mein Kopfkino schaltete sich ein, der Film „Was wäre gewesen, wenn…“ lief an.

Auch der nachfolgenden Zeuge, der andere BKA-Beamte, welcher beim Verhör dabei gewesen war, wiederholte die Aussagen seines Vorgängers. Die Richterin sah zu meiner Anwältin und sagte irgendetwas von, dass wir vom Paragraphen § 46b StGB Gebrauch machen können. Schnell flüsterte mir meine Anwältin zu, dass dieser Paragraph eine Strafmilderung vorsieht, da man zur Tataufklärung wesentlich geholfen hat. Nun war ich extrem froh, dass sich die Herausgabe des Passworts rentieren würde!

Der dritte Verhandlungstag wurde mit einigen Beschlüssen beendet. Auf weitere Zeugen wurde verzichtet, nur noch ein BKA-Beamter der IT von Rosenheim und ein Vertreter der Deutschen Bahn waren zum nächsten Verhandlungstag eingeladen. Am fünften Verhandlungstag sollte dann vorzeitig das Urteil fallen.

Doch der überraschende Beschluss kam als Letztes. „Die Mittätertrennung der beiden Ates-Brüder wird aufgehoben. Die Verlegung des Emre Ates in die JVA Stammheim wird angeordnet.“
 

BeSure

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Kapitel 46 - Same shit, different JVA

Zurück in der JVA Schwäbisch Hall, wurde ich sofort von Herrn Winter auf meine Verlegung angesprochen. „Herr Ates, Sie werden übermorgen in die JVA Stammheim verlegt. Bitte packen Sie morgen alles zusammen.“ Ich stellte mir vor, wie er nun seine eigenen Lieblinge als Reiniger einstellen würde, immerhin waren jetzt 3 Posten freigeworden. Keiner konnte Häftlinge leiden, die sich bei den Beamten einschleimten. Schlussendlich jedoch kam man dadurch zu gewissen Lockerungen, die es durchaus wert waren. Außerdem hatte ich es mir angewöhnt, die Beamten nicht als Feinde oder Gegner zu sehen, sondern als Menschen, die ihrer Arbeit nachgingen. Leider gab es auf beiden Seiten immer welche, die ihre Rolle als Häftling oder Gefängniswärter zu ernst nahmen – die Machtgefälle taten dem Rollenverständnis in der Hinsicht nicht gut und bedurften meines Erachtens nach einer Neuordnung.

So ganz konnte ich mich mit dem Gedanken der Verlegung nicht anfreunden. Die angenehme JVA, der tolle Job und meine Bekannten hier, alles im Tausch gegen eine Zelle mit meinem Bruder? Aber an sich klang das nach einem fairen Deal. Ich war bereits ein alter Hase in der U-Haft, so gut wie niemand sonst war für fast ein Jahr in U-Haft gewesen, schon viel früher bekamen andere ihr Urteil. Dementsprechend kannte ich alle Häftlinge und hatte mit den meisten schon mehr oder weniger Gespräche über Herkunft, Straftat und sonstige persönliche Informationen geführt. Ich verabschiedete mich allerdings von den Haftkollegen wie Savas, Tayfun und Kartal. Obwohl am nächsten Tag meine Verlegung anstand, arbeitete ich am letzten Tag noch als vollwertiger Reiniger weiter. Der letzte Arbeitstag war immerhin auch wichtig für den letzten Eindruck. „Bruder, kannst Du bitte mal schauen, warum meine Wäsche nicht gut riecht? Ich habe extra diesen teuren Weichspüler gekauft, dennoch riecht meine Wäsche nach gar nichts. Riech mal nach dem Waschvorgang an der Wäsche, ob es gut riecht, und dann nochmal, nachdem du sie getrocknet hast. Möchte wissen, ob es an der Waschmaschine oder am Trockner liegt“, sprach Tayfun seinen letzten Wunsch an mich aus. Er war einer der wenigen, die sich tagtäglich rundum und gründlich pflegten. Immer frisch rasiert und mit Niveacreme auf dem gewaschenen Gesicht traf man ihn an. Aber auch ein großes Sortiment an den verschiedensten Duschgels gehörte zu seinem Repertoire. Er hatte sich sogar mal parfümierte Wäsche von daheim zusenden lassen, nur, damit er diese beim Besuch seiner Freundin tragen konnte. Dass die Wäsche nun trotz des teuren Weichspülers schlecht roch, konnte er also gar nicht ertragen. Natürlich konnte ich seinen Wunsch nicht abschlagen, zumal es keine große Sache war. Also begab ich mich in den Waschraum, als gerade der Waschvorgang mit der Wäsche Tayfuns fertig war. Ich neigte mich vor die Waschmaschine, öffnete die Luke und nahm die Wäsche in die Hand. Obwohl ich schon eine Prise des frischen Dufts der Waschmaschine entnehmen konnte, roch ich vorsichtig an der eben herausgeholten Wäsche. Sie roch nach Weichspüler. Plötzlich ging die Tür des Waschraums auf, ein Beamter stand vor der Tür… und blickte mich ziemlich entsetzt an: „Schnüffeln Sie etwa an der Wäsche der anderen Häftlinge?“, fragte er doch sehr verdutzt und war dabei kurz vor einem Lachanfall. Ich lief rot an wie eine Tomate und erklärte ihm die Situation, dass mich ein Mithäftling darum gebeten hatte, dass ich doch nur schauen sollte, warum die Wäsche nicht gut duftete…

„Ja, ist klar“, grinste er mich daraufhin nur an und bat mich in sein Büro. Ich sollte ein paar Unterlagen zur Verlegung unterschreiben.

„Welcher Beamte ist eigentlich morgen da?“, wollte ich von ihm wissen. „Wieso fragen Sie?“, wollte mein Gegenüber wissen. „Naja, morgen werde ich verlegt. Ich möchte nicht schon um 7:00 Uhr in die Wartezelle und dann bis 13:00 Uhr auf den Transportbus warten. Ich habe gesehen, dass je nach Beamter, die Reiniger das Privileg haben, bis 13:00 Uhr in ihrer Zelle warten zu dürfen“, erklärte ich ihm offen und ehrlich. Seiner Mimik konnte ich entnehmen, dass er davon Bescheid wusste, dennoch kam er mir nur halbherzig entgegen: „Ich darf Ihnen nicht sagen, welcher meiner Kollegen morgen Schicht hat. Jedenfalls ist es ein neuer Kollege, den Sie nicht kennen.“ Das war kein gutes Zeichen. So wie er es vorhergesagt hatte, stand am nächsten Morgen auch ein völlig unbekanntes Gesicht vor meiner Zellentür und informierte mich, dass ich mich nach dem Abrücken der Arbeiter bereit machen und zum Arzt gehen solle. Folglich würde ich direkt zur Kammer gehen, meine Sachen abgeben und müsste dann in die Wartezelle. Schnell sprach ich ihn bezüglich der Privilegien, die man als Reiniger genoss, an, und ob ich denn nicht nach der Kammer noch zu meinem albanischen Reiniger – Kollegen in die Zelle könne. „Ich würde auch noch arbeiten bis 13 Uhr!“, bot ich ihm an. Er lachte nur und würdigte mich keines Blickes: „Privilegien? Hier werden alle Häftlinge gleichbehandelt!“ Ich war verärgert: „Ich bin schon seit einem Jahr hier, habe immer gut gearbeitet und alles getan, was die Beamten von mir verlangt haben. Sie können mir doch etwas entgegenkommen? Eine Art Belohnung für gute Dienste?“, doch auch diese Argumente stießen auf taube Ohren. Nachdem ich dann beim Arzt fertig war und meine Sachen in der Kammer abgegeben hatte, konnte ich den Beamten immer noch nicht überzeugen. Als ich sehr enttäuscht von einem anderen Kammer-Beamten in Richtung Wartezelle gebracht wurde, erkannte ich plötzlich einen sehr vertrauten und penetranten Parfümduft. Das war eine Beamtin, mit der ich mich sehr gut verstand! „Frau Habich! Können Sie mir helfen? Ich werde heute verlegt. Die wollen mich in die Wartezelle stecken, bis der Transportbus kommt. Können Sie nicht mit dem Beamten reden und fragen, ob ich bis zum Mittagessen oben auf dem Stockwerk warten kann?“ Ich sah sie ziemlich verzweifelt an. Sie konnte wohl nicht widerstehen und war überrascht, dass ich verlegt wurde: „Ach nein, Du wirst verlegt? Ich kümmere mich darum!“ Keine fünf Minuten vergingen in der Wartezelle, als der neue, nun mies gelaunte Beamte die Zellentür öffnete: „Herr Ates, ich weiß nicht, wie Sie das gemacht haben…Aber nur bis zum Mittagessen! Danach gehen Sie wieder hier runter wie alle anderen.“ Ich hatte mich schon seit geraumer Zeit nicht so gut gefühlt – so von Erfolg gekrönt!

Schlussendlich saß ich dann wie jeder andere auch in einer engen Kabine im Transportbus und malte mir einen Unfall aus. Niemals würden wir lebend aus dem Bus kommen – nicht bei den verschlossenen Türen und diesen beengten Verhältnissen. Eine halbe Ewigkeit verging, als ich dann vor diesem runtergekommenen Gebäude stand. Es war genauso hässlich und düster, wie ich es in Erinnerung hatte! Lustiger weise wurde ich in dieselbe Transportzelle verlegt, wie vor einem Jahr – Zelle 39. Diesmal mit einem breit gebauten Kurden und einem Polen in der Zelle. Ersterer kam erst von seinem Mexico-Urlaub zurück, er war im Spring-Break in Cancun gewesen. Letzterer bestätigte das Klischee über Polen – er hatte Autos geklaut. Der Kurde war aus der Red Legions Gruppe und war verwundert, als ich ihm einige kurdischen Namen aufzählen konnte – Häftlinge der Red Legions, die ich aus der JVA Schwäbisch Hall kannte. Es war ein Jahr vergangen, niemals hätte ich mir erträumt, wieder hier in der Zelle zu stehen. Das Einzige, was sich verändert hatte, war meine Erfahrung und eventuell meine Persönlichkeit. Was sich nicht verändert hatte, war die Tatsache, dass ich keine Lust hatte, in einer Toilette mein Geschäft zu verrichten, während mir meine Zellenkollegen dabei zuschauen konnten. Als der Hofgang anstand, wollte ich in der Zelle bleiben. „Das geht so nicht. Entweder alle gehen in den Hofgang, oder alle bleiben in der Zelle!“, herrschte uns der mehr als unfreundliche Beamte an. „Wie jetzt? Wieso darf ich nicht alleine in der Zelle bleiben? Ich muss scheißen“, erklärte ich ihm böse. „Ihr seid alle suizidgefährdet, ihr dürft nicht alleine in der Zelle bleiben.“ Diese Begründung war mehr als absurd. „Was? Ich bin seit einem Jahr in Haft, warum sollte ich gerade jetzt suizidgefährdet sein?“, war meine mehr als berechtigte Frage darauf. Die Begründung war abermals unbefriedigend: „Alle Neuankömmlinge werden so eingestuft, bis der Arzt eine Untersuchung vorgenommen hat.“ Und selbstverständlich war ich wieder mal an einem Wochenende verlegt worden, musste also bis Montag warten. Auch, wenn es meinem Darm keineswegs guttat, blieb ich das Wochenende stark und flehte die Beamten bei der „Erstaufnahme“ an, mich in eine Einzelzelle zu stecken. Sauer war ich dann auf den offensichtlich homosexuellen Häftling, der mit mir in die oberen Stockwerke verlegt wurde, als er mir im Aufzug nach oben mitteilte, dass ich niemals eine Einzelzelle bekommen würde: „Die Einzelzellen sind heiß begehrt, da ist nichts mehr übrig. Du musst sicherlich mit mir in die Zelle.“ Mein einsetzendes Kopfkino gefiel mir ganz und gar nicht… das konnte der sich gleich mal abschminken. Glücklicherweise hatte er unrecht, die Beamtin brachte mich in eine Einzelzelle – die für mich heilige Toilette stand da und wirkte sehr einladend auf mich. Doch bevor ich meinen langersehnten Stuhlgang erledigen konnte, musste die Beamtin wohl auch dringend etwas los werden: „Wissen Sie, wessen Zelle das ist? Hier hat sich ein Terrorist umgebracht.“ Ich schaute sie fragend an, ich befand mich im 7. Stock, in einer Zelle ganz hinten im Flur: „Äh, wie jetzt? Ein Islamist oder wie?“ Sie lachte wie eine Hexe: „Haha nein, ein RAF Terrorist!“ Mein einziger Gedanke war: „Wow – ich scheiß mir gleich in die Hose!“

Einige Tage musste ich noch bis zum vierten Verhandlungstag warten. Diese Tage waren mitunter die schlimmsten meiner Haftzeit. Ich musste tatsächlich 23 Stunden in der Zelle verbringen, 1 Stunde Hofgang gab es nur morgens um 7:00 Uhr, duschen durfte man nur zwei Mal in der Woche, maximal für 10 Minuten, das Essen war mehr als schlecht und die Fenster sehr klein. Ich fühlte mich erst jetzt wirklich gefangen – das davor war dagegen noch erträglich gewesen.

Von meinem kleinen Fenster aus hatte ich einen guten Blick auf den Hofgang, und auch, wenn die Leute schwer zu erkennen waren, hätte ich Cem sicherlich erkennen können. Meinen Antrag auf eine gemeinsame Zelle mit ihm hatte ich bereits abgegeben – ich hoffte, dass er diesmal durchgehen würde. Als ich im Hof lauter Jugendliche sah – keiner wirkte älter als 20 Jahre – rief ich nach Cem. Plötzlich blieb einer der Jugendlichen stehen und blickte hoch: „Wer bist Du?“, schrie er hoch, und suchte nach meinem Fenster. „Hier bin ich! Kennst Du Cem? Ich bin sein Bruder!“, rief ich runter. „Ah, bist Du sein Bruder? Ja, ich kenne ihn! Er ist mit mir auf dem Stockwerk!“ Er hatte mich nun entdeckt. „Wo ist er? Kannst Du ihn rufen?“, fragte ich interessiert. „Er schläft. Der Hofgang ist ihm zu früh am Morgen!“ Das war typisch Cem. Ich bat ihn darum, Cem mitzuteilen, dass sein Bruder da sei und, dass er bitte zum Hofgang kommen möge. In meinem Hofgang lief ich alleine im Kreis herum, keiner sprach mich an – bis auf diesen alten türkischen Mann. Was er getan hatte, fragte ich nie, alles, was mich interessierte, betraf meinen Bruder. Dementsprechend war ich erfreut, als der alte Türke mir versicherte, dass es bei den Jugendlichen lockerer zu Sache ginge – Freizeit, Sportaktivitäten, Unterricht und dergleichen stand auf dem Tagesplan. Enttäuscht war ich dann von Cem, als er die nächsten Tage nicht zum Hofgang erschien, obwohl ich mehrmals nach ihm rufen ließ: „Doch, aber er ist einfach zu faul. Er kann nicht so früh aufstehen“, antwortete mir der jugendliche Häftling vom Hofgang, als ich ihn – wohl eher rhetorisch – fragte, ob er denn Cem nicht mitgeteilt hatte, dass sein Bruder da sei.

Enttäuscht darüber, meinen Bruder nicht sehen zu können, versuchte ich, die Zeit irgendwie herumzubekommen. Mein Hass auf die TV-Programme kam wieder hoch, ich wollte nicht anderen Leuten dabei zusehen, wie sie ihr Leben in Freiheit lebten. Das Essen kam mir auch immer wieder hoch, mir fehlte Nervennahrung – bis zum Einkauf musste ich mich noch eine Weile gedulden. Auch hatte ich keine wirklichen Kontakte, es gab nur eine Stunde Hofgang pro Tag, es war mir schlicht unmöglich, mich zu „integrieren“. Die Beamten hier schienen viel kälter drauf zu sein, wenn die Tür aufging und man eine Frage hatte, versuchten sie, einen schnell abzuwimmeln – man musste die Tür regelrecht gegendrücken, um mehr Zeit zum Reden zu gewinnen. Bei Nachfragen zu Anträgen wurde man abgespeist: „Ich habe schon vor ein paar Tagen einen Antrag abgegeben, mit der Absicht, in eine Zelle mit meinem Bruder verlegt zu werden. Wann bekomme ich da Rückmeldung?“, wollte ich wissen, als mir die Beamtin zum Abendessen einen Besucherzettel in die Hand drückte. Sie wusste mal wieder von gar nichts und haute mir die Tür vor dem Gesicht zu. Wenigstens hatte ich hier zwei Stunden Besuch, anders als in Schwäbisch Hall – dafür aber auch nur alle zwei Wochen. Die Tage bis zum Besuch vergingen, ohne, dass ich meinen Bruder gesehen hatte.

Ganz früh stand ich auf, damit ich mich frisch machen konnte. Meine Anwältin war vor der Verhandlung zu Besuch gekommen, um mit mir den aktuellen Stand zu besprechen: „Oh meine Güte, wie sehen Sie denn aus? Stammheim tut Ihnen gar nicht gut. Sie haben ja tiefschwarze Augenringe.“ Ich teilte ihr mit, dass Stammheim einem alles abforderte und ich mich alleine in der Zelle total schlecht fühlte. Ich konnte mir einfach nicht erklären, wie zwei JVAs im selben Bundesland so unterschiedlich sein konnten. Doch vor meiner Mutter wollte ich nicht schwach wirken, ich wollte nicht, dass sie sich unnötig mehr Sorgen macht – die Nivea Creme sollte Abhilfe schaffen. Mit Motivation und Vorfreude folgte ich dann der Beamtin zum Aufzug. Das System war hier völlig anders, wahrscheinlich wegen der Größe der JVA. Die Stockwerksbeamtin übergab mir einen Zettel, und während ich sie fragend anblickte, erklärte sie mir, dass dies ein Laufzettel sei: „Zeig das den Beamten, die führen Dich dann damit zum Besucherraum. Verlier den Zettel nicht.“ Das war wohl sowas wie ein Eintrittsticket in den Besucherraum. Ich wartete vor dem Aufzug. Aufgrund der langen Wartezeit verstand ich auch, weshalb ich bereits eine Stunde vor Besuchsbeginn von der Zelle abgeholt worden war. Als der Aufzug ankam, kamen ein paar Häftlinge raus. Ein Beamter mit dem magischen Aufzugsschlüssel fragte mich, wo ich hinmüsse. Ich zeigte ihm den Laufzettel und begab mich in den Aufzug. Bis wir ganz unten ankamen, kamen in jedem Stockwerk neue Häftlinge hinzu, es gab einen regelrechten Häftlingsverkehr. Als meine Blicke im Aufzug umherschweiften und ich versuchte, den anderen Häftlingen – sie wirkten viel gefährlicher als jene in Schwäbisch Hall – nicht in die Augen zu schauen, blieb mein Blick an dem Arsch des Beamten hängen. Ich musste mir das Lachen stark verkneifen. Der Beamte hatte einen viel zu fetten und festen Arsch, der sehr markant vom restlichen Körper abstand – es sah aus wie operiert. Noch nie zuvor hatte ich sowas gesehen und ich denke, als Frau wäre er sicherlich schon von so manch einem Häftling angebaggert worden. Wobei, als Mann in einer JVA – man weiß nie, was für Häftlinge mit einer wie auch immer gearteten Orientierung sich hier aufhielten.

Im Warteraum angekommen, machte ich es mir in einer Ecke gemütlich. Noch war kein anderer Häftling im Besucherraum. Ich freute mich wie ein kleines Kind auf meine Mutter – vor allem aber auf die Schokolade. Von einem Häftling im Hofgang hatte ich erfahren, dass der Besuch bis zu 10 EUR Waren für den Häftling kaufen durfte. Schokolade für 10 EUR sollte mir bis zur Verhandlung erstmal reichen. Als die Tür des Warteraums aufging, wollte ich mich schon aufrappeln, um zum Besucherraum zu gehen. Statt meiner Eltern kam ein junger Mann herein: Die Haare waren zerzaust, die Augen dick angeschwollen und ein starker Zigarettengeruch umhüllte ihn, als er mich angrinste. „Ach Du meine Scheiße! CEM!“ Ich umarmte ihn – er erwiderte die Umarmung nur halbherzig. „Was geht, Lan? Man, Du siehst voll fertig aus!“ Ich war total aufgeregt. „Haha, Bruder, es ist so früh Lan, die kommen immer so früh.“ Wir plauderten etwas über das letzte Jahr und ich war erleichtert, als er mir mitteilte, dass er als Jugendlicher nicht 23 Stunden in der Zelle war. Er hatte Freizeit, Sportaktivitäten und auch für seine Bildung konnte er hier etwas tun. Als ich ihm versicherte, dass er zum Urteil rauskommen würde, wurde er sauer. „Sag das nicht, sonst komm ich nicht raus“, meinte er. „Na gut, dann kommst halt nicht raus“, grinste ich. „Nein, sag das auch nicht, dann komm ich erst recht nicht raus!“ Er meinte es wohl ernst, etwas abergläubisch war er immer gewesen. Die Zellentür des Warteraums ging erneut auf, die Beamtin blickte besorgt in unsere Richtung: „Leider kann nur Cem Ates zum Besuch. Herr Emre Ates, Sie müssen wieder in die Zelle.“ Die Aussage traf mich wie ein Schlag ins Gesicht: „Aber wieso?“ Sie hielt einen Zettel in der Hand: „Ihre Mutter hat nur eine Besuchsbescheinigung für die JVA Schwäbisch Hall, sie hätte eine für Stammheim beantragen müssen. Es tut mir Leid. Das nächste Mal dann.“ Dass ich mit Beamten, vor allem wenn ich sie nicht kannte, nicht verhandeln konnte, war mir bereits klar. Doch ich wollte es nicht unversucht lassen: „Kann mir meine Mutter bitte wenigstens Schokolade kaufen? Ich brauch die Nervennahrung echt dringend.“ Sie verneinte natürlich – kein Besuch, kein Einkauf. Mein Bruder fragte die Beamtin, ob er mir seine Schokolade geben könne, die er vom Besuch erhalten würde. Sie verneinte erneut. Ich umarmte meinen Bruder und bat ihn, doch wenigstens mal zum Hofgang zu kommen, damit ich vom Fenster aus mit ihm sprechen konnte. Er bejahte, und ich wurde in eine andere Wartezelle geführt. In der nächsten Wartezelle befand sich bereits ein Häftling, der es sich auf der Bank gemütlich gemacht hatte. Es gab eine Wartezelle für diejenigen, die zum Besuch wollten, und eine andere Wartezelle für die Häftlinge, die soeben wieder vom Besuch kamen. Sie wurden dann alle auf einmal vom Aufzugsbeamten abgeholt. Ich wusste in dem Moment fast nicht, was schmerzhafter war – meine Familie nicht zu sehen, oder meine Schokoladenration für die nächsten Tage nicht zu bekommen. Letzteres hätte mir mit dauerhafter Wirkung die Zeit in der Zelle buchstäblich versüßt. Da ging die Wartezellen-Tür erneut auf, die Beamtin stand mit einer Tüte voller Süßigkeiten vor mir und übergab mir diese. Ich wusste nicht, wie mir geschah: „Es ist von ihrem Bruder“, meinte sie. Ich hatte zwar nie Weihnachten gefeiert, doch so müsste sich ein Beschenkter am 24. Dezember fühlen, da war ich mir sicher.

Bis zum Verhandlungstag konnte ich meinen Bruder nochmals sehen. Als ich vom Fenster meiner Zelle hinausblickte, hörte ich ihn nach meinem Namen rufen. Wir plauderten ein wenig, vor allem über das TrueCrypt Passwort. „Hättest Du das Passwort doch bloß nicht verraten, dann wären wir schon längst draußen.“ Damit hatte er wohl nicht ganz unrecht. Seine Häftlingskollegen um ihn herum schienen überrascht zu sein, als ich Cems Aussagen bezüglich der Verschlüsselung der Rechner bestätigte.

Der vierte und vorletzte Verhandlungstag stand an. Diesmal war ein BKA – Beamter mit IT-Background aus Rosenheim da. Er hatte einen Beamer aufgesetzt und seinen Rechner damit verbunden. Er erzählte, welche Daten sie auf unseren Rechnern gefunden hatten und wie sie auf die ICQ-Chatverläufe gekommen waren. Viel Interessantes war da nicht zu hören, im Grunde genommen ging es doch allen nur um die Verschlüsselung. Die Richterin wollte wissen, ob die Wahrscheinlichkeit 0% betrage, das Passwort knacken zu können – so hätten es seine Kollegen behauptet. Der IT-Beamte versuchte, ihr das detaillierter zu erklären: „Im Grunde genommen ist alles knackbar, die Frage betrifft eher die benötigten Ressourcen und Zeit. Doch mit unseren Mitteln hätten wir aufgrund der Komplexität des Passworts keine Entschlüsselung vornehmen können.“ Dass das ein gefundenes Fressen für die Richterinnen war, konnte ich zu dem Zeitpunkt nicht ahnen. Denn nach meiner Beurteilung hatte der IT-Beamte recht, er hätte nur erwähnen sollen, dass er wahrscheinlich mehrere hunderte Jahre gebraucht hätte sowie eine enorme Rechenpower. „Sie meinen also, mit genug Ressourcen und genügend Zeit hätten Sie den Rechner knacken können?“, fragte die Richterin interessiert. Der IT-Beamte versuchte ihr zu erklären, dass es nicht mit einem einfachen „Ja“ zu beantworten ist: „Naja, also mit genug Ressourcen und einer Menge Zeit vielleicht und selbst dann ist es nicht sicher.“ Die Richterin fragte mehrmals nach, nie kam ein eindeutiges „Ja“ oder „Nein“. Bis dann die Hauptvorsitzende sauer wurde: „Ja oder Nein? Kann man mit den nötigen Ressourcen und genug Zeit das Passwort knacken – Ja oder Nein?!“ Der IT-Beamte fühlte sich wohl angegriffen und ergab sich der Beharrlichkeit der Richtern. Er kämpfte kurz mit sich, man sah ihm an, dass er nicht eindeutig darauf antworten wollte – schlussendlich tat er es dennoch: „Ja – mit genug Ressourcen und Zeit, Ja.“ Mein Gesicht lief rot an, als ich daraufhin die Aussage der Richterin zu Ohren bekam: „Also können wir feststellen, dass die Ates Brüder mit der Herausgabe des Passworts nur die Ermittlungen beschleunigt haben – es war auch in ihrem eigenen Interesse, dass die Ermittlungen frühzeitig beendet werden.“ Ich stand auf, meine Hände zitterten, ich stotterte: „Wollen Sie mich verarschen? Wie realitätsfern kann man sein? Die scheiß Ermittlungen haben mehr als 6 Monate gedauert, OBWOHL ich das blöde Passwort verraten habe! Die Verhandlungstermine waren nach einem verdammten Jahr, OBWOHL ich kooperiert habe! Dann kaufen Sie doch bitte die verdammten Quantenrechner und ich warte gerne in Freiheit, bis Sie das komplexe Passwort knacken! Ohne Beweise hätten Sie uns keine 6 Monate in U-Haft halten können! Ohne Passwort keine Beweise! Nicht mal das Wasser meiner Anwältin durfte ich annehmen, als ich stundenlang vor Gericht sprechen musste! Wie unmenschlich sind Sie eigentlich!“ – Leider spielte sich das alles nur in meinem Gedanken ab. In Wirklichkeit saß ich eingefroren auf meinem Sitz und bereute es zutiefst, je mit der Justiz kooperiert zu haben. Die Hoffnung hatte ich dennoch nicht verloren. Erst mal abwarten bis zum Urteil, dachte ich mir.

Die Mittagspause stand an und auf meinem Weg zur Wartezelle sah ich mal wieder Abde. Er wurde von zwei Beamten festgehalten, er hatte eine Bauchschelle um, an der seine Hände gekettet waren. „Ach Du meine Güte, was ist los?“, wollte ich von ihm wissen, als er von den Beamten mit voller Kraft an mir vorbeigezerrt wurde: „Was soll schon passiert sein? Diese Arschlöcher haben mir 12 Jahre gegeben.“ Mitleid hatte ich gewiss nicht mit ihm und musste plötzlich daran denken, wie mich andere Leute sahen. Es gab sicherlich bessere Menschen als mich, die mich genauso ansahen, wie ich Abde ansah – sie hätten sicherlich auch kein Mitgefühl. Doch das wollte ich auch gar nicht, ich wollte einfach nur eine Zukunft, ein Studium beginnen, ich wollte ehrenhaft leben. Gehörte dazu auch, dass ich Kooperationen mit der Justiz nicht bereuen durfte? Diesmal durfte ich gemeinsam mit Cem in einen Warteraum. Das Topthema war bekannt und das Fazit simpel: „Wenigstens ist jetzt alles raus und es kann im Nachhinein nichts mehr kommen. Nach der Entlassung müssen wir nichts mehr befürchten.“ Dieser Gedanke war befriedigend.

Nach der Mittagspause war ein Vertreter der Deutschen Bahn dran. Als ich ihm zuhörte, wie er von finanziellen Schäden berichtete und wie sie die Zahlungsmethode einfach halten wollen, damit es kundenfreundlich ist, obwohl damit der Kreditkartenbetrug einfach ist – hörte ich, wie die Tür des Gerichtssaals aufging. Ich blickte zur Tür und erstarrte.

Tränen schossen in meine Augen, mein Herz raste wie verrückt und eine Gänsehaut machte sich auf meiner kompletten Haut breit. Ich wollte aufstehen und sie fest an mich drücken, an ihren Haaren riechen, sie an ihren Grübchen küssen und sagen, wie sehr ich sie vermisse und liebe. Ich wollte nochmal hören, wie sie „Abi“ (Bruder) zu mir sagt und mir dabei etwas Kindliches zeigt, ein selbstgemachtes Bild, ein gebasteltes Tier – meine kleine Schwester, mein kleiner Engel war da. Meine Zwillingsschwester führte sie an ihrer Hand auf einen Sitzplatz. Meine kleine Schwester sah mich sofort und strahlte mit einem so goldigen Lächeln, dass alle Sorgen vergessen waren, alles um mich herum war egal. Als der Vertreter der Deutschen Bahn weiter redete, wurde ich kurz involviert – die Frage hieß, wie ich gedachte, den Schaden wieder gut zu machen. „Ich möchte auf alle Fälle studieren. Danach würde ich in monatlichen Raten den Schaden zurückbezahlen“, war meine knappe Antwort und ich verschwand wieder in den Tunnelblick in Richtung meiner kleinen Schwester. Und dann machte sie etwas so Süßes, das brannte sich auf ewig in meine Gedanken ein. Ich weiß es heute noch so klar wie damals: Mit ihren süßen Kinderhänden machte sie ein Herzchen-Symbol und machte eine Kussbewegung mit ihren Lippen. Ich grinste und machte ebenfalls ein Herzchen-Symbol und gab ihr einen Kuss durch den Gerichtssaal. Sie lächelte. Erneut wurde ich von der Richterin unterbrochen: „Herr Ates, ich kann die Freude über die Familienzusammenführung verstehen, aber konzentrieren Sie sich bitte auf die Verhandlung. Ich genehmige Ihnen später, zu Ihrer Familie zu gehen, bevor Sie abgeführt werden.“ Ich bedankte mich und hörte weiter dem Vertreter der Deutschen Bahn zu. Ob eine Zivilklage folgen würde, wäre noch zu bedenken – so die Worte des Zeugen. Nachdem auch er fertig war, wurden wir alle gefragt, ob wir noch etwas zu sagen haben. Als alle verneinten, wurde die Verhandlung beendet, das nächste Mal sollten die Plädoyers der Anwälte und des Staatsanwaltes folgen. Zudem stand auch das Urteil beim nächsten Mal an.

Ich fragte nochmals höflich nach, ob ich zu meiner kleinen Schwester dürfte. Die Richterin bejahte und machte den Beamten, der mir eine Handschelle anlegen wollte, darauf aufmerksam, dies sein zu lassen. Nachdem ich mich nach langer Sehnsucht mit meiner kleinen Schwester ausgetauscht hatte und ihr Geruch familiäre Gefühle in mir hervorgerufen hatte, betonte ich vor ihr nochmals, wie sehr ich sie lieben würde. Meine Mutter weinte, ich umarmte auch meine Eltern. Nachdem ich sie gebeten hatte, den Saal zu verlassen, legte mir der Beamte die Handschellen an – meine kleine Schwester sollte das nicht sehen. Mit dem Transporter wurden dann Cem und Ich zurück in die JVA verlegt. „Hey, hast Du nicht Kontakte zu den Beamten? Kannst du nicht dafür sorgen, dass wir gemeinsam in eine Zelle können?“, wollte ich auf der Fahrt von meinem Bruder wissen. „Ich habe das schon probiert. Die sagen, dass du einen schlechten Einfluss auf mich hättest und die das nicht machen. Außerdem darfst du nicht in die Jugendabteilung, wenn dann müsste ich in die Erwachsenenabteilung, und dort hab ich dann nicht die gleichen Vorteile. Aber das ist mir egal, ich sag denen, dass ich zu dir will“, erklärte mir Cem ausführlich. „Geht klar, musst Du wissen. Du kannst auch gerne bei den Jugendlichen bleiben. Hast du eigentlich Schokolade? Meine ist wieder ausgegangen, ich dreh durch.“ Auf meine Nachfrage bot mir Cem an, mir Schokolade schicken zu lassen, über die Reiniger würde der Transfer wohl laufen.

Das war mein Stichwort, ich musste schauen, dass ich in Stammheim wieder den Posten als Reiniger gewinne. Ich weiß nicht, ob es an meiner Erfahrung lag, doch meine Strategie war simpel. Täglich stand ich früh auf, machte mein Bett, putzte meine Zelle, machte mich frisch und wartete darauf, dass die Zellentür um 6:00 Uhr aufging. Den Antrag für den Reiniger hatte ich bereits abgegeben, als ich das erste Feedback der Beamtin bekam: „Das ist ja vorbildlich. Immer sauber und ordentlich in Ihrer Zelle.“ Ich erklärte ihr, dass ich mich so wohler fühlen würde und Wert auf Sauberkeit lege – „Mit Dreck kann ich nicht leben“, betonte ich. Keine zwei Tage vergingen, da ging meine Zellentür zu einem ungewohnten Zeitpunkt auf.

„Hallo, ich bin Herr Leder und Abteilungsleiter der ersten zwei Stockwerke. Das sind die Arbeiterstockwerke. Sie waren Reiniger in der JVA Schwäbisch Hall und möchten nun hier Reiniger werden?“
 

Schrenk

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Zwei neue Kapitel so kurz hintereinander :) bin ja mal gespannt Wie viele Kapitel das werden. Ist ja noch nicht mal das Urteil da.
 

BeSure

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Kapitel 47 - Die Hoffnung stirbt zuletzt

Neues Stockwerk, neue Gesichter, Regeln und Probleme – was würde da auf mich zukommen? Und noch viel wichtiger: wie lange werde ich hier verweilen müssen? In zwei Kisten hatte ich mein ganzes Hab und Gut in das erste Stockwerk transportiert und befand mich in meiner neuen Zelle – der Reiniger-Zelle. Die Zelle unterschied sich komfortmäßig von anderen Zellen nur in dem Punkt, dass sie immer offen war. Doch sie war unangenehmer als jene in der JVA Schwäbisch Hall, was schon damit anfing, dass ich nur ein Minifenster in der Zelle hatte. Mal abgesehen von der Tatsache, dass damit nicht gut gelüftet werden konnte, war mein Ausblick deprimierend. In Schwäbisch Hall hatte ich über die Mauer sehen können, konnte die Freiheit, die grüne Landschaft und das Leben sehen und bei offenem Fenster auch einatmen. Und hier? Je nachdem, welchen Blickwinkel ich einnahm, sah ich entweder eine riesige Gebäudewand oder den Hof vor mir. Ich befand mich zwar im ersten Stockwerk, doch der Ausblick über die Mauern vom 7. Stock war auch nicht besser – die Mauern waren um einiges höher als jene in Schwäbisch Hall. Während wir in Schwäbisch Hall noch Utensilien an die Nachbarzellen „schicken“ konnten (man nehme hierfür einen Wäschesack mit dem gewünschten Utensil, binde diesen an einen Gürtel und schwinge den Wäschesack aus dem Fenster in Richtung der gewünschten Nachbarzelle, woraufhin deren Insasse nach dem Wäschesack greifen kann), war dies hier unmöglich. Die Zellen waren diagonal im Gebäude untergebracht, und derart versetzt, dass die Nachbarzelle sich nicht auf derselben Höhe wie die eigene befinden konnte. Das Stockwerk war auch um einiges größer, als ich in Erinnerung hatte. Im 7. Stockwerk war mir das ebenfalls nicht aufgefallen. Es gab zwei Flügel – ich nannte sie immer West- und Ost-Flügel, obwohl ich mir der Himmelsrichtungen nicht bewusst war – die nahezu gleich lang waren. Jeder Flügel hatte ca. 35-40 Zellen, was einem gesamten Stockwerk in Schwäbisch Hall entsprach. Es gab lediglich eine Dusche, sowie eine Küche, welche sich gleich neben meiner Zelle befand.

Als ich gerade dabei war, mich in meiner neuen Zelle einzurichten, hörte ich eine Stimme an meiner Tür: „Hey, bist Du der neue Reiniger, oder?“, die Antwort war dem Fragesteller wohl klar, die Frage rhetorisch. Ich blickte den draußen stehenden Häftling an, er hatte Lackschuhe, eine Jeans, sowie ein hellblaues Hemd an – unschwer zu erkennen, dass es Kleider der JVA waren. Er machte auf mich einen sehr gepflegten Eindruck, oder wie mein Vater sagen würde: „Der ist doch metrosexuell!“ Sein Bart war gepflegt und hatte klare Linien, seine Augenbrauen waren extremer gezupft als viele, die ich zuvor bei Männern gesehen hatte, seine lockigen schwarzen Haare schienen mit viel Gel versehen zu sein und seine braune Haut glänzte ein wenig. Wahrscheinlich verwendete er eine Hautcreme. Er schien mir wie eine aus dem Nahen Osten stammende Version Tayfuns. „Hey, ja, ich bin der Emre.“ Meinen Handschlag nahm er freundlich entgegen. Im Grunde genommen waren alle Reiniger, die ich bisher gesehen hatte, freundlich. Wahrscheinlich war dies eines der Kriterien, die man für diese Rolle erfüllen musste. „Mein Name ist Hakim! Bin auch Reiniger – von wo kommst Du? 7. Stock, oder?“ Selbstverständlich war er neugierig, und natürlich wusste ich, dass ich mich bei den anderen Häftlingen erst beweisen musste. Denn ein völlig Fremder kommt in ein Stockwerk, welches schon potenzielle Reiniger-Kandidaten besitzt, und nimmt jemandem den Job weg. „Das werden die nicht gerne sehen. Doch ich habe extra Sie ausgewählt, da Sie neu sind…wohlmöglich noch eine Weile dableiben und niemanden aus dem ersten Stockwerk kennen. Würde jemand aus dem ersten Stockwerk den Job erhalten, hätte dieser bereits die Kenntnisse über die Beamten, die Strukturen und bereits Häftlinge, die er bevorzugt und er würde sich gewiss einen Vorteil aus seiner vertraulichen Position verschaffen.“ Dies waren die intelligenten Worte von Herrn Leder, als er mir den Reiniger-Posten angeboten hatte. Doch ich verheimlichte Hakim nichts, erzählte ihm in knappen Worten von meiner Straftat, über mein bevorstehendes Urteil, meinen Job als Reiniger in Schwäbisch Hall und den Grund meiner Verlegung nach Stammheim. Seine Reaktion war vorhersehbar und ich hatte sie bereits zum gefühlt hundertsten Mal gehört: „Bruder, bist Du ein Hacker?“

Herr Leder hatte gerade Dienst und beobachtete uns von seinem Büro aus, welches zwischen Ost – und Westflügel lag, als er plötzlich neben Hakim stand: „Wieso wird hier nicht gearbeitet? Die Arbeiter rücken gleich an, haben Sie schon den Flur gewischt?“ Mir wurde eiskalt, Herr Leder war dann wohl der Herr Winter von Stammheim. „Ja, aber die Dusche macht Osman. Der ist gerade beim Arzt.“ Herr Leder war wohl enttäuscht, dass sein Anraunzer unberechtigt gewesen war, seine strafenden Blicke legte er trotz allem nicht ab: „Gut. Sagen Sie ihm, dass er es nach dem Mittagessen machen soll. Solange geben Sie Herrn Ates Reiniger-Klamotten und zeigen ihm den Putz-Raum.“

Hakim zeigte mir die heilige Kammer der Reiniger, in der es Putzmittel in Hülle und Fülle gab. „Warum haben wir so viele Sanitärreiniger und Lappen, aber nur ein paar Besen?“, wollte ich wissen. „Jeder Arbeiter hat Sanitärreiniger in seiner Zelle und Lappen, die müssen selber saubermachen. Wir Reiniger gehen zwei Mal in der Woche die Zellen durch, um zu fegen und zu wischen.“ Ich war entsetzt: „Wie jetzt? Wir putzen deren Zellen? Können die nicht gleich selber fegen und wischen?“ Hakim lachte nur: „Wir sind Reiniger, man.“ Er erklärte mir den Ablauf, während er mir aus seinem Schrank Reiniger-Klamotten übergab: „Morgens geben wir Frühstück aus. Warmen Tee, Brötchen und Streichkäse, Honig, manchmal auch Nutella. Zusätzlich sammelt ein anderer den Müll ein, gibt neue Hygienemittel wie Rasierer, Seife etc. aus. Nachdem die Arbeiter abgerückt sind, beginnen wir mit dem Wischen der Flure und dem Desinfizieren der Duschen. Dafür muss man immer ins Büro und so spezielles Desinfektionsmittel nehmen, niedrig dosiert natürlich. Wenn die Arbeiter kommen, ist meist das Mittagessen von der Küche da, mit dem auch gleichzeitig das Abendessen kommt. Nach der Ausgabe des Mittagessens an die Arbeiter können wir auch zu Mittag essen. Meistens räumen die dann ihre leeren Essens-Behälter in den Essens-Wagen ein, oder wir sammeln es wieder ein. Das Abendessen müssen wir dann in der Küche lagern. Jeden Mittwoch gibt es Wäscheausgabe, neue Arbeiterklamotten. Und ganz wichtig: Wir Reiniger dürfen die Küche zum Kochen benutzen, aber sonst niemand anderes. Herr Leder ist da sehr streng!“ Ich nahm alles zur Kenntnis und zog mich um, Herr Leder hatte mir in der Zwischenzeit die Lackschuhe gebracht, welche mehr als unangenehm zu tragen waren. Später würden wir mit Hakim in die Kammer gehen, um neue Arbeitsklamotten für uns Reiniger zu holen.

Als der Mittagessenswagen kam, war auch der dritte Reiniger angekommen. Osman war sein Name, ein älterer, türkischer und dürrer Mann. Mit ihm hatte ich auch ein kurzes Gespräch, als dann plötzlich mehrere Stimmen zu hören waren. Eine Horde von Häftlingen befand sich plötzlich im Flur, alle warteten vor ihren Zellentüren. Meine zwei Reiniger-Kollegen zogen sich Hygiene-Kappen und Handschuhe an. Ich sollte erstmal nur zuschauen. Die Reiniger übergaben dem jeweiligen Häftling das Essen, Herr Leder öffnete die Zellentür, bat den Häftling hinein und schloss hinterher ab. Es waren verschiedenste Gestalten zu sehen, einige beäugten mich gründlich, andere wiederum nahmen mich nicht einmal wahr. Es schien, als bestünde der Großteil aus Albanern und Arabern, aber auch eine ungewöhnlich hohe Anzahl an Deutschen gab es hier. Die Türken hingegen waren deutlich in der Unterzahl. Einer fiel mir besonders auf, er hatte Haare, die bis zur Schulter gingen, einen Ziegenbart, und war etwas breiter gebaut. Er müsste etwa um die 40 sein, seine Zelle war groß, eine Viermannzelle. Ganz groß an einer Wand sah ich die Aufschrift „Hells Angels“. „Du, ich habe gleich Besuch von meinem Anwalt. Lass meine Tür offen, damit ich duschen kann.“ Das waren seine Worte an den Beamten Herrn Leder, und das Seltsame daran war, dass es war vielmehr ein Befehl als eine Bitte zu sein schien. Ich war schockiert, noch nie hatte ich einen Häftling so mit einem Beamten reden hören. Noch schockierender war die Tatsache, dass Herr Leder darauf einging.

Nachdem das Essen vollständig ausgeteilt und die Schalen wieder eingesammelt worden waren, rückten die Arbeiter ab. Osman rief mich zu sich: „Lass uns die Dusche putzen, ich zeig Dir das.“ Er nahm einen Behälter voll Wasser, ging ins Büro und füllte Desinfektionsmittel ein. Danach begaben wir uns in die Dusche und schrubbten das Mittel auf die Wände. Plötzlich kam der Häftling von den Hells Angels rein: „Meine Güte, was macht ihr da?! Mensch, ich wollte jetzt duschen. Hättet ihr das nicht später machen können?“ Osman sah ihn verwirrt an: „Jetzt ist keine Freizeit, duschen musst Du abends, David. Woher sollen wir das wissen?“. David machte eine „Halt dein Maul“-Handbewegung und verließ das Bad. Nachdem wir das Desinfektions-Mittel für eine halbe Stunde hatten einwirken lassen, wuschen wir das Mittel mit einem Wasserschlauch von den Wänden ab. Osman lästerte ein wenig über diesen David ab, es hatte wohl etwas auf sich mit ihm. „Du kannst dich in deiner Zelle ausruhen, bis die Arbeiter wieder zurück sind.“ Osman erlöste mich von der Arbeit, und ich hatte die Ruhe dringend nötig. Als ich es mir auf meinem Bett gemütlich gemacht und einen türkischen Sender eingeschaltet hatte, klopfte es an meiner Tür. Überrascht war ich, als David da stand und mir eine Frage stellte, die ich schon lange nicht mehr gehört hatte: „Hey Junge, kannst Du deutsch?“ – „Ähm, ja?“, ich wunderte mich, dass es keine Selbstverständlichkeit zu sein schien, die deutsche Sprache hier zu beherrschen. Mit den Worten „Hier hast ein Snickers“, warf er es mir auf mein Bett. Ich war verwirrt: „Ähm, danke. Aber ich brauch das nicht, hier, nimm es zurück.“ Er machte einen genervten Gesichtsausdruck: „Nimm das jetzt einfach. Das ist ein Geschenk. Kannst Du lesen?“, ich bedankte mich und bejahte erneut. „Wie gut kannst Du lesen?“ So langsam dachte ich, dass er mich für dumm hielt: „So gut, dass ich verstehe, was ich lese.“ Er befahl mir, ihm zu folgen und ich ging mit ihm in seine Zelle. Er kramte ein Magazin aus und empfahl mir, einen Artikel zu lesen: „Nimm das mit in deine Zelle. Da steht, was ich gemacht habe.“ Das war ja mal eine ganz andere Art und Weise, seine Tat mitzuteilen, anstatt wie gewohnt mündlich davon zu berichten oder gar den Haftbefehl zum Lesen zu geben. Er schien wohl eine große Nummer zu sein und aus der Tatsache, dass er von den Hells Angels war, machte er wohl kein Geheimnis. Überall in seiner Zelle waren die Aufschriften dieser Rocker-Gang zu lesen. Ich begab mich in meine Zelle und las die Tat: Er hatte Schulden eines Barbesitzers eintreiben wollen, da dieser nicht bezahlt hatte. Er hatte den Gläubiger an einen Stuhl gefesselt und mit einem Hammer seine Finger gebrochen. Auch, wenn das bei mir einen gefährlichen Eindruck über ihn hinterließ – so war das Unangenehmste an ihm, dass er in einer Haftanstalt, in der Rolle des Häftlings, einem Beamten Befehle erteilen konnte.

Nach dem Eintreffen der Arbeiter gab es die Abendessensausgabe und gleich darauf folgend den Hofgang. Der Hofgang war um einiges größer als jener vom 7. Stockwerk, oder gar von Schwäbisch Hall. Mehrere Stockwerke hatten zur selben Zeit Zugang zum Hof. Danach gab es für ca. 90 Minuten die Möglichkeit, sich im Flur frei zu bewegen und zu duschen. Einige Leute sprachen mich an, mehrmals musste ich meine Geschichte erzählen. Und so vergingen die Tage. Meinen Bruder sah ich einige Male, wenn er Hofgang hatte. Vom Fenster aus unterhielten wir uns ein wenig. Ich machte Bekanntschaften mit einigen Häftlingen, mit manchen verstand ich mich besser, mit anderen wiederum weniger gut.

Das Wochenende brach schließlich an, und mit ihm die Besucherzeit. Diesmal klappte es auch bei mir und es war das erste Mal, dass meine Mutter, meine Zwillingsschwester, Cem und ich in einem Raum saßen. Es war ein emotionaler, aber auch freudiger Moment. „Hey Jungs, morgen wird es genau 1 Jahr her sein, seitdem ihr in Haft gekommen seid. Ihr habt es echt gut überstanden! Ich hoffe, in 4 Tagen können wir uns in Freiheit begegnen.“ Meine Schwester erinnerte mich daran, wie schnell und doch auch langsam die Zeit vergangen war. Ich erzählte von meiner neuen Tätigkeit als Reiniger, von den Lockerungen, die ich dadurch hatte und machte mich über Cem lustig: „Haha Cem, kein Wunder, dass Mama immer gesagt hat, dass es Dir schlechter geht als mir. Du siehst ja total müde aus, hast nicht geduscht, deine Haare sind zerzaust und du redest ja gar nichts.“ Er grinste nur: „Ja man, Du redest echt viel. Bei mir redet immer Mama. Wenn Papa da ist, antworte ich nicht mal.“ Meine Mutter hatte Freudentränen in den Augen, sie genoss es, ihre beiden Söhne gemeinsam zu sehen. Als sie sich verabschiedete, umarmte sie uns beide fest und sagte, wie sehr sie uns liebte: „Ich bete zu Allah, ich bete, dass ich beide meiner Söhne in 4 Tagen in Freiheit sehen darf. Meine starken, wundervollen Jungs. Ich liebe euch!“, rief sie und küsste uns auf die Wange. Als Cem und ich uns wieder in der Wartezelle befanden, übergab er mir seine Süßigkeiten: „Bruder hier, mir reicht der Tabak, ich mag keine Schokolade.“ Ich bedankte mich: „Cem, ich hoffe echt, dass wir beide rauskommen. Wenigstens du sollst aber rauskommen, für mich sieht das glaub schwieriger aus. Ich möchte Mama nicht mehr weinen sehen. Ich glaube, wir beide würden es verkraften, wenn wir nicht rauskämen. Aber Mama?“ Er bestätigte es mit einem Nicken, die Aufregung stieg von Minute zu Minute an. Der Countdown lief. Ich ging meinem Reinigerjob nach und plötzlich stand eine der berühmt – berüchtigten Sozialarbeiterinnen vor meiner Tür: „Herr Ates?“

Sie erzählte mir, dass sie wegen meines Antrags auf die Verlegung mit meinem Bruder in eine gemeinsame Zelle käme. Ich grinste bei dem hoffnungsvollen Gedanken, dass es klappen würde. „Wieso lachen Sie? Sind wir hier im Kindergarten? Sie haben als älterer Bruder einen schlechten Einfluss auf Ihren jüngeren Bruder!“ Sie fuhr mit irgendwelchen Anschuldigungen und Behauptungen fort, um dann zu dem Schluss zu kommen, dass wir beide nicht in eine gemeinsame Zelle dürfen. Mich überkam eine Welle von Hass. Wie konnte eine Sozialarbeiterin, ohne mich oder meinen Bruder zu kennen, die Beziehung zwischen uns beurteilen? „Ähm, Entschuldigung. Aber ich denke kaum, dass Sie eine Ahnung davon haben, welchen Einfluss ich auf meinen Bruder habe. Sie kennen uns doch nicht mal.“ Nach einer hitzigen Diskussion verließ sie meine Zelle. Ich hoffte einfach, dass Cem am Urteilstag rauskommen würde, damit mir eine weitere Diskussion mit der Dame erspart bleiben würde. Denn im worst – case Szenario bräuchte ich die Sozialarbeiterin noch, um meinen Plan, das Studium während der Haft wiederaufzunehmen, verfolgen zu können. Ich war nun ein Jahr in Haft. Angenommen, ich bekäme 3 Jahre: Aufgrund guter Führung würde ich sicherlich 2/3 – Strafe erhalten, was heißen würde, dass ich effektiv 2 Jahre würde absitzen müssen. Da ich allerdings bereits ein Jahr in Haft war, müsste ich nur noch 1 Jahr absitzen. Da wir uns im April befanden, würde das perfekt passen, das letzte halbe Jahr meiner Strafe in den offenen Vollzug zu gehen, damit ich dann hoffentlich mein lang ersehntes Studium beginnen konnte. Ob die Rechnung aufgehen würde, zeigte sich sehr bald. Doch bis dahin konnte ich nur weiterhin hoffen und hypothetische Rechnungen aufstellen.

Irgendwann war es dann so weit. Der Urteilstag stand an. Mein Bruder und ich wieder in schicken Klamotten gekleidet, saßen wir im Transportbus und redeten vor Nervosität kein einziges Wort. Ein Schaudern machte sich in meinem ganzen Körper breit, ich sah meinen Bruder an und wir grinsten nur. Am Landgericht Stuttgart angekommen begleiteten uns Beamte in den Gerichtssaal. „Endlich ist es so weit“, flüsterte ich meinem Bruder zu. Meine Eltern und meine Zwillingsschwester saßen ganz vorne im Zuschauerbereich. Ich lächelte sie an, sie lächelten zurück. Angekommen an meinem Platz, konnte ich mich nicht wirklich hinsetzen, da die Richter bereits eintraten. Meine Beine fühlten sich gelähmt an, mein Herz pochte, mir wurde heiß und mein Kopf juckte irgendwie. Als ich die Stimme der Staatsanwältin hörte, fing mein Herz an zu pochen, erst langsam, dann schneller, erst leise, dann lauter. Mein Herz fühlte sich an wie ein Stein, welcher viel zu schwer war. Meine Schweißperlen trockneten einfach nicht.

Wie lange hatte ich auf diese eine Passage gewartet…seit einem Jahr und drei Tagen…nur auf diese eine. Meine Hoffnung lebte aufgrund dieser Ungewissheit. Und meine Hoffnung, sie sank mit einem Mal ins Grab:

„Ich beantrage 4 Jahre Freiheitsstrafe für den Angeklagten Emre Ates.“

Mein Herz stand still, ich hörte nichts mehr, bis ein lautes Geräusch meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Das seltsame Geräusch, ich werde es niemals vergessen: Mein Vater, ob dieser Worte zutiefst schockiert, presste seine Hand fest auf den Mund. Das Gesicht meiner Mutter wollte ich nicht sehen. Die Staatsanwältin fuhr fort: „…3 Jahre Freiheitsstrafe für den Angeklagten Cem Ates…“ Mein Gesicht lief rot an und tausende Gedanken rasten durch meinen Kopf, die traurigen Seufzer aus dem Zuschauerraum waren nicht zu überhören. Adnan sollte 2 Jahre auf Bewährung bekommen. Genau das hätte ich mir eigentlich für Cem gewünscht. Meine Mutter weinte. Zwar traute ich mich nicht, sie anzublicken, doch es war deutlich zu hören. Ich war wie gelähmt, und plötzlich stieg die nackte Angst in mir hoch. Angst davor, Cem in die Augen zu schauen und Angst davor, ihn anzulügen, indem ich ihm mitteile, dass die Hoffnung noch nicht gestorben ist.

Ich hoffte einfach nur noch auf das Urteil.
 

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Wie ich einfach jeden Tag im Forum schaue ob in diesem Thread was neues gepostet ist, und mich dann immer wieder traurig meiner Arbeit zuwenden muss.... :)
 

BeSure

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Wie ich einfach jeden Tag im Forum schaue ob in diesem Thread was neues gepostet ist, und mich dann immer wieder traurig meiner Arbeit zuwenden muss.... :)


Mein Urteil ist so verdammt lang, ich kann mich nicht überwinden alles abzutippen :( Und dann sind es auch nur schlechte Fotoaufnahmen des Urteils von meiner Mutter, versendet über WhatsApp xD
 

Schrenk

Mit Glied

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@BeSure:

Das komplette Urteil wäre natürlich spannend. Ich würde an deiner Stelle alles schwärzen was du nicht in der Öffentlichkeit sehen willst und den Rest hochladen.. dagegen spricht wohl die schlechte Qualität.

Oder einfach das Urteil in deinen Worten wiedergeben.
 

BeSure

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@Schrenk:

Habe das Urteil in vier Teile gesplittet :P
Falls jemand ein Problem damit hat - die Idee kam von meiner Freundin hahaha

Kapitel 48 - Mein Urteil: Einleitung und persönliche Verhältnisse - Teil 1/3
Unsere Anwälte waren mit ihren Plädoyers an der Reihe.

Meine Anwältin machte den Anfang. Sie ging vor allem darauf ein, dass ich frühzeitig ein vollständiges Geständnis abgegeben hatte, die Ermittlungen somit vorangebracht und vor allem das TrueCrypt-Passwort genannt hatte. Sie erzählte auch von meinem Ziel, ein neues Studium aufzunehmen. Ein Strafmaß von 3 Jahren hielt meine Anwältin für angemessen. So würde ich die Möglichkeit haben, nach dem Sommer ein Studium im offenen Vollzug aufzunehmen. Ich war noch immer schockiert von den Forderungen der Staatsanwältin. Eigentlich hatte ich gehofft, dass sogar selbst ich auf Bewährung rauskommen würde. Cems Anwalt ging auf das junge Alter ein. Besondere Erwähnung fand der Fakt, dass Cem die mittlere Reife nachholen wolle. Cem, so sein Anwalt, sollte die bisherige Haftzeit genügt haben und somit sogar ohne Bewährung entlassen werden. Adnans Anwalt ging auf das erfolgreiche Studium von ihm ein, dass er nur zeitlich begrenzt mitgewirkt hatte, dass ich ihn überredet hatte mitzumachen, und allen voran das Geständnis von ihm, dass die Ermittlungen erheblich beschleunigt hatte. Er beantragte eine Geldstrafe.

Nach den Plädoyers teilte uns die Richterin noch mit, dass wir nicht als Bande verurteilt werden würden, und dass sie die etwa 800 Fälle auf 137 Fälle zusammengefasst hatten. Sie fragte noch, ob wir etwas Letztes sagen wollten, bevor das Urteil verkündet werden würde. Doch auch, wenn ich froh darüber war, dass wir nicht als Bande verurteilt werden würden, gingen mir die von meiner Anwältin genehmigten 3 Jahre bis hin zu den geforderten 4 Jahren Haftstrafe nicht aus dem Kopf. Ich musste mir eingestehen, dass ich tatsächlich gehofft hatte, heute Abend daheim zu essen – zusammen mit meiner Familie. Da war ich wohl zu optimistisch gewesen: „Es tut mir leid, was ich getan habe. Ich entschuldige mich bei allen Geschädigten.“

Mit diesen letzten Worten meinerseits wurden wir in die Mittagspause geschickt.

Cem und ich waren gemeinsam in einer Wartezelle, beide perplex und aufgewühlt. „Keine Sorge, Cem. Du kommst auf alle Fälle raus!“ Ich musste zugeben, dass ich selbst nicht dran glaubte. Trotzdem wollte ich noch hoffen. „Hör auf! Sag sowas nicht! Sei einfach leise.“ Meinem Bruder war wohl endlich der Ernst der Lage bewusst geworden. Ich spürte seine Anspannung. Doch ich versuchte, weiterhin optimistisch zu sein: „Das passt schon so. Ich beginne einfach nächstes Semester im offenen Vollzug mein Studium, das ist das Wichtigste für mich. Und Du kommst hundert pro raus, dann lässt Du erstmal die Sau raus und kannst dann mit der Realschule beginnen.“ Ich träumte vor mich hin und teilte mein Wunschdenken meinem Bruder mit, der so gar nicht begeistert von meinem Optimismus war. Als nach einer gefühlten halben Ewigkeit die Tür aufging und mein Herz zu rasen begann, wollte ich Cem noch ein letztes Mal alles Gute wünschen: „Cem, Du wirst rauskommen! Ich glaube fest daran! Aber bitte vergiss nicht, mich zu besuchen! Komm jede Woche – Du weißt, wie sehr man sich über Besuch freut. Du musst mir erzählen, was sich draußen verändert hat, einfach alles! Und erzähl mir, wie es sich anfühlt, frei zu sein!“ Mit diesen letzten Worten gingen wir in den Gerichtssaal, für ein allerletztes Mal. Cem war so angespannt, dass er auf meine letzten Worte nur mit der Andeutung eines Grinsens antwortete. Abermals glitten meine Blicke über meine angespannte Familie hinweg. Ich atmete tief ein: „Emre – Alles, was zählt, ist das Studium. Bei 3 Jahren Strafmaß bist Du deinem Traum zum Greifen nah!“ So, oder zumindest so ähnlich redete ich mir nochmals meinen Optimismus ein und versuchte, mich irgendwie zu entspannen. Selbst, wenn ich dies geschafft hätte, wäre der kleinste Funke von Entspannung sofort verflogen, sobald die Richter und Schöffen den Saal betraten und wir aufstanden – meinen Körper fühlte ich nicht mehr, ich war in einem Tunnelblick und schenkte der Richterin mein Gehör. Sie begann, das Urteil vorzulesen.

Sie leitete es mit folgenden Worten ein.

Einleitung

In der Zeit vom 27. Juli 2012 bis 24. Oktober 2012 schlossen sich die befreundeten Angeklagten Emre Ates und Adnan Polat zusammen, um aufgrund gemeinsamen Tatplanes auf arbeitsteilige Weise eine Vielzahl gleichartiger Computerbetrugstaten zu begehen. Unter einem Vorwand boten sie auf der Internetplattform www.mitfahrgelegenheit.de hochwertige Online-Bahntickets zu einem im Vergleich zum Originalpreis erheblich geringeren Preis – in der Regel 40 Euro pro Person und Fahrt – zum Verkauf an. Meldete sich ein Kaufinteressent, der die für die Bestellung erforderlichen Daten übermittelte, buchten sie in Ausführung ihres Tatplanes auf dem Online-Portal der Deutschen Bahn AG unter Verschleierung ihrer Identität die Tickets zum Original-Verkaufspreis. Für die jeweiligen Bezahlvorgänge bedienten sie sich, wie unter ihnen verabredet, Kreditkartendaten, die den berechtigten Karteninhabern auf nicht näher ermittelte Weise abhanden gekommen waren und die der Angeklagte Emre Ates zum Preis von etwa fünf bis zehn Euro pro Kreditkartendatensatz von bisher nicht näher bekannten Personen in einschlägigen Foren im Internet gekauft hatte. Nach Erhalt der Online-Tickets via E-Mail verschickten sie diese ebenfalls per E-Mail weiter an den jeweiligen Käufer, der den geforderten Kaufpreis auf ein eigens zu diesem Zweck erworbenes Konto – zunächst bei der Volksbank Kiel, dann auf ein Konto bei der Ziraat Bank – zu überweisen hatte. Die Konten bei der Volksbank Kiel eröffnet auf den Namen „Max Zierke“, und bei der Ziraat Bank, eröffnet auf die Falschpersonalien „Christopher Blake“ hatte der Angeklagte Emre Ates zu*vor ebenfalls von bisher nicht ermittelten Personen über einschlägige Foren im Internet gekauft. So begingen die Angeklagten Emre Ates und Adnan Polat in dieser Zeit 75 Computerbetrugstaten, denen eine weitaus höhere Zahl an Bestellungen gegenüber der Deutschen Bahn AG zugrundeliegt.

Nach der gleichen Methode begingen der Angeklagte Emre Ates und sein jüngerer Bruder, der Angeklagte Cem Ates, ab dem 05. November 2012 bis zum 04. April 2013 weitere 52 Computerbetrugstaten, denen ebenfalls eine weitaus höhere Zahl an Bestellungen gegenüber der Deutschen Bahn AG zugrundeliegt. In dieser Zeit hatten die Käufer den jeweiligen Kaufpreis zunächst weiterhin auf das Konto bei der Ziraat Bank zu überweisen. Anschließend, nach dem dieses von der Staatsanwaltschaft Hamburg geschlossen worden war, hatten die Käufer vorübergehend mittels Paysafe-Karten den Kaufpreis zu zahlen, da den beiden angeklagten vorübergehend kein Konto zur Verfügung gestanden hatte. Schließlich erwarb der Angeklagte Emre Ates ein weiteres, auf die Falschpersonalien „Enrico Monti“ eröffnetes Konto bei der Postbank Hamburg, auf das die Reisenden fortan den jeweiligen Kaufpreis zu zahlen hatten.

Der durch die den Angeklagten Emre Ates und Adnan Polat zuzurechnenden Taten 1. bis 75. entstandene Schaden beträgt 54.037,90 Euro. Durch die den Angeklagten Emre Ates und Cem Ates zuzurechnenden Taten 76. bis 137. entstand ein Schaden in Höhe von 67.970,10 Euro. Durch die taten 1. bis 137. entstand somit ein Gesamtschaden von insgesamt 122.008 Euro der in erster Linie bei der Deutschen Bahn AG angefallen ist, wobei in einzelnen wenigen, nicht näher konkretisierbaren Fällen die berechtigten Inhaber der unbefugt verwendeten Kreditkartendatensätze wegen nicht durchgeführter Rückabwicklung den finanziellen Nachteil erlitten haben, der dem Originalpreis des Tickets entspricht.

Die persönlichen Verhältnisse

1. Der heute 23 Jahre alte Angeklagte Emre Ates wurde am 01. Dezember 1991 in Niedernhall geboren. Gemeinsam mit seiner Zwillingsschwester, seinem jüngeren Bruder, dem jüngeren Bruder, dem Angeklagten Cem Ates, und seiner heute fünfjährigen Schwester wuchs er im Haushalt der Eltern in Stuttgart auf. Diese stammen aus der Türkei. Sie leben bereits seit Ende der 1980er Jahre im Bundesgebiet. Zunächst hatte der Angeklagte Emre Ates sowohl die deutsche als auch die türkische Staatsbürgerschaft inne, nun nur noch die türkische. Der Vater der beiden Angeklagten arbeitet seit vielen Jahren bei der Daimler AG und nebenbei als Kaufhausdetektiv. Außerdem erzielte er Einkünfte aus der Vermietung mehrerer Eigentumswohnungen. Die Mutter der Angeklagten ist Hausfrau. In der Familie wird deutsch und türkisch gesprochen. Die Kinder bevorzugen die deutsche Sprache, die Eltern die türkische. Der Angeklagte wurde altersentsprechend eingeschult, besuchte die Grundschule und wechselte anschließend gemeinsam mit seiner Zwillingsschwester an die Realschule. Schulischer Erfolg war ihm von Anfang an wichtig. Früh besuchte er auch regelmäßig die Moschee. Um sein Taschengeld aufzubessern, begann er bald aus eigenem Antrieb, Zeitungen auszutragen, in der siebten Klasse entdeckte der Angeklagte Emre Ates durch ein Schulprojekt erstmals sein Interesse für Computer. Am Ende des achten Schuljahres war der Angeklagte versetzungsgefährdet. Die familiäre Situation war in dieser Zeit angespannt: Die Beziehung der Eltern war belastet, von Scheidung war die Rede. Zu einer endgültigen Trennung kam es jedoch nicht. Dennoch litten die Geschwister unter der Situation. In dieser Zeit sah sich der Angeklagte Emre Ates auch verantwortlich für seinen jüngeren Bruder Cem Ates, den er rückblickend als „Rebellkind“ bezeichnet. Als der Angeklagte Emre Ates 16 Jahre alt war, arbeitete er in seiner Freizeit auf 400-Euro-Basis in einem Supermarkt. In dieser Zeit kam er erstmal in Kontakt mit Online-Sportwetten und erhoffte sich bald, auf dieser Weise große Gewinne erzielen zu können.
In der zehnten Klasse verbesserten sich die schulischen Leistungen des Angeklagten wieder. Er erreichte die mittlere Reife mit einem Notendurchschnitt von 2,3. Gleichwohl hatte er sich mehr erhofft.

Anschließend wechselte er an ein technisches Gymnasium, um – was sich seine Eltern immer für die Kinder erhofft hatten – die Hochschulreife zu erlangen. In dieser Zeit hatte der Angeklagte bereits erste Schulden durch Sportwetten angehäuft. Auf Druck seines Vaters, der sich wegen der finanziellen Schwierigkeiten seines Sohnes sorgte und diesen stets zum Sparen aufforderte, nahm der Angeklagte immer wieder Nebentätigkeiten an.

In der zwölften Klasse investierte der Angeklagte den durch die Nebentätigkeiten erlangten Lohn bereits regelmäßig in Online-Sportwetten. Sein Ziel war es, das Sportwetten-System zu überlisten, um höchstmöglichen finanziellen Profit daraus zu schlagen. Allmählich reifte in ihm zur Umsetzung seines Zieles eine Geschäftsidee. Gleichzeitig häufte er mehr und mehr Schulden an, für die in der Regel sein Vater aufkam. Schließlich brachte der Angeklagte andere dazu, mehrere tausend Euro in seine Geschäftsidee zu investiere. Sein Vorhaben blieb aber erfolglos. Stattdessen hatte er Schulden in Höhe von etwa 15.000 Euro angehäuft. Sein Vater kam auch für diese auf.

Im Sommer 2010 hatte der Angeklagte mit mäßigem Erfolg das Abitur erreicht: Sein Notendurchschnitt betrug 3,3.

Im Wintersemester 2010/2011 begann der Angeklagte Emre Ates an der Universität Stuttgart ein Informatik-Studium. Allerdings fiel es ihm schwer, sich einzuleben und Freunde unter seinen Kommilitonen zu finden. Er zog sich zurück und verbrachte seine Freizeit zunehmend mit seinem jüngeren Bruder Cem. Gleichzeitig beneidete er seine Zwillingsschwester, die ein Architekturstudium aufgenommen hatte, sich rasch an den Universitätsalltag gewöhnt und Freunde gefunden hatte.

Im April 2011 nahm der Angeklagte eine Nebentätigkeit in einem Kino auf und kam so in Kontakt mit Gleichaltrigen. Fortan verbrachte er zunehmend mit diesen seine Freizeit, woran er bald Gefallen fand. Im November 2011 beendete er die Nebentätigkeit aber wieder, da er sich damit – neben seinem Studium – überfordert fühlte. Auch seine Eltern sahen in der Nebentätigkeit ihres Sohnes den Grund für die sich allmählich häufenden Schwierigkeiten im Studium: Der Angeklagte hatte Schwierigkeiten, den Kursen inhaltlich zu folgen und nach wie vor kaum Kontakt zu Kommilitonen. So verlor er zunehmend das Interesse *an seinem Studium und besuchte nur noch selten die Kurse. Zum Ende des Wintersemesters 2011/2012 beendete er sein Studium schließlich.

Am 20. Oktober 2011 stand der Angeklagte erstmals vor Gericht. Das Amtsgericht Stuttgart sprach ihn wegen zwei Fällen des Computerbetruges im besonders schweren Fall schuldig und verhängte einen Freizeitarrest gegen ihn. Außerdem wies es ihn an, 80 Arbeitsstunden abzuleisten und seine Teilnahme an der Selbsthilfegruppe Spielabhängiger fortzusetzen.

Dem Urteil liegt Folgendes zugrunde:

Der Angeklagte nahm am 24. August 2011 per Internet Leistungen der Deutschen Telekom AG/TCOM, Geschäftseinheit T-Online im Wert von 1.941,79 Euro in Anspruch, für deren Bezahlung er ein Clickandbuy-Konto angab. Dieses Clickandbuy-Konto hatte er unter Angabe seines richtigen Namens, eines falschen Geburtsdatums, der mit Ausnahme der Hausnummer richtigen Adresse und Angabe des Namens und der Kontoverbindung des Anzeigeerstatters angelegt. Er handelte dabei in der Absicht, die in Anspruch genommenen Leistungen nicht zu bezahlen. Der Kontoinhaber widerrief die Abbuchung vom 24. August 2011 in Höhe von 1.941,79 Euro von seinem Konto durch die Clickandbuy-KontoInternational Ldt., Lincols House, 137-143 Hammersmith Road, London, W140QL, GB. Somit entstand ein Schaden in entsprechender Höhe zum Nachteil der Clickandbuy bzw. der Deutschen Telekom AG.

Der Angeklagte bestellte im Januar 2011 per Internet bei der Deutschen Telekom AG, t-online.de Shop, T-Online-Allee 1, 64295 Darmstadt, ein Apple MacBook Pro i5, einen Acer Photo Frame und einen Acer LED-Bildschirm im Gesamtwert von 1.892,90 Euro inklusive Versandkosten. Er zahlte über das Unternehmen Clickandbuy International Ldt., Lincols House, 137-143 Hammersmith Road, London, GB, und gab hierfür unberechtigt die Bankverbindung eines anderen sowie eine fiktive Adresse an, in der Absicht, die Waren nicht zu bezahlen. Die Waren wurden am 12. Januar 2011 per DHL an den Angeklagten ausgeliefert. Die Abbuchung von Clickandbuy wurde durch den Kontoinhaber storniert. Es entstand ein Schaden in Höhe von 1.907,90 Euro (inklusive Rücklastschriftgebühren) zum Nachteil der Clickandbuy International Ltd.

Der Angeklagte handelte bei beiden Taten jeweils in der Absicht, sich durch wiederholte Tatbegehungen eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer zu verschaffen und eigene Aufwendungen hierdurch zu ersparen.

Der Freizeitarrest wurde am 07. Und 08. Januar 2012 gegen den Angeklagten vollstreckt. Die Arbeitsstunden hat er erledigt. Beratungsgespräche bei der Selbsthilfegruppe Spielabhängiger nahm er im Laufe des Jahres 2012 aber* nur schleppend und wenige wahr. Nach mehreren Ermahnungen nahm er im März 2013 noch an zwei Terminen teil, den für Ende April 2013 vereinbarten Termin konnte er aber wegen seiner Inhaftierung im vorliegenden Verfahren nicht mehr wahrnehmen. Am 09. Juli 2013 hob deshalb das Amtsgericht Stuttgart die Weisung zur Fortsetzung der Teilnahme an der Selbsthilfegruppe Spielabhängiger aus dem Beschluss vom 20. Oktober 2011 auf. Das Urteil vom 20. Oktober 2011 ist damit erledigt.

Danach schloss der Angeklagte zwar noch gelegentlich Online-Sportwetten ab. Exzessiv spielte er jedoch nicht.

Spätestens im Frühjahr 2012 stieß der Angeklagte im Internet auf das den Taten der vorliegenden Verurteilung zugrundeliegende Geschäftsmodell.

Ab März 2012 half der Angeklagte seinem Vater bei der Renovierung einer Eigentumswohnung, auch weil er sich diesem verpflichtet fühlte, da dieser seine Schulden beglichen hatte.

Mit Strafbefehl vom 08. Mai 2012 verurteilte das Amtsgericht Böblingen den Angeklagten wegen Betruges zu der Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 15 Euro. Diese Verurteilung ist erledigt.
Dem Strafbefehl liegt Folgendes zugrunde:

Am 13.01.2012 verkaufte Emre Ates unter den Falschpersonalien „Mark Messerschmied“ unter Vortäuschung seiner Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit an einen anderen über eine Kleinanzeige Ebay ein Macbook Pro 15 zum Preis von 700 Euro. Gemäß der Vereinbarung überwies der Käufer den Betrag auf sein Konto am 14.01.2012, wo der Betrag auch gutgeschrieben wurde. Entsprechend seiner vorgefassten Absicht lieferte er die im Vertrauen auf seine Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit bezahlte Ware nicht. Dem Käufer entstand hierdurch ein entsprechender Schaden. Erst nachdem der Geschädigte Anzeige erstattet hatte, überwies der Angeklagte im März 2012 750 Euro an diesen.

Nachdem sein Bruder Cem am 10. Juli 2013 zu einem längeren Urlaubsaufenthalt bei Verwandten in die Türkei aufgebrochen war, verbrachte der Angeklagte Emre Ates den Sommer alleine mit seinem Vater in Stuttgart, nachdem auch seine Mutter und die jüngere Schwester dem Bruder in die Türkei gefolgt waren und die Zwillingsschwester ausgezogen war. Vater und Sohn fanden – nachdem das Verhältnis zwischen ihnen wegen der stets schlechten finanziellen Situation des Angeklagten angespannt gewesen war – wieder mehr zueinander.

Am 17. Juli 2012 begann der Angeklagte eine Ferientätigkeit bei der Daimler AG. Er arbeitete im Bereich der Produktion in Schichtbetrieb. Es handelte sich um eine Akkordtätigkeit.

In dieser Zeit von 27. Juli 2012 bis 04. April 2013 beging der Angeklagte Emre Ates die dem Urteil zugrundeliegenden Taten.

Am 22. August 2012 fand im Elternhaus eine Durchsuchung durch Kräfte der Bundespolizei Kassel wegen gleichartiger Tatvorwürfe im Rahmen eines weiteren unter anderem gegen die Brüder Ates geführten Ermittlungsverfahrens statt. Die Beziehung zwischen Vater und Sohn wurde dadurch erneut belastet.

Am 07. September 2012 endete die Ferientätigkeit des Angeklagten. Am 10. September 2012 reiste er – wie schon zuvor seine Mutter und die beiden Geschwister – in die Türkei. Der Urlaubsaufenthalt dauerte bis 24. September an.

Nach seiner Rückkehr nahm der Angeklagte erneut ein Informatik-Studium – nun an der Hochschule Esslingen – auf. Gegen den Willen des Vaters zog der Angeklagte in der Zeit von 01. Bis 15. Oktober 2012 in eine Wohnung in Esslingen, für die er fortan 400 Euro Miete zu zahlen hatte. Sein Vater lehnte jede weitere finanzielle Unterstützung ab. Ein Auto stellte er ihm aber noch zur Verfügung.

Nur für wenige Tage hatte der Angeklagte die Kurse an der Hochschule besucht. Nachdem es Schwierigkeiten bei der Bewilligung von Bafög gab und sich der Angeklagte sehr um seine finanzielle Situation sorgte, nahm er schließlich ein Angebot der Daimler AG für ein Langzeitpraktikum, das am 15. Oktober 2012 begann, auf. Er versuchte das erste Semester auf diesem Wege als Praxissemester anzuerkennen. Fortan arbeitete er Vollzeit und erhielt monatlich einen Bruttobetrag von 750 Euro, was zu einem Praktikantengehalt von 400 Euro netto führte. Außerdem war ihm ein Studienkredit bewilligt worden, sodass ihm ein weiterer Betrag von monatlich 650 Euro zur Verfügung stand.

Allmählich geriet er mit seiner Miete in Rückstand, da es ihm nicht gelang, mit den ihm zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln zurecht zu kommen. Der Angeklagte vermisste in dieser Zeit den persönlichen Kontakt zu seiner Familie. Es fiel ihm erneut schwer, Kontakte im Kollegenkreis zu knüpfen.

Zum 15. Januar 2013 beendete er das Praktikum bei der Daimler AG. Bald fand er Kontakt zu einer Lerngruppe an der Hochschule und nahm motiviert das Studium auf. Es gelang ihm aber nicht mehr, zu den Prüfungen im Januar 2013 zugelassen zu werden, dennoch setzte er sein Studium fort. Anträge auf Bewilligung von BAföG, die er gestellt hatte, wurden in dieser Zeit abgelehnt. Gleichzeitig bemühte er sich erfolglos um eine Nebentätigkeit.

Am 05. April 2013 wurde der Angeklagte gemeinsam mit seinem Bruder vorläufig festgenommen. Er befindet sich seit diesem Tag zunächst aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Esslingen vom selben Tag, seit 17. September 2013 auch aufgrund des erweiterten Haftbefehls desselben Gerichts vom 12. September 2013 ununterbrochen in Untersuchungshaft. Am 16. Dezember 2013 erließ die Kammer Haftbefehl gegen den Angeklagten im Umfang der Anklage und setzte diesen in Vollzug.

Die Familie des Angeklagten steht auch in der Haft zu ihm. Seit Sommer 2013 arbeitet er in der Haft als Reiniger.

Weitere gegen den Angeklagten gerichtete Ermittlungsverfahren mit gleichgelagerten Vorwürfen sind bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart anhängig.

2. Der heute 19 Jahre alte Angeklagte Cem Ates wurde am 14. Februar 1995 in Niedernhall geboren. Er ist sowohl türkischer als auch deutscher Staatsangehöriger. Gemeinsam mit seinem älteren Bruder, dem Angeklagten Emre Ates und den weiteren Geschwistern wuchs er bei den Eltern auf. Nach dem Besuch des Kindergartens wurde der Angeklagte altersentsprechend eingeschult. Er besuchte die Grundschule und wechselte anschließend auf die Hauptschule. Im Jahre 2011 erreichte er den Hauptschulabschluss mit einem Notendurchschnitt von 3,0. Im Anschluss daran besucht er bis Sommer 2012 ein Berufseinstiegsjahr. Da er sich unterfordert fühlte und schließlich mit Hilfe seines älteren Bruders einen Schulplatz an einer Werkrealschule fand, die er von Herbst 2012 an besuchen wollte, um seine mittlere Reife zu erreichen, brach er das Berufseinstiegsjahr noch vor Beginn der Sommerferien ab und reiste am 10. Juli 2012 in die Türkei zu seinen Verwandten. Die familiäre Situation empfand der Angeklagte in dieser Zeit als angespannt. Das Verhältnis des Angeklagten zu seinen Eltern, die sehr viel Wert auf die Schul- und Berufsausbildung ihrer Kinder legen, beschreibt der Angeklagte, der sich stets dem Vergleich mit seinen älteren Geschwistern stellen musste, bis heute als belastet. Seinen Vater erlebte er als streng. Taschengeld erhielt er von seiner Mutter. Der Angeklagte kehrte erst am 13. September 2012 nach Deutschland zurück. Das neue Schuljahr hatte bereits begonnen. Er besuchte fortan nur unregelmäßig den Unterricht der Werkrealschule. Bald häuften sich seine Fehlzeiten. Seine schulischen Leistungen verschlechterten sich.Wegen hin und wieder auftretender Stimmungsschwankungen nahm der Angeklagte auf Betreiben seiner Mutter, die sich um ihren Sohn sorgte, einen Termin bei einem Psychologen wahr, weitere Beratungsgespräche lehnte der Angeklagte jedoch ab.
In dieser Zeit ging er gerne mit seinen Freunden aus, konsumierte mit diesen Alkohol und besuchte Diskotheken. Nachdem sein Bruder Emre nach Esslingen gezogen war, verbrachte er auch dort häufig seine Freizeit. Dem erzieherischen Einfluss seiner Eltern war er weitgehend entglitten.

In der Zeit von 05. November 2012 bis 04. April 2013 beging der Angeklagte die seiner Verurteilung zugrundeliegenden Taten.

Der Angeklagte wurde am 05. April 2013 gemeinsam mit seinem Bruder vorläufig festgenommen. Er befand sich seit diesem Tag zunächst aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Esslingen vom selben Tag, seit 17. September 2013 auch aufgrund des erweiterten Haftbefehls desselben Gerichts vom 12. September 2013 ununterbrochen in Untersuchungshaft. Am 16. Dezember 2013 erließ die Kammer Haftbefehl gegen den Angeklagten im Umfang der Anklage und setzte diesen in Vollzug.

In der Haftzeit half der Angeklagte hin und wieder den Reinigern und lernte für die mittlere Reife. Seine Familie stand zu ihm und besuchte ihn regelmäßig.

Am 08. April 2014 hob die Kammer den Haftbefehl gegen den Angeklagten Cem Ates.

Der Angeklagte hat weiterhin vor, die Schule zu besuchen und die mittlere Reife zu erreichen. Gegebenenfalls möchte er anschließend eine Ausbildung absolvieren oder Wirtschaftsinformatik studieren.

Strafrechtlich ist der Angeklagte bisher nicht in Erscheinung getreten. Weitere Ermittlungsverfahren mit gleichgelagerten Vorwürfen sind bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart anhängig.

3. Der heute 21 Jahre alte Angeklagte Adnan Polat wurde am 08.08.1992 in Niedernhall geboren. Er ist türkischer Staatsangehöriger. Der Angeklagte wuchs als jüngstes von sieben Kindern im Haushalt der Eltern in Niedernhall auf. Der Vater des Angeklagten ist Rentner, arbeitet aber noch als Hausmeister. Die Mutter des Angeklagten ist Hausfrau. Der Angeklagte wurde nach dem Besuch des Kindergartens altersentsprechend eingeschult, besuchte die örtliche Grundschule und anschließend die Hauptschule, die er im Jahr 2007 mit dem Hauptschulabschluss beendete. Im Anschluss daran absolvierte er die zweijährige Berufsfachschule, die er im Jahr 2009 mit der mittleren Reife abschloss. Im September desselben Jahres begann er eine Ausbildung zum IT-Systemkaufmann. Am 12. Juli 2012 beendete er diese regulär, allerdings mit mäßigem Erfolg. In der Zeit von 27. Juli bis 24. Oktober 2012 beging der Angeklagte die seiner Verurteilung zugrundeliegenden Taten. Ab dem Schuljahr 2012/2013 besuchte der Angeklagte das einjährige Berufskolleg mit dem Ziel, die Fachhochschulreife zu erreichen. Dies gelang ihm im Juli 2013 mit einem Notendurchschnitt von 2,6.Am 06. August 2013 wurde der Angeklagte vorläufig festgenommen, nachdem er an diesem Tag von einem Kuraufenthalt zurückgekehrt war. Am 07. August 2013 erließ das Amtsgericht Stuttgart, nachdem sich der Angeklagte gegenüber Beamten der Bundespolizei zur Sache eingelassen hatte, Haftbefehl gegen ihn und setzte diesen in Vollzug. Der Haftbefehl erging zwar unter dem bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart bis heute anhängigen Ermittlungsverfahren mit dem Aktenzeichen 171 Js XXXXX/12. Ihm liegen jedoch die in diesem Verfahren zur Aburteilung gekommen Vorwürfe zu Grunde.
Auf die Beschwerde des Angeklagten vom 08. August 2013 setzte das Landgericht am 14. August 2013 den Haftbefehl gegen Auflagen und Weisungen außer Vollzug. Am selben Tag wurde der Angeklagte aus der Untersuchungshaft entlassen.

Am 18. März 2014 hob das Amtsgericht Stuttgart auf Antrag der Staatsanwaltschaft den Haftbefehl vom 07. August 2013 auf.

Seit Oktober 2013 studiert der Angeklagte an der Hochschule für Medien in Stuttgart. Er belegt den Studiengang „Wirtschaftsinformatik und digitale Medien“. Derzeit ist er im zweiten Semester. Er erhält monatliche BAföG-Leistungen in Höhe von etwa 400 Euro. Schulden hat der Angeklagte nicht. Für die Zukunft hat er fest vor, sein Studium erfolgreich zu beenden.

Als einziges der sieben Kinder lebt der Angeklagte nach wie vor im Elternhaus. Pläne, auszuziehen und einen eigenen Haushalt zu gründen, hat er nicht. Als jüngstes Kind fühlt er sich seinen gesundheitlich angeschlagenen Eltern gegenüber verantwortlich. Das Verhältnis zu ihnen beschreibt er als sehr gut.

Strafrechtlich ist der Angeklagte bisher nicht in Erscheinung getreten.“


Mein Körper schwitzte in seiner Gesamtheit. Tausende Bilder schossen mir vor das geistige Auge, als die hauptvorsitzende Richterin von meinem Leben erzählte. Mir wurde dabei so heiß im Gesicht – ich lief so rot an wie wahrscheinlich noch nie zuvor. Doch vor allem bereitete mir eine Sache die meisten Sorgen: Meinen Mithäftlingen hatte ich bisher immer mitgeteilt, dass ich Ersttäter war.

Ich hatte gelogen, und nun wurde ich mit meiner Lüge konfrontiert.

Das Schlimmste daran war, dass ich sogar angefangen hatte, an meine eigene Lüge zu glauben – Ich war förmlich schockiert, als die Richterin von meinen Vorstrafen berichtete. Ob die zwei Vorstrafen sich stark auf mein Strafmaß auswirken würden? War die Forderung der Staatsanwältin mit den 4 Jahren doch berechtigt?

Ich fürchtete, ja.
 

Trolling Stone

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Muss ich einen Scherz erklären, warum er so gestaltet wurde? Okay.

"Sie hat ihre Kraft nicht unter Kontrolle": Damit meine ich, dass sie ihren Einfluss auf dich verwendet hat, um uns zu ärgern. :dozey: Sie hat Macht über dich. "Kraft" als Synonym. Und dann habe ich natürlich die New Kids reminisziert. Den Sketch mit dem verrückten Mungo.

Was das nun mit dem Paarungsverhalten von uns Trollen zu tun hat, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Aber ja, eine Paarung ohne mindestens drei blaue Flecken gilt als langweilig.
 

Metal_Warrior

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@Trolling Stone: Mal etwas Nachhilfe:
It used to be that troll courtship consisted of a male troll asking a father's permission to hit the female on the head with a nice rock, then, after the female had recovered from her mild concussion, and approved the rock, they would enjoy a nice candle-lit human for two (although that's not done anymore, at least if there's any chance of getting caught), and then for the rest of her life, the female troll will be home subduing whatever prey that the male brings home for dinner.
 

Schrenk

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Boah ist das viel zu lesen. So detailliert hätte ich meine personenbezogenen Daten nicht reingestellt. Aber mega interessant
 

T_Low_Benz

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Endlich geht's weiter. Aber deine Freundin hat sich hier keine Freunde gemacht :D
 

Schrenk

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Dann will ich nichts gesagt haben.. nur immer diese Cliffhanger :beer:
 

BeSure

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Diesmal hauptsächlich fleißige Abtipp-Arbeit (muss meiner Mutter unbedingt beibringen, wie man Fotos von Dokumenten schießt, meine Augen tun so weh) ... bei der Länge ist es echt kein Wunder, dass ich das splitten sollte. Habe es aber von 4 Teilen auf 3 Teile geändert.

Kapitel 49 - Mein Urteil: Die Taten und Beweiswürdigung - Teil 2/3
NGB-SPLIT 1/2

Die Richterin fuhr fort:

„Die Taten

Spätestens ab 27. Juli 2012 kamen die befreundeten Emre Ates und Adnan Polat aufgrund gemeinsam gefassten, auf arbeitsteilige Begehungsweise gerichteten Tatentschluss überein, Computerbetrugstaten mittels Internet zum Nachteil der Deutschen Bahn AG zu begehen, während der Angeklagte Cem Ates von den gemeinschaftlich begangenen Taten der beiden Mitangeklagten keine Kenntnis hatte. Hierzu kam es wie folgt:

Der Angeklagte Emre Ates hatte bereits im Jahr 2012 nicht unerhebliche finanzielle Probleme. Immer wieder hatte der junge Mann, der sich seit langem für Computer, aber auch für Online-Sportwetten interessierte, versucht, das Glücksspiel-System zu überlisten, um hohe Gewinne zu erlangen. Er hatte sogar eine dementsprechende Geschäftsidee entwickelt und Privatpersonen gewinnen können, die vierstellige Beiträge investierten. Der Angeklagte hatte jedoch keinen Erfolg. Die Schulden, die er auf diese Weise angehäuft hatte, beglich sein Vater.

Spätestens im Frühjahr 2012 hatte sich der Angeklagte Emre Ates erstmals in „schwarzen“ Foren im Internet, in denen sich in der Regel Internetnutzer, die ihre Identität durch Verwendung frei erfundener Kurznamen verschleiern, über Möglichkeiten, auf betrügerische Weise via Internet an Geld zu gelangen, austauschen, über die unbefugte Verwendung fremder Kreditkartendaten sog. „carding“, kundig gemacht, um seine finanzielle Situation zu verbessern. Gleichzeitig stieß der Angeklagte Emre Ates auf „Bankdrops“, die ebenfalls in derartigen Foren zum Verkauf angeboten wurden. Dabei handelte es sich, wie er erfuhr, um mit Personalien fremder oder tatsächlich nicht existenter Personen eröffnete Girokonten. Beides weckte sein Interesse. Nachdem er im Juni oder Juli 2012 ein erstes solches bei der Deutschen Bank mit den Falschpersonalien „Massimo Maresi“ eröffnetes Konto zum Preis von 1.000 oder 1.500 Euro erworben hatte, kam er wiederum über das Internet in Kontakt mit einem ihm persönlich nicht bekannten Türken namens „Ibrahim“ aus Bursa, der ihm zum Preis von 150 Euro eine Geschäftsidee – den späteren Modus Operandi – verkaufte, mit der er das Konto bis Juni oder Juli 2012 „befüllte“. Von dieser Geschäftsidee, Bahntickets mit rechtswidrig erlangten Kreditkartendaten auf dem Online-Portal der Deutschen Bahn AG zu bestellen und diese zu einem im Vergleich zum Originalpreis erheblich geringeren Kaufpreis an gutgläubige Interessen zu veräußern, und dem zu diesem Zweck erworbenen Konto bei der Deutschen Bank, auf das der jeweilige Kaufpreis durch die Käufer gezahlt werden sollte, erfuhr auch bald der Angeklagte Cem Ates.

Der Vorwurf des Computerbetrugs betreffend Vorgänge um das Konto „Massi Maresi“ ist im Teil des Ermittlungsverfahrens „Italia“, das bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart unter dem Aktenzeichen 171 Js XYZ bis heute anhängig ist.

Der Angeklagte Emre Ates erklärte und zeigte seinem interessierten und neugierigen Bruder Cem bald jeden Arbeitsschritt, sodass auch dieser bald in der Lage war, mitzuwirken, wofür letzterer von seinem älteren Bruder auch entlohnt wurde. Nach einigen Wochen glaubte der Angeklagte Cem Ates, die Geschäftsidee zu durchschauen und sämtliche Arbeitsschritte eigenmächtig durchführen zu können. Er wollte es seinem Bruder gleichtun und eigenständig damit Geld verdienen. Der Angeklagte Emre Ates stellte seinen jüngeren Bruder aber zur Rede. Es kam zum vorübergehenden Zerwürfnis der Brüder, woraufhin der Angeklagte Cem Ates trotzig immer wieder Andeutungen über die Tätigkeiten seines Bruders gegenüber der Mutter machte.

Am 10. Juli 2012 reiste der Angeklagte Cem Ates zu Verwandten in die Türkei und kehrte erst am 13. September 2012 wieder nach Deutschland zurück. In dieser Zeit soll er mit einer Person namens „dark“ vergleichbare Straftaten begangen haben. Er stellte in dieser Zeit Angebote für verbilligte Fahrkarten auf dem Portal ein. Dieser Vorwurf ist Teil eines weiteren, bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart unter dem Aktenzeichen 171 Js ZYX geführten, noch anhängigen Ermittlungsverfahren („MFZ“).

Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt, jedenfalls vor dem 27. Juli 2012, erwarb der Angeklagte Emre Ates in einem einschlägigen Forum im Internet ein weiteres, nun auf den Namen „Max Zierke“ eröffnetes Girokonto bei der Volksbank Kiel zum Preis von 1.500 Euro. Auf das Konto bei der Deutschen Bank hatte er zu diesem Zeitpunkt keinen Zugriff mehr. Der Angeklagte Cem Ates hatte von dem Konto bei der Volksbank Kiel keine Kenntnis.

Stattdessen kam es zur Zusammenarbeite zwischen den Angeklagten Emre Ates und Adnan Polat. Um dieses Konto zu „befüllen“ gingen die beiden Freunde ab 27. Juli 2012 aufgrund gemeinsamen Tatplanes wie folgt vor, während sie vor dem Angeklagten Cem Ates ihre Zusammenarbeit verheimlichten.

Über das Internetforum www.mitfahrgelegenheit.de boten die Angeklagten Emre Ates und Adnan Polat in arbeitsteiliger Vorgehensweise Bahntickets der Deutschen Bahn AG für verschiedene Fahrstrecken unter einer vom Angeklagten Emre Ates erstellten Legende zum Verkauf an. Die Online-Tickets boten sie in der Regel zu einem Preis von 40 Euro pro Person und Strecke an, während der tatsächliche Kaufpreis für die Fahrkarten in der Regel deutlich darüber lag, um das vorgeschobene Motiv des Fahrkartenverkaufs, der Schwager arbeite bei der Bahn und habe überzählige Tickets, plausibel erscheinen zu lassen.
Für die Kontaktaufnahme mit dem jeweiligen Käufer gaben sie jeweils bei Internetserviceprovidern angelegte E-Mail-Adressen an, die erfundene Namensbestandteile enthielten. Meldete sich ein Kaufinteressent, wurde dieser gebeten, alle zur Online-Ticketbestellung notwendigen Daten, unter anderen die letzten vier Ziffern der Personalausweisnummer anzugeben. Der Angeklagte Emre Ates verwendete überdies zeitweilig ein Formular, das er den Kaufinteressenten übermittelte, damit diese dort die erforderlichen Daten in übersichtlicher Art und Weise eintragen und an ihn zurücksenden konnten. Dieses Formular hatte der Angeklagte Cem Ates jedenfalls vor dem 27. Juli 2012 erstellt und seinem Bruder zur Verfügung gestellt. Der reisende konnte sich während der Fahrt bei einer Fahrkartenkontrolle im Zug lediglich mit seinem Personalausweis als berechtigter Inhaber des Onlinetickets, auf dem lediglich die angegebenen letzten vier Ziffern der Personalausweisnummer und der Original-Verkaufspreis genannt war, ausweisen. Die Kreditkarte, mit der das Ticket bezahlt wurde, musste dieser nicht vorlegen. Wenn der Kaufinteressent die erforderlichen Daten übermittelt hatte, bestellte einer der beiden Angeklagten über das Internetportal der Deutschen Bahn AG unter Verwendung derselben E-Mail-Adresse, die sie bereits bei www.mitfahrgelgenheit.de angegeben hatten, das entsprechende Ticket bei der Deutschen Bahn AG. In die Buchungsmaske gaben sie frei erfundene Postadressen ein. Diese waren zwar auf dem späteren Online-Ticket nicht zu sehen, die Eingabe einer Postadresse aber vor der Buchungsmaske gefordert. Zur Bezahlung der Tickets verwendeten sie widerrechtlich Kreditkartendaten fremder Personen. Diese Kreditkartendaten hatte der Angeklagte Emre Ates zuvor über „schwarze Foren“ wie cardarcc.cc über die ausgespähte Datensätze gehandelt werden, zum Preis von etwa fünf bis zehn Euro pro Kreditkartendatensatz erworben.
Die Angeklagten handelten in der Absicht, durch die Fahrkartenbestellungen die Online-Tickets zu erhalten. An die vorab gefundenen Käufer leiteten sie diese anschließend zur Erfüllung des Verkaufs der Fahrkarten zu einem Bruchteil des tatsächlichen Werts des Tickets weiter.

Die Angeklagten handelten auch in dem Wissen und Wollen, dass über die Webseite der Deutschen Bahn AG nach Eingabe aller Daten – und rascher Prüfung der Bonität der betreffenden Kreditkartendaten – automatisiert das Online-Ticket versendet würde und ab diesem Zeitpunkt auch einsatzbereit wäre, ohne dass die deutsche Bahn AG hierfür die entsprechende Zahlung erhalten würde, da diese zurückgebucht wird oder nur deshalb eine Rückbuchung nicht erfolgt, weil der betroffene Inhaber des Kreditkartenkontos die unrechtmäßige Abbuchung nicht bemerkt. Einen Kreditkartendatensatz verwendeten sie regelmäßig so lange, bis die jeweilige Buchung vom System abgewiesen wurde. Die Käufer der ab 27. Juli 2012 bestellten Tickets wurden angewiesen, den Kaufpreis auf das auf „Max Zierke“ eröffneten Kontos bei der Volksbank Kiel zu überweisen und diese auf diese Weise zu „befüllen“.

Zu der Beteiligung des Adnan Polat war es wie folgt gekommen:
Adnan Polat war den Brüdern Emre und Cem Ates, die er bereits seit seiner Kindheit kannte, zu denen er aber lange Zeit keinen Kontakt hatte, im Frühjahr 2012 bei einem Besuch der Moschee begegnet. In der Folgezeit hatten sich die drei jungen Männer immer wieder in ihrer Freizeit getroffen. Die Freundschaft zwischen den Angeklagten Adnan Polat und Emre Ates lebte rasch wieder auf, während das Verhältnis zwischen dem Angeklagten Adnan Polat und dem Angeklagten Cem Ates aus nicht näher feststellbaren Gründen lose und insbesondere von Seiten des Angeklagten Cem Ates distanzierter blieb.

Nach und nach hatte der Angeklagte Adnan Polat gleichwohl von beiden Brüdern von der lukrativen „Geschäftsidee“, die diese begeisterte, erfahren. Im Juni 2012 hatten die beiden Brüder dem Angeklagten Adnan Polat an dessen Laptop schließlich gezeigt, wie die Bestellungen auf dem Online-Portal der Deutschen Bahn AG getätigt werden.

Nachdem der Angeklagte Cem Ates am 10. Juli 2012 für einen Urlaubsaufenthalt in die Türkei aufgebrochen war und der Angeklagte Adnan Polat am 12. Juli 2012 eine Ausbildung beendet hatte, war es dem Angeklagten Emre Ates gelungen, seinen Freund Adnan Polat davon zu überzeugen, fortan gemeinsam vorzugehen. Der Angeklagte Emre Ates hatte den Angeklagten Adnan Polat – der sich zu diesem Zeitpunkt zwar wünschte, die weiterführende Schule besuchen zu können, um die Fachhochschulreife zu erreichen, sich gleichzeitig aber um seine finanzielle Situation sorge, da er dann ohne Einkommen gewesen wäre – in dessen Vorhaben bestärkt, indem er diesem zugesichert hatte, ihn finanziell nicht unerheblich zu unterstützen, wenn er sich an den Taten beteiligte.

So waren die beiden Angeklagten – beide begeistert von der Möglichkeit, sich künftig für einige Zeit ein nennenswertes zusätzliches Einkommen zu verschaffen – bald übereingekommen, fortan aufgrund ihres gemeinsamen Tatplanes vorzugehen. Der Angeklagte Emre Ates hatte seinen Freund Adnan Polat in die Details der Methode eingeführt und ihm die einzelnen Arbeitsschritte erklärt, bis dieser in der Lage war, jeden einzelnen eigenständig auszuführen. Jedenfalls noch vor dem 27. Juli 2012 hatte der Angeklagte Emre Ates den Laptop Netbook des Angeklagten Adnan Polat mit sämtlichen für die Einstellung von Angeboten und Bestellung von Tickets erforderlichen Programmen ausgestattet und darauf Kreditkartendatensätze gespeichert, sodass der Angeklagte Adnan Polat in der Folgezeit, wie mit dem Angeklagten Emre Ates vereinbart auf arbeitsteilige Weise Angebote einstellen und Online-Tickets buchen konnte. In Ausführung ihres Tatplanes nahmen beide in der Zeit vom 27. Juli 2012 bis 24. Oktober 2012 nach der dargelegten Methode eine Vielzahl von Angebotseinstellungen und Ticketbestellungen vor. Hierfür verwendeten sie überwiegend den Laptop Netbook des Angeklagten Adnan Polat. Jeder der beiden nahm die drei zentralen Aufgaben der Einstellung der Fahrkartenangebote bei www.mitfahrgelgenheit.de, der Kommunikation mit den Reisenden und die Bestellungen der Fahrkarten auf dem Online-Portal der Deutschen Bahn AG wahr. Der Angeklagte Emre Ates hatte das Konto bei der Volksbank Kiel beschafft und war zuständig für die Beschaffung von Kreditkartendatensätzen in einschlägigen Internetforen, stellte die hierfür erforderlichen Kontakte her und pflegte diese via ICQ-Chat, wofür er auch den PC Tower Medion und den Laptop IBM Thinkpad verwendete, die ihm im Elternhaus zur Verfügung standen. Jeder der beiden Angeklagten hatte eine eigene ICQ-Kennung, der Angeklagte Emre Ates auch mehrere. In Absprache mit dem Angeklagten Emre Ates pflegte auch der Angeklagte Adnan Polat mittels ICQ-Chat die hergestellten Kontakte oder reklamierte unbrauchbare Kreditkartendatensätze.

In Ausführung ihres gemeinsam gefassten Tatentschlusses kam es ab 27. Juli 2012 bis 02. August 2012 zu folgenden, auf arbeitsteilige Weise begangenen Taten der Angeklagten Emre Ates und Adnan Polat.
Dabei wurde der jeweilige Bestellvorgang mit der im Folgenden genannten Online-Ticket-Nummer – sog. OLT – und der aufgeführten Kreditkartennummer zu den genannten Zeiten durchgeführt, wobei der aufgeführte Betrag – der Original-Verkaufspreis des jeweiligen Tickets – auf das angegebene Konto der Bahn gezahlt wurde. Die Tickets waren jeweils ausgestellt auf den genannten Reisenden, der die aufgeführte Route zu dem im folgenden genannten Datum antreten konnte. Die genannte E-Mail-Adresse fand Verwendung bei dem jeweiligen Bestellvorgang auf dem Online-Portal der Deutschen Bahn AG, wie zuvor schon als Kontaktadresse bei dem Angebot im Portal www.mitfahrgelgenheit.de. Hierbei arbeiteten die Angeklagten jeweils über einen gewissen Zeitraum eingegangene Ticketbestellungen von Reisenden aufgrund eines Entschlusses in einer Sitzung ohne längere Unterbrechung am Computer ab, um jeweils den von den reisenden zu bezahlenden Kaufpreis zu erlangen.

1. bis 13. (Fälle 1. bis 39. der Anklage): Liste mit 39 Fällen

War der Angeklagte Emre Ates aufgrund seiner Beschäftigung bei der Daimler AG im Bereich der Produktion in der Zeit vom 17. Juli 2012 bis 07. September 2012 angesichts der Akkord-Tätigkeit während seiner Arbeitsschicht verhindert, so stellte der Angeklagte Adnan Polat Angebote bei www.mitfahrgelgenheit.de ein und bestellte Bahntickets auf dem Online-Portal der Deutschen Bahn AG. So kam es, dass er die Bestellungen der Tickets, die den Taten Ziffer 1., 6., 7., 10. und 11. zugrundeliegen, in Ausführung des gemeinsamen Tatplanes tätigte. Dies war dem Angeklagten Emre Ates recht.

Mit dem bisher nicht näher bekannten Verkäufer des Kontos bei der Volksbank Kiel hatte der Angeklagte Emre Ates, wie auch der Angeklagte Adnan Polat wusste, vereinbart, dass der Kaufpreis in Höhe von 1.500 Euro dargestellt beglichen werden sollte, dass der Verkäufer die Kontounterlagen nebst EC-Karte so lange behalten sollte, bis die durch die Käufer der Online-Tickets vorgenommenen Überweisungen die Summe des Kaufpreises erreichten und der Verkäufer diesen Betrag von dem Konto abgehoben hatte. Anschließend sollte der Verkäufer Kontounterlagen nebst EC-Karte vereinbarungsgemäß an den Angeklagten Emre Ates übersenden. Da der Verkäufer entgegen der Vereinbarung aber weder die Unterlagen noch die EC-Karte an den Angeklagten Emre Ates übermittelte, obgleich das Konto „befüllt“ wurde, sodass die Kaufpreissumme spätestens ab Tat Ziffer 13 erreicht war, gaben die Angeklagten Emre Ates und Adnan Polat dieses Konto enttäuscht auf. An die in der Zeit von 29. Juli 2012 bis 21. August 2012 eingegangen Einzahlungen der Reisenden in Höhe von insgesamt 1.835 Euro gelangten die Angeklagten nicht.

Der Angeklagte Emre Ates hat stattdessen zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt in einem „schwarzen Forum“ ein weiteres, nun bei der Ziraat Bank International AG eröffnetes Konto von einer nicht näher bekannten Person, die sich in diesem Forum „Louch“ nannte, erworben. Dieses war, wie die Angeklagten wussten, bei dieser Bank mit Personalien einer nicht existenten Person auf den Namen „Christopher Blake“, eröffnet worden. Der Angeklagte Emre vereinbarte mit „Louch“ einen Kaufpreis von 2.500 Euro. Ein Teil des Kaufpreises – mithin 2.400 Euro – sollte durch „Befüllen des Kontos und Abheben dieses Betrages, der übrige Teil durch Übersendung eines Bargeldbetrages von 10 Euro per Post beglichen werden. Die Käufer wurden von den arbeitsteilig handelnden Angeklagten Emre Ates und Adnan Polat fortan angewiesen, den Kaufpreis der Tickets auf dieses Konto zu überweisen.
So kam es ab 04. Bis 21. August 2012 zu folgenden Taten der beiden Angeklagten:

14. bis 22. (Fälle 40. bis 102. der Anklagte): Liste mit 62 Fällen

Dem Angeklagten Emre Ates war es aufgrund seiner Beschäftigung bei der Daimler AG, die bis 07. September 2012 andauerte, nach wie vor während seinen Schichtzeiten weder möglich, Angebote einzustellen noch Anfragen von Kaufinteressenten zu bearbeiten. So stellte der Angeklagte Adnan Polat in dieser Zeit Angebote bei www.mitfahrgelgenheit.de ein und bestellte Bahntickets auf dem Online-Portal der Deutschen Bahn AG. So kam es, dass er die den Taten Ziffern 20., 22., 24., 26., 28., 30., 32., 33., 34., 36., 37. und 38. zugrundeliegenden Bestellungen, in Ausführung des gemeinsamen Tatplanes tätigte. Dies war dem Angeklagten Emre Ates nach wie vor recht.

Unterdessen wurde am 22. August 2012 die Wohnung der Familie Ates in Stuttgart durch Einsatzkräfte der Bundespolizei Kassel im Rahmen des Ermittlungsverfahrens „MFZ“, das gegen die Angeklagten Emre und Cem Ates und andere wegen des Vorwurfs der Begehung gleichgelagerter Computerbetrugsdaten geführt wird, durchsucht. Die Einsatzkräfte stellten den PC Tower Medion und den Laptop IBM Thinkpad sicher.
Die beiden Angeklagten Emre Ates und Adnan Polat – der ebenfalls von den Ermittlungsmaßnahmen Kenntnis erlangte – ließen sich hiervon nicht beeindrucken. Vielmehr gelangte der Angeklagte Emre Ates am Tag der Durchsuchung in den Besitz der Kontounterlagen und der EC-Karte für das Konto bei der Ziraat Bank. Am 08., 09., 10., 11. Und 16 August 2012 wurde von Seiten des nicht näher bekannten Verkäufers des Kontos eine Summe von insgesamt 2.480 Euro zur Bezahlung des Kontos abgehoben. Anschließend ließ dieser dem Angeklagten Emre Ates Kontounterlagen nebst EC-Karte über einen „toten Briefkasten“, den der Angeklagte Emre Ates am Haus seiner Großeltern angebracht hatte, zukommen.
Bereits wenige Tage nach der Durchsuchung, ab 27. August 2012 (Tat Ziffer 23.), führten sie weitere Bestellungen mit fremden Kreditkartendaten durch. Fortan bedienten sie ich ausschließlich des Laptops Netbook des Angeklagten Adnan Polat. So begingen die Angeklagten in Ausführung ihres Tatplanes bis zum 09. September 2012 folgende Daten:

23. bis 41. (Fälle 103. Bis 157. der Anklage): Liste mit 54 Fällen

Nach Beendigung seiner Tätigkeit bei der Daimler AG am 07. September 2012 reiste der Angeklagte Emre Ates am 10. September 2012 in die Türkei, um Verwandte, bei denen sich bereits sein Bruder Cem Ates aufhielt, zu besuchen. Bis einschließlich 24. September 2012 hielt sich der Angeklagte Emre Ates in der Türkei auf. In dieser Zeit nahm der Angeklagte Adnan Polat in Ausführung des gemeinsam gefassten Tatplanes an seinem Laptop sämtliche Einstellungen bei www.mitfahrgelegenheit.de und Bestellungen der Tickets auf dem Online-Portal der Deutschen Bahn AG vor. Dies war dem Angeklagten Emre Ates recht. Während der Urlaubsabwesenheit hob der Angeklagte Adnan Polat im Einverständnis mit dem Angeklagten Emre Ates mit einem Schal maskiert an einem Geldautomaten einen Betrag in Höhe von 500 Euro als Entlohnung für seine Tätigkeit von dem Konto bei der Ziraat Bank ab.

So kam es ab dem 10. bis zum 25. September 2012 während der Urlaubsabwesenheit des Angeklagten Emre Ates zu den nachfolgenden Taten, die der Angeklagte Adnan Polat in Ausführung des gemeinsamen Tatplans an seinem Laptop ausführte:

42. bis 65. (Fälle 158. bis 256. der Anklage): Liste mit 98 Fällen

Unterdessen, am 13. September 2012, kehrte der Angeklagte Cem Ates, er am 10. Juli 2012 in die Türkei aufgebrochen war, nach Deutschland zurück. Noch in der Türkei versprach der Angeklagte Emre Ates seinem jüngeren Bruder, nachdem sie sich allmählich wieder versöhnt hatten, großzügig, dieser könne sich an den Angeklagten Adnan Polat wenden, wenn er Geld benötigen würde. Die Zusammenarbeit mit dem Angeklagten Adnan Polat verschwieg der Angeklagte Emre Ates aber weiterhin. Der Angeklagte Cem Ates, der nach seiner Rückkehr der Strenge seines Vaters, der nach wie vor angesichts der Durchsuchung verärgert war, ausgesetzt war, machte von dem Angebot seines Bruders gerne Gebrauch und suchte den Angeklagten Adnan Polat auf, der ihm einen Bargeldbetrag in Höhe von 50 Euro gab. Dass der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt bereits von den gemeinschaftlichen, betrügerischen Tätigkeiten seines Bruders und Adnan Polat Kenntnis hatte, konnte die Kammer aber nicht feststellen.

Nachdem der Angeklagte Emre Ates nach seinem bis 24. September 2012 dauernden Aufenthalt in der Türkei nach Deutschland zurückgekehrt war, stellte der Angeklagte Adnan Polat diesem den eigenen Laptop Netbook zur Verfügung, um mit diesem in Ausführung des gemeinsamen Tatplanes weitere Angebote einzustellen und Tickets zu bestellen. Am 26. September 2012 kam es zu folgender Tat:

66. (Fälle 257. und 258. der Anklage): Liste mit 2 Fällen

Anfang Oktober 2012 zog der Angeklagte Emre Ates, um sein Studium an der Hochschule in Esslingen aufzunehmen, aus der elterlichen Wohnung in Stuttgart in eine Wohnung in Esslingen. Am 15. Oktober 2012 war der Umzug abgeschlossen. Da ihm von Seiten der Daimler AG ein Langzeitpraktikum angeboten worden war, nahm er dieses an, u das erste Semester als Praxissemester zu nutzen. Obwohl er sich in dieser Zeit vorgenommen hatte, keine weiteren Betrugstaten durch Bestellung der Online-Tickets mehr zu begehen und sich stattdessen um seine berufliches Fortkommen zu kümmern, gelang ihm dieses Vorhaben nicht langfristig. Er sorgte sich, obgleich er ein Praktikumsentgelt erhalten sollte und ihm zugleich ein Studienkredit bewilligt worden war, um seine finanziellen Verhältnisse. Bereits ab 09. Oktober 2012 tätigte er erneut – in Ausführung des mit dem Angeklagten Adnan Polat gefassten Tatplanes – Bestellungen von Online-Tickets. In dieser Zeit nutzte er hierfür sowohl den ihm vom Angeklagten Adnan Polat zu diesem Zweck überlassenen Laptop Netbook, als auch den Tastatur-PC JoyPC, den sich der Angeklagte Emre Ates in dieser Zeit angeschafft hatte. Der Angeklagte Adnan Polat hatte am 05. Oktober 2012 einen Autounfall, den er kurzfristig zum Anlass genommen hatte, sein kriminelles Tun zu überdenken. Er ließ jedoch hierdurch nicht endgültig davon abbringen, wenngleich ihm recht war, dass der Angeklagte Emre Ates in Ausführung des gemeinsam gefassten Tatplanes die Einstellungen und Bestellung in dieser Zeit selbst vornahm und dadurch Geld auf das Konto bei der Ziraat Bank einging.

Nachdem er am 15. Oktober 2012 das Langzeitpraktikum bei der Daimler AG begonnen hatte, tätigte er die Bestellungen der Online-Tickets in Ausführung des gemeinsamen Tatplanes fortan in seiner Freizeit.
Es kam in der Zeit von 09. bis 24. Oktober 2012 zu folgenden Taten:

67. bis 75. (Fälle 259. bis 352. der Anklage): Liste mit 93 Fällen

Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt kurz vor den Herbstferien 2012, mithin vor dem 29. Oktober 2012, beauftragte der Angeklagte Emre Ates seinen Bruder Cem unter einem Vorwand, einen Umschlag, in dem sich einen Bargeldbetrag von 500 Euro befand, von dem Angeklagten Adnan Polat abzuholen und den Umschlag zu ihm zu bringen. Vor seinem jüngeren Bruder, vor dem er seine kriminellen Aktivitäten nach wie vor geheim halten wollte, verheimlichte er auch, dass sich in dem Umschlag Bargeld, das aus dem Verkauf der Tickets stammte, befand. Der Angeklagte Cem Ates öffnete auf dem Weg zu seinem Bruder den Umschlag und entdeckte den Bargeldbetrag. Sogleich vermutete er, woher das Geld stammte und dass sein Bruder und der Angeklagte Adnan Polat gemeinsame Sache machten. Der Angeklagte Cem Ates wusste um die guten Einnahmemöglichkeiten und war außerdem dem Angeklagten Adnan Polat nicht wohlgesonnen. Verärgert darüber, dass sein Bruder sein Tun und darüber hinaus die Zusammenarbeit mit diesem vor ihm geheim gehalten hatte, stellte er ihn zur Rede. Schließlich stellte er seinen Bruder vor die Wahl, entweder weiterhin mit dem Angeklagten Adnan Polat oder mit ihm, seinem jüngeren Bruder, weiterzuarbeiten. Tatsächlich erhoffte sich der Angeklagte, dass sein Bruder die Zusammenarbeit mit dem Angeklagten Adnan Polat beendete und stattdessen mit ihm die lukrative Geschäftsidee fortführte. Um sein Ziel zu erreichen, wirkte er immer wieder auf seinen Bruder dadurch ein, dass er diesem gegenüber schlecht über den Angeklagten Adnan Polat sprach. Schließlich beugte sich der Angeklagte Emre Ates dem Drängen seines Bruders, da auch er höchstens unter zwei, nicht aber unter drei Personen die Erlöse aus den Taten aufteilen wollte. So gab er gegenüber seinem Freund, dem Angeklagten Adnan Polat, wahrheitswidrig vor, dass die EC-Karte für das Konto bei der Ziraat Bank eingezogen worden sei, das Konto damit nicht mehr genutzt werden könnte und auch keine Abhebungen mehr möglich seien, und beendete somit die Zusammenarbeit mit diesem.

Der Angeklagte Emre Ates und Adnan Polat handelten jeweils bei allen Taten in dem Bestreben, sich aus den Bestellungen der Bahntickets und den Einnahmen aus den Kaufpreiszahlungen eine fortlaufende Einnahmequelle von beträchtlichem Umfang und einiger Dauer zu Finanzierung ihres Lebensunterhaltes zu verschaffen.
In der Zeit von 25. August 2012 bis 04. November 2012 hoben die Angeklagten Emre Ates und Adnan Polat vom Konto bei der ZIraat Bank in arbeitsteiliger Begehungsweise in 24 Abhebevorgängen an verschiedenen Geldausgabeautomaten in den Abend- und Nachtstunden einen Gesamtbetrag in Höhe von 10.010 Euro ab. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Angeklagte Adnan Polat aus dem Erlös aus dem Verkauf der Bahntickets von dem Angeklagten Emre Ates einen Betrag in Höhe von insgesamt 2.000 Euro für seine Beteiligung erhalten. Der Angeklagte Emre Ates, der seinem Freund gegenüber ein schlechtes Gewissen hatte, versprach diesem, dass er einen weiteren Betrag in Höhe von 2.000 Euro für seine Tätigkeit erhalten werde. Bis heute hat der Angeklagte Adnan Polat diesen Betrag aber nicht erhalten.

Der Angeklagte Cem Ates verbrachte die Herbstferien in der Zeit von 29. Oktober bis 04. November 2012 in der Türkei. Erst nach seiner Rückkehr aus der Türkei, mithin ab dem 05. November 2012, fassten die Brüder, die Angeklagten Emre und Cem Ates, den Entschluss, gemeinsam und auf arbeitsteilige Weise die Computerbetrugstaten zum Nachteil der Deutschen Bahn AG über deren Online-Portal nach dem bisherigen Modus Operandi fortzuführen. Während der Angeklagte Emre Ates in der weit überwiegenden Zahl der Einstellungen der Angebote bei www.mitfahrgelegenheit.de und der Bestellungen der Online-Tickets, bei denen er das von seinem Bruder zu einem frühere Zeitpunkt erstellte Formular zur einfacheren und schnelleren Handhabbarkeit verwendete, selbst aktiv wurde, übernahm der Angeklagte Cem Ates diese Aufgaben in seltenen Fällen und nur ergänzend, auch wenn sein älterer Bruder sich erhofft hatte, dass dieser häufiger diese Aufgaben übernähme. Seine Hauptaufgabe, die er bereitwillig übernahm, bestand in Ausführung des gemeinsamen Tatplanes fortan überwiegend darin, die Abhebungen der von den Käufern überwiesenen Geldbeträge von Geldautomaten zu übernehmen, während sein Bruder, der große Angst davor hatte, beim Geldabheben gestellt zu werden, die Umgebung absicherte. Für die Abhebungen verwendete der Angeklagte Cem Ates seinen alten Mofa-Helm, den er sich überzog, um seine Identität beim Abheben zu verschleiern.

Bis zum 11. November 2012 nutzte der Angeklagte Emre Ates für die Einstellung der Angebote und Bestellungen der Tickets in Ausführung des mit seinem Bruder gefassten Tatplanes noch den Laptop Netbook des Angeklagten Polat, allerdings ohne dessen Wissen und Wollen. Daraufhin gab er – wie von seinem Freund gefordert – das Gerät an diesen zurück. Die entsprechenden Dateien und Programme waren zuvor gelöscht worden.

Rasch stattete der Angeklagte Emre Ates den Laptop Sony Vaio, den der Vater der beiden Angeklagten am 11. Oktober 2012 für seinen jüngeren Sohn Cem Ates angeschafft hatte, mit sämtlichen für die Einstellungen und Bestellungen erforderlichen Programmen aus, sodass sie fortan nicht nur mit dem Tastatur-PC JoyPC des Angeklagten Emre Ates, sondern auch mit diesem Gerät sämtliche Arbeitsschritte durchführen konnten.

In der Zeit ab 05. November bis 09. Dezember 2012 kam es in Ausführung des gemeinsamen Tatplans der Brüder Emre und Cem Ates zu folgenden Taten:

76. bis 90. (Fälle 353. bis 470. der Anklage): Liste mit 117 Fälle

In der Zeit von 09. Januar 2013 bis 29. Januar 2013 kam es zu weiteren dem Modus Operandi entsprechenden Bestellungen (Fälle 471. bis 528. der Anklage). Von diesen nahm eine dem Angeklagten Emre Ates nicht persönlich bekannte Person, die unter dem Kurznamen „Szene UIN“ in den einschlägigen Foren auftrat, eine nicht näher feststellbare Anzahl vor, wofür diese einen Betrag in Höhe von 150 Euro erhielt. Diese Person verwendete bei den Bestellungen E-Mail-Adressen des Anbieters „zehnminutenmail.de“, die in der Regel nach zehn Minuten automatisch gelöscht wurden. Auch der Angeklagte Emre Ates verwendete solche vorübergehend, kehrte allerdings wegen der Praktikabilität bald zum ursprünglichen System zurück. Insoweit – also hinsichtlich der Ziffern 471. bis 528. der Anklage – sah die Kammer gemäß § 154 Abs. 2 StPO von der Verfolgung ab.

Unterdessen beendete der Angeklagte Emre Ates am 15. Januar 2013 sein Praktikum vorzeitig, da er sich nun doch dem Studium widmen wollte.

Ende Januar 2013 wurde das Konto bei der Ziraat Bank durch die Staatsanwaltschaft Hamburg geschlossen, sodass die Brüder darauf keinen Zugriff mehr hatten. in der Zeit von 04. August 2012 bis 30. Januar 2013 – also während der gesamten Dauer des Einsatzes dieses Kontos, zunächst durch die Angeklagten Emre Ates und Adnan Polat, dann durch die Brüder Ates – gingen auf dem Konto bei der Ziraat Bank Einzahlungen in Höhe von 20.617,30 Euro ein. In der Zeit von 09. November 2012 bis 22. Januar 2013 hatten die Brüder in arbeitsteiliger Begehungsweise vom Konto bei der Ziraat Bank in 20, an verschiedenen Geldausgabeautomaten im Bereich von Esslingen, Ostfildern und Rottenburg am Neckar getätigten Abhebevorgängen einen Gesamtbetrag in Höhe von 6.785 Euro abgehoben.

In der Folgezeit stand den Brüdern vorübergehend kein Konto zur Verfügung, auf das die Käufer von Tickets die Kaufpreise leisten konnten. Deshalb änderten sie ihre Methode dahingehend ab, dass diese mittels elektronischer Zahlungsmittel namens „Paysafecards“, die nach dem Prepaid-System funktionierten und im Online-Handel weiterverwendet werden konnten, die jeweiligen Kaufpreise zu zahlen hatten. So kam es in der Zeit von 06. Februar 2013 bis 02. März 2013 zu folgenden Taten:

91. bis 95. (Fälle 529. bis 548. der Anklage): Liste mit 19 Fällen

Der Verbleib der durch die Käufer der Tickets in der kontolosen Zeit gezahlten Kaufpreise konnte nicht geklärt werden.

Bald kehrten die beiden Angeklagten aber zu der ursprünglichen Methode zurück: Der Angeklagte Emre Ates hatte sich unterdessen in den einschlägigen Foren auf die Suche nach einem neuen Konto gemacht. So stieß er zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt erneut auf ein Angebot des ihm persönlich nicht bekannten „Louch“, der ihm ein Konto, das auf die Falschpersonalien „Enrico Monti“ bei der Postbank eröffnet worden war, verkaufte. Als Kaufpreis vereinbarten sie einen Betrag in Höhe von 2.500 Euro, der durch „Befüllen“ des Kontos, mithin durch die Überweisungen der Käufer und das Abheben der Kaufpreissumme durch den unbekannten Verkäufer beglichen werden sollte. Fortan veranlassten die Angeklagten Emre und Cem Ates die Käufer in Ausführung ihres Tatplanes den jeweiligen Ticketpreis auf dieses Konto zu überweisen. So kam es, dass durch die den Taten zugrundeliegenden Bestellungen bis Ziffer 103. und die darauffolgenden Überweisungen der Käufer die Summe des Kaufpreises erreicht wurde. Durch drei Abhebungen – am 12., 14. und 17. März 2013 – gelangte der Verkäufer in den Besitzt der vereinbarten Kaufpreissumme. Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt übermittelte dieser die Kontounterlagen nebst EC-Karte an den Angeklagten Emre Ates.

Am 08. März 2013 bis 04. April 2013 kam es in Ausführung des Tatplanes zu den nachfolgenden Taten der Brüder:

96. bis 137. (Fälle 554. bis 822. der Anklage): Liste mit 268 Fällen

Kurz vor Mitternacht am 04. April 2013 hob der Angeklagte Cem Ates, maskiert mit seinem Mofa-Helm, in Absprache mit dem Angeklagten Emre Ates einen Bargeldbetrag in Höhe von 1.000 Euro vom Konto bei der Postbank Hamburg an dem Geldautomaten „Wolfstor“ in der Küferstraße 35 in der Innenstadt von Esslingen ab, während sein Bruder die Umgebung absicherte.
Als sie bemerkten, dass die Einsatzkräfte der Polizei sie beobachten und ihnen folgten, flüchteten die Brüder. Der Angeklagte Cem Ates übergab noch den Helm und das Bargeld an seinen Bruder. Rasch wurden sie – kurz nach Mitternacht, mithin am 05. April 2013 – festgenommen. bei dem Angeklagten Emre Ates konnte ein Bargeldbetrag in Höhe von 995 Euro festgestellt und in Gewahrsam genommen werden. Soweit dieser noch während seiner Flucht den mitgeführten Helm gegen einen der Polizeibeamten geworfen hat, wurde bereits von Seiten der Staatsanwaltschaft gemäß § 154 Abs. 1 StPO von der Verfolgung dieser Tat abgesehen.

Die Angeklagten Emre und Cem Ates handelten in der Zeit ihrer Zusammenarbeit jeweils bei ihren Taten in dem Bestreben, sich aus dem Ankauf der Bahntickets und den Einnahmen aus den Kaufpreiszahlungen eine fortlaufende Einnahmequelle von erheblichem Umfang und einiger Dauer zur Finanzierung ihres Lebensunterhaltes zu verschaffen. Der Angeklagte Cem Ates erhielt in der Zeit der Zusammenarbeit von seinem Bruder in der Regel einen wöchentlichen Betrag in Höhe von 250 Euro für seine Beteiligung. Immer wieder verlangte und bekam er darüber hinaus von seinem Bruder auch Geld in nicht sicher feststellbarer Höhe.

Auf dem Konto bei der Postbank gingen in der Zeit von 08. März 2013 bis 08. April 2013 Einzahlungen in Höhe von 13.765 Euro ein.
Über den Betrag von 1.000 Euro hinaus, den die Angeklagten in arbeitsteiliger Weise kurz vor ihrer Festnahme von diesem abgehoben hatten, hatte sie in der Zeit von 20. bis 31. März 2013 in drei Abhebevorgängen an Geldausgabeautomaten im Stadtgebiet von Esslingen von diesem Konto bereits einen Betrag in Höhe von insgesamt 2.620 Euro abgehoben. Desweiteren wurden in der Zeit von 22. März 2013 bis 04. April 2013 acht Überweisungen von diesem Konto in Höhe von 27 bis 575 Euro getätigt.

Die Angeklagten Emre Ates, Adnan Polat und Cem Ates handelten bei ihren Taten jeweils in der Absicht, durch die Fahrkartenbestellungen die Online-Tickets zu erhalten, für die sie bereits vorab Käufer gefunden hatten. Sie leiteten diese anschließend zur Erfüllung des Verkaufs der Fahrkarten an die Käufer weiter. Hierfür konnten sie aber nur einen Bruchteil des tatsächlichen Werts der Online-Tickets als Kaufpreis gegenüber den Reisenden verlangen, um das vorgeschobene Motiv des Fahrkartenverkaufs plausibel erscheinen zu lassen.

Der durch die den Angeklagten Emre Ates und Adnan Polat zuzurechnenden Taten 1. bis 75. entstandene Schaden beträgt 54.037,90 Euro. Durch die den Angeklagten Emre Ates und Cem Ates zuzurechnenden Taten 76. bis 137. entstand ein Schaden in Höhe von 67.970,10 Euro. Mithin entstand durch die dem Urteil zugrundeliegenden Taten 1. bis 137. ein Schaden von insgesamt 122.008 Euro, der in erster Linie bei der Deutschen Bahn AG angefallen ist, wobei in einzelnen wenigen, nicht näher konkretisierbaren Fällen die berechtigten Inhaber der unbefugt verwendeten Kreditkartendatensätze wegen nicht durchgeführter Rückabwicklung den finanziellen Nachteil erlitten haben, der dem Original-Kaufpreis des Tickets entspricht. Dies nahmen die Angeklagten bei ihrem Tun in Kauf.
 
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