• Hallo liebe Userinnen und User,

    nach bereits längeren Planungen und Vorbereitungen sind wir nun von vBulletin auf Xenforo umgestiegen. Die Umstellung musste leider aufgrund der Serverprobleme der letzten Tage notgedrungen vorverlegt werden. Das neue Forum ist soweit voll funktionsfähig, allerdings sind noch nicht alle der gewohnten Funktionen vorhanden. Nach Möglichkeit werden wir sie in den nächsten Wochen nachrüsten. Dafür sollte es nun einige der Probleme lösen, die wir in den letzten Tagen, Wochen und Monaten hatten. Auch der Server ist nun potenter als bei unserem alten Hoster, wodurch wir nun langfristig den Tank mit Bytes vollgetankt haben.

    Anfangs mag die neue Boardsoftware etwas ungewohnt sein, aber man findet sich recht schnell ein. Wir wissen, dass ihr alle Gewohnheitstiere seid, aber gebt dem neuen Board eine Chance.
    Sollte etwas der neuen oder auch gewohnten Funktionen unklar sein, könnt ihr den "Wo issn da der Button zu"-Thread im Feedback nutzen. Bugs meldet ihr bitte im Bugtracker, es wird sicher welche geben die uns noch nicht aufgefallen sind. Ich werde das dann versuchen, halbwegs im Startbeitrag übersichtlich zu halten, was an Arbeit noch aussteht.

    Neu ist, dass die Boardsoftware deutlich besser für Mobiltelefone und diverse Endgeräte geeignet ist und nun auch im mobilen Style alle Funktionen verfügbar sind. Am Desktop findet ihr oben rechts sowohl den Umschalter zwischen hellem und dunklem Style. Am Handy ist der Hell-/Dunkelschalter am Ende der Seite. Damit sollte zukünftig jeder sein Board so konfigurieren können, wie es ihm am liebsten ist.


    Die restlichen Funktionen sollten eigentlich soweit wie gewohnt funktionieren. Einfach mal ein wenig damit spielen oder bei Unklarheiten im Thread nachfragen. Viel Spaß im ngb 2.0.

Mein Hafttagebuch

KaPiTN

♪♪♫ wild at heart ♪♫♫♪

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Jeder war bereits schon einmal tot. Und es hat Niemandem geschadet.
Zurück zum Ursprung.
 

Schrenk

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Wäre es nicht sinnvoller das als Podcast zu veröffentlichen? Würde m.M.n. auch mehr Leute ansprechen als ein Video ohne relevantes Bild

Edit: nochmal ergänzt um "relevantes", da du dir zwar schon Mühe gegeben hast, aber das nix ist wofür ich mir ein 10 Minuten Video anschauen würde :) Als Podcast würde ich mir das jedoch schon holen aufs Handy um es während der Fahrt mal zu hören. Zumindest die neueren Folgen die ich nicht kenne.
 
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BeSure

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@Chegwidden:
Vielen Dank :)

@Schrenk:
Gebe Dir vollkommen Recht. Bei Youtube wollte ich von der großen Community profitieren.
Mit Podcasts habe ich mich noch nicht auseinandergesetzt und wie es aussieht, ist es nicht so einfach z.B. auf Spotify etwas zu veröffentlichen. Kennst Du eine Plattform die sich für Podcasts eignet?

Kapitel 64 - Die etwas anderen Gefangenen

„Ich bin der Ansicht, dass Sie die Verlegung in den offenen Vollzug verdient haben. Daher habe ich die Freigabe erteilt. In zwei Wochen werden Sie also verlegt.“ Die erlösenden Worte des Anstaltsleiters bejubelte ich im Inneren, äußerlich sah er nur mein sehr breites Grinsen: „Vielen Dank!“ Er reichte mir als nette Geste seine Hand und wünschte mir viel Erfolg im Leben. Schließlich gab er mir noch mit, dass ich nicht wieder auf die schiefe Bahn rutschen solle und dass er hoffe, dass es mit dem Studium klappen würde. Ich bedankte mich nochmals überschwänglich.

Schnell ging ich in meine Zelle, zückte Stift und Papier und begann einen Brief an die Hochschule Ravensburg zu schreiben. Darin schilderte ich meine Situation, dass ich in Haft sei, jedoch zum Februar 2014 und somit rechtzeitig zum Sommersemester im Freigang sein würde. Ich bat die Hochschule darum, meine Immatrikulation einzufrieren bzw. mir ein Urlaubssemester zu gewähren. Ich wollte nicht noch ein Semester dadurch verlieren, dass ich an einem Bauernhof gefangen war. Viele Bedenken machten sich in mir breit, denn damals hatte ich bei der Immatrikulation nicht angekreuzt, dass ich vorbestraft war.

Danach rannte ich in das Büro des Beamten und fragte ganz höflich, ob ich kurz meine Familie anrufen dürfe: „Ich möchte ihnen gerne die gute Nachricht übermitteln, dass ich in zwei Wochen in den offenen Vollzug verlegt werde.“ Dass mir das erlaubt wurde, überraschte mich inzwischen nicht mehr. Die Beamten der JVA Schwäbisch Hall waren einfach sehr entgegenkommend, zeigten Verständnis und hatten meiner Erfahrung nach bei den Häftlingen einen besseren Ruf als die Beamten der JVA Stammheim. Meine Mutter ging ran und freute sich sehr über die frohe Botschaft. Doch viel mehr schien sie sich über den Anruf des Hocas gefreut zu haben. Die nächsten 10 Minuten verbrachen wir mit Lobpreisungen darüber, wie toll es denn vom Hoca gewesen sei, dass er bei mir zuhause angerufen habe. Auch sprachen wir darüber, wie wichtig die Religion sei, und wie wir zusammenhalten müssen. Ob sie mit „wir“ die Moslems oder wir als Familie meinte, konnte ich nicht mit Gewissheit sagen. Auch bei den Häftlingen machte die Nachricht die Runde, dass ich bald weg sein würde. Als ich eines Tages abends im Bett in meiner Zelle lag und wegen des warmen Wetters das Fenster komplett offen hatte, hörte ich türkische Mithäftlinge vom oberen Stockwerk reden. Meine Aufmerksamkeit hatten sie, als ich meinen Namen zu hören bekam. Sie sprachen darüber, wie ungerecht es sei, dass ich bereits in den offenen Vollzug verlegt werde, obwohl ich erst kürzlich eingetroffen war. Auch sonst versuchten sie, meine Persönlichkeit anzugreifen. Ich schwieg einfach und hörte zu. Traurig war es schon, zumal ich mich mit den beiden diskutierenden Häftlingen gut verstand. Doch das war mir egal, bald war ich endlich weg, ein ganz großes Stück näher an der Freiheit.

Mit einigen Häftlingen tauschte ich noch Festnetznummern aus – nun ja, sie dachten zumindest, es handle sich um eine echte Festnetznummer. Ich hatte zwar nicht viel Hab und Gut, doch alles Übrige, was mir nicht lieb und teuer war, übergab ich meinen Reiniger-kollegen. Vom löslichen Kaffee, über bereits geöffnete Cornflakes-Packungen bis hin zu überzähligen Kleidungsstücken. In der Haft war eigentlich kein Handel erlaubt, wobei auch Schenkungen eine heikle Sache waren: Wie wollte man beweisen, dass man dafür keine Gegenleistung erhalten hatte? Bei Kleidungsstücken achteten die Beamten weniger drauf – gab es mal eine größere Zellenkontrolle, so konnten die Vollzugsbeamten anhand der Anzahl der Kleider im Kleiderschrank bereits feststellen, ob jemand zu viele Klamotten hatte und nahmen den „Überfluss“ entsprechend weg. Da ich aber diesmal derjenige war, der seine Klamotten hergab, musste ich diese als „verloren“ oder „zerrissen und weggeschmissen“ melden. Die Kammerbeamte konnten sicherlich ahnen, dass es kein Zufall war, dass gerade am Tag der „Entlassung“ die eigenen Kleidungsstücke als verloren gemeldet wurden – doch wie bereits erwähnt, hier drückte man ein Auge zu. Anders war es bei hochwertigeren Sachen wie einer Radio-Anlage, eine Spielekonsole oder sogar einem Ventilator. Alle Geräte waren mit Nummern versehen, sodass sie dem Besitzer zugeordnet werden konnten. Mein albanischer Reiniger-kollege wollte unbedingt mein Radio haben, welches meine Mutter mir damals in der U-Haft gekauft hatte – bisher hatte ich damit jedoch nur depressive türkische Musik gehört (meine Pulsadern hatte ich mir zum Glück deswegen noch nicht aufgeschnitten). Doch uns fehlten die nötigen Connections zu den „richtigen“ Beamten. Denn tatsächlich gab es den ein oder anderen Beamten, der inoffiziell Geräte von einem Häftling auf den anderen Häftling überschrieb. Mir war das Recht, das Radio hatte mich eine lange Zeit begleitet, und auch wenn ich es in Stammheim nicht hatte verwenden dürfen, so verband ich viele Erinnerungen an die U-Haft damit, die ich nicht verlieren wollte – außerdem war es ein Geschenk meiner Mutter gewesen. Nachdem ich so gut wie blank war und mich von allen Häftlingen verabschiedet hatte, kam endlich der Tag, auf den ich so lange gewartet hatte. Eine leichte Aufregung war in meinem Körper präsent, in etwa so, wie als würde ich gleich ein Mädchen auf ein Date ausführen. Meine Zelle hatte ich noch blitzeblank geputzt und desinfiziert, weshalb ich bei Kreshnik in der Zelle zu einem Kaffee saß. Der Kaffee roch nach frischem Wind und schmeckte nach Freiheit – es war der beste Kaffee, den ich bisher getrunken hatte (man bedenke an dieser Stelle: Ich habe erst in der Haft angefangen, Kaffee zu trinken, und dann auch noch löslichen Kaffee). Ich hörte, wie das Rascheln der Schlüssel des Vollzugsbeamten immer lauter wurde und immer näherkam, sie schrien förmlich nach mir – als würden die Schlüssel es vermissen, mich einzuschließen und so als ob sie mir nochmals „Tschüss!“ sagen wollten, à la: „Deine Zellentür war stets eine gute Tür, die ließ sich immer sehr leicht schließen.“ Ich umarmte meine Reiniger-kollegen, Kreshniks letzte Worte waren: „Ich weiß, aus dem Auge, aus dem Sinn – ich hoffe dennoch, dass du uns schreibst. Erzähl uns von der Freiheit! Ich wünsche dir alles Gute mein Bruder, du bist wahrhaftig ein guter Junge. Du gehörst nicht an solch einen Ort. Studiere und mach was aus Dir!“ Ich bedankte mich bei ihm, das war der Moment, in dem ein neues Kapitel in meinem Leben anfing, was ich auch den anderen mitteilte: „Ab heute geht es hoffentlich nur noch bergauf bei mir. Doch ich werde niemals diejenigen vergessen, die mir stets zur Seite standen, als ich am tiefsten Punkt meines Lebens angekommen war. Du bist einer derjenigen, die mir immer im Sinn bleiben werden, ganz egal, ob ich dich wiedersehe oder nicht. Also vergiss nicht, auch wenn ich nicht schreibe, ich werde sicherlich noch oft an unsere gemeinsame Zeit denken. Und: auch, wenn wir beide kriminell waren, heißt das noch lange nicht, dass wir keine guten Menschen sind oder werden können. Wir sind eben gute Menschen mit Macken.“ Er umarmte mich nochmals: „Bruder, ich habe sehr große Macken!“, wir lachten. Der Beamte hatte einen Schubwagen dabei, meine Kisten hatte der andere Reiniger-kollege bereits beladen – auch von ihm verabschiedete ich mich mit einer Umarmung. „Wohin geht es jetzt?“, fragte ich den Beamten: „Erst einmal zur Kammer, danach musst du noch zum Arzt.“ Wir liefen über den Innenhof in das gegenüberliegende Gebäude. Der frische Wind fühlte sich heute ganz besonders gut an, der Duft des Teichs roch wie an meinem ersten Tag, als ich von Stammheim nach Schwäbisch Hall verlegt worden war, und der Teich im Innenhof mir eine innere Ruhe verliehen hatte. „Irgendwie werde ich das alles schon vermissen – klingt paradox, aber ich fühle mich wie Zuhause hier.“ Der Beamte erschrak: „Tu‘ mir bitte einen Gefallen und mach was aus deinem Leben – ich will dich hier nicht wiedersehen.“ Es war schwer, die in mir tobenden Gefühle zu erklären, doch ich fühlte mich nach so langer Zeit wieder lebendig. In der Kammer angekommen, wurden mir einige Klamotten ausgegeben, die ich zuvor nicht haben durfte, weil man z.B. keine Kapuzenpullis haben durfte: „Wie jetzt, darf ich diesen schwarzen Pulli haben, obwohl der eine Kapuze hat?“ Der Beamte schaute mich gelangweilt an: „In Comburg darfst Du alles an Kleidung haben, jetzt beruhige dich mal – Du hast hier echt viele Klamotten, die ewig rumlagen, wir hätten die zurückschicken oder deinem Besuch mitgeben sollen.“ Er war wohl verärgert, dass er dadurch einen längeren Bestandsaufnahmeprozess hatte. Ich hingegen freute mich wie ein kleines Kind über meinen Pulli, das war nämlich mein Lieblingspullover gewesen. Ich sollte noch schnell zum Arzt hüpfen, der glücklicherweise kein Blut abnahm, das ging bei mir nie gut aus. Der Arzt fragte nur nach meinem Wohlbefinden und gewogen wurde ich auch noch: „Ach herrje, Ihnen schien es bei uns ja gut gegangen zu sein.“ Ich wurde leicht rot, als er die hohe Zahl auf der Waage betrachtete: „Sie haben beachtliche 8 Kilo zugenommen.“ Das lag wohl daran, dass ich jeden Abend mindestens eine Tafel Schokolade gefuttert hatte. Sonntags hatte es zudem weißes Brot gegeben, was eigentlich nicht so schlimm ist. Doch ich hatte stets eine ganze Tafel Schokolade zwischen zwei Weißbrotscheiben genommen und diese Kalorienbombe genüsslich verschlungen.

Diesmal gab es keinen großen Transportbus, der Häftlinge hin und her kutschierte. Nein, diesmal hatte ich meinen ganz persönlichen Transporter, mit zwei Vollzugsbeamten als meine Chauffeure – mit diesem Bild im Kopf blieb ich vor dem Transporter stehen und streckte meine beiden Arme aus. „Was machen Sie da?“, fragte mich der mir nächste Beamte. „Ähm, Handschellen?“, fragte ich etwas verwirrt. „Das gibt es nicht mehr, Sie kommen in den offenen Vollzug.“ Ein breites Grinsen machte sich wieder auf meinem Gesicht breit. Von nun an würde ich dafür sorgen, dass nie wieder kaltes Eisen meine zwei Handgelenke umschließt. Ich warf noch einen letzten Blick auf das Innere der JVA Schwäbisch Hall, bevor ich mich außerhalb der Mauern befand. „Wenn ich je wieder den Innenhof hier sehe, dann ist es höchstens auf Google Maps“, die Beamten schienen meinen Spruch überhört zu haben, denn sie antworteten nichts. Die Strecke nach Comburg war wunderschön, lauter grüne Bäume zierten die Landstraße und ich konnte eine atemberaubende Stadt am Horizont erkennen: „Ist das Schwäbisch Hall?“, fragte ich. „Ja, aber wir fahren nach Comburg, das ist etwas außerhalb.“ Die Beamten hatten es sich mit ihren Sonnenbrillen und bei offenem Fenster auch gemütlich gemacht.

Nun waren wir endlich da. Ich stieg aus, das erste Mal seit 1 ½ Jahren befand ich mich auf freiem Fuß ohne Handschellen – theoretisch hätte ich jetzt einfach wegrennen können, doch wieso sollte ich? Ich wollte endlich das machen, was ich in den Filmen immer sah, wenn jemand aus dem Gefängnis entlassen wurde: Die Arme ganz weit ausstrecken und tief frische Luft einatmen. Doch irgendwas stimmte nicht. „Boah, was ist das für ein Gestank?“ Mir wurde übel. Die Beamten lachten: „Das ist ein Bauernhof, was haben Sie gedacht, wie es hier riecht?“ Da hatten sie recht, doch mit solch einem intensiven Gestank hatte ich eben nicht gerechnet. Als ich gerade meine Sachen aus dem Transporter nehmen wollte, hörte ich ein lautes Geräusch: „Muuuuuuuuuh!“ Ich musste lachen, sowas hatte ich schon lange nicht mehr gehört: „Habt ihr auch Kühe als Gefangene hier?“, scherzte ich. Ich stand vor der Tür des Heims, in das ich untergerbacht würde, und einer der Beamten klingelte an der Tür: „Du wirst noch viel zu tun haben mit den Kühen. Und glaub mir eines, das macht keinen Spaß.“ Ich war verwirrt, was meinte er damit?
 

Schrenk

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Sorry bin nur Konsument, daher keine Ahnung was gute Anbieter sind :)
 

BeSure

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@Schrenk

Viel Spaß beim Konsumieren des nächsten Kapitels :)

Kapitel 65 - Der "halb-offene" Vollzug


Das Innere des Gebäudes sah überhaupt nicht nach Haftanstalt aus. Die Außentür hatte nicht einmal eine zusätzliche Sicherung. Als ich im Flur stand, sah ich schon ein paar Leute hin und her laufen, womöglich Häftlinge – man sah es ihnen jedenfalls nicht an. Zu meiner Linken befand sich ein Büro, in welches ich hineingeführt wurde. Die zwei Beamten, die mich hergefahren hatten, machten sich nach der Dokumentenübergabe unverzüglich aus dem Staub.

„Ates?“, fragte einer der zwei Beamten, die auf ihren Bürostühlen saßen und mich begutachteten. Als wollten sie sicher gehen, dass es sich bei mir tatsächlich um die Ware handelte, die sie „bestellt“ hatten – waren sie vielleicht enttäuscht? Ich bejahte. Die zwei Beamten machten einen skurrilen Eindruck. Während der eine so schien, als würde er die Welt um sich gar nicht wahrnehmen und als wäre er irgendwie beschwipst, war sein Kollege total fixiert auf mich. Er schaute mich an, als würde er nur darauf warten, dass ich etwas Falsches sagte, um sich dann auf mich zu stürzen – Es sah auch so aus, als wäre er auf Drogen. Stark leistungssteigernden Drogen. Mit was für Spaßvögeln hatte ich es denn hier zu tun? „Mein Name ist Kuhn und das ist Herr Bertel, wir haben hier das Sagen. Nimm diese Hausordnung und lies sie dir durch. Natürlich hast du dich auch daran zu halten“, ließ der leicht betrunken wirkende Beamte verlauten und bewies mir damit, dass er mich doch wahrgenommen hatte. „Reiniger!“, schrie Herr Bertel und ruckzuck kam ein junger Mann um die Ecke: „Ah, ein Neuankömmling“, meinte er und drückte meine Hand. Ich hingegen war enttäuscht, dass der Reiniger-Job bereits vergeben war. „Wie viele Leute haben wir im Stall?“, fragte Herr Bertel den Reiniger. „Mehr als genug“, war die knappe Antwort. Herr Bertel überlegte ein wenig und fällte eine mich erleichternde Entscheidung: „Bringen Sie Herrn Ates zu der Tarik-Truppe, er soll mit ihnen morgen hoch. Und er soll vorerst mal beim Bernd bleiben.“ Der Reiniger half mir, meine Sachen zu packen und begab sich mit mir in das obere Stockwerk. Der Holzboden knirschte bei jedem Schritt, den ich ging. Ich versuchte, nicht mein Gleichgewicht zu verlieren, da ich auf keinen Fall die dreckigen Wände berühren wollte. „Bernd, das ist dein neuer Mitbewohner“, rief der Reiniger und deutete auf mich. Ich war verwundert, dass er „Mitbewohner“ anstelle von „Zellenkollege“ gesagt hatte. Das Zimmer hatte zu meiner großen Überraschung tatsächlich kein bisschen Zellenflair. Die Fenster waren ohne Gitter, die Tür war weit geöffnet und der eben angesprochene Bernd saß auf seinem Stuhl und spielte an einer Spielekonsole. Ich ging auf ihn zu. „Mein Name ist Emre.“ Bernd gab mir allerdings nur einen kurzen Handschlag und teilte mir seinen – mir bereits bekannten – Namen mit. Der Reiniger hingegen war interessierter, er fragte als erstes, weswegen ich saß. Beim Erzählen wurde auch Bernd hellhörig. Nachdem ich mit dem Erzählen fertig war, war ich mit meinen Fragen dran und wollte natürlich erst einmal wissen, wie die hiesigen Abläufe aussahen und was ich beachten müsste, vor allem aber wollte ich wissen, wann und wie ich das erste Mal raus dürfte. Der Reiniger erzählte mir, dass es zwei Arbeitergruppen gab. Die einen arbeiteten im Stall, die anderen machten andere anfallende Tätigkeiten. Welche, würde ich wohl noch am eigenen Leibe erfahren – ich wurde nämlich dem letzteren zugeteilt. Während die Stallarbeiter morgens und abends jeweils 2 Stunden arbeiteten, mussten die anderen ihrer Beschäftigung von 08:00 Uhr bis 18:00 Uhr nachgehen. Die Türen wurden abends um 22:00 Uhr abgeschlossen und morgens um 06:00 Uhr wieder geöffnet. Man durfte wohl einiges mehr besitzen, als in der geschlossenen Anstalt, jedoch würde auch hier striktes Handy-Verbot herrschen. Die ersten 4 Wochen würde ich nicht in den Ausgang dürfen, in dieser Zeit war es allerdings erlaubt, im 2-Wochen-Rhythmus Besuch empfangen. Auf keinen Fall – so waren sich beide einig – sollte ich vergessen, einen Antrag auf meinen ersten Ausgang zu stellen, denn nur dann würde dieser bewilligt werden können. Und ohne Antrag gab es auch keinen Ausgang. Meine ersten zwei Ausgänge würden nur 5 Stunden gehen und ich dürfte diese nur mit meiner Bezugsperson führen – optimal wäre es, wenn der Ausgang in Schwäbisch Hall stattfände. Beim dritten Ausgang dürfte ich für 12 Stunden raus und gegebenenfalls sogar nach Hause. Beim vierten Ausgang wäre es dann erstmals möglich, dass ich eine Nacht daheim verbringe und anschließend wäre mein letzter und fünfter Ausgang eine 2-Tages-Übernachtung bei meiner Bezugsperson. Wenn alles glattging, dürfte ich danach in das Freigänger-heim. Was Lebensmittel anging, durfte ich von meinen Ausgängen nichts mitbringen, alles müsste wie gewohnt über den Einkaufszettel stattfinden und auch zu den entsprechenden Preisen und der entsprechenden Auswahl an Lebensmitteln.

Ich machte mich im Zimmer breit und legte mich erst einmal zur Entspannung hin, während ich Bernd beim Spielen zusah. Ich fühlte mich schon ein großes Stück freier. Hier schien alles viel lockerer zu laufen, woran ich mich sicherlich schnell gewöhnen würde. Ich spürte ein wohles Gefühl im Magen, als hätte ich soeben Adrenalin ausgeschüttet und würde mich anschließend wieder beruhigen. Ich nahm den Geräuschpegel aus dem Fernseher immer weniger wahr und spürte den langsamen Rhythmus meines Herzschlags. Ich musst leicht grinsen, als ich realisierte, wie weich die Matratze war, auf der ich mich breit gemacht hatte – ganz anders, als jene in der geschlossenen Anstalt. Ich begann irgendwie zu schnurren, ich gab ein Geräusch von mir, das sich langsam aber sicher zu einem ausgewachsenen Schnarchen entwickelte. Mein Körper war im absoluten Ruhemodus angekommen und ehe ich mich versah, tauchte ich in die Traumwelt ab.

„Digger Emre, wieso bist Du wieder zurück?“, fragte mich Savas. Mir ging es sehr schlecht und Savas war am Grinsen, er sah aus, als würde er gleich in ein schadenfrohes Lachen ausbrechen. „Ich habe doch damals auf Wunsch des Albaners dem einen Typen etwas Kleines mitgegeben…Das waren wohl Drogen, und er wurde erwischt und hat mich verpfiffen. Ich musste dann wieder zurück in den geschlossenen Vollzug.“ Savas begann tatsächlich zu lachen und beschimpfte mich als einen Idioten. Ich stand vor meiner Zelle und richtete meinen Blick auf die massive Tür. Meine Angst davor, dass diese sich gleich vor meinen Augen schließen würde, lähmte mich.

Ich schreckte auf, mein Herz raste. Es war niemand im Zimmer. Einige Zeit verging, bis ich realisierte, dass ich geträumt hatte und mich in Comburg befand. Der kurze Moment, in dem ich mir nicht bewusst war, was Realität und was Traum war, hatte einen leichten Schwindel in meinem Kopf hervorgerufen. „Mittagessen!“, eine Stimme vom unteren Stockwerk ertönte – es klang wie jene von Herrn Kuhn. Ich ging kurz zum Waschbecken, machte mich frisch und wollte gerade hinuntergehen, da stand Herr Kuhn vor meiner Zimmertür: „Herr Ates, kommen Sie nach dem Mittagessen in mein Büro.“ Ich nahm dies zur Kenntnis und machte mich auf den Weg in den Aufenthaltsraum, der sich im unteren Stockwerk befand. Herr Kuhn schien die anderen Häftlinge aufzuwecken – dies betraf wohl vor allem die Stallarbeiter, die heute morgen draußen gewesen waren und sich nun hingelegt hatten. Etwas enttäuscht war ich schon, als mich auch hier nur die übliche Häftlings-Mahlzeit erwartete. Ich setzte mich an einen großen und nahezu leeren Tisch, es war bisher nur der Reiniger da. Nach und nach kam der Rest, einige von Ihnen hatte ich schon einmal gesehen, sei es in der U-Haft oder in der Strafhaft. Wir gingen die übliche Begrüßungsprozedur durch, während wir aßen und an einem Röhrenfernseher Musik auf VIVA lief. Als ich gerade fertig mit dem Essen war, betrat ein Trio in Arbeitsklamotten den Aufenthaltsraum. Zwei von ihnen kannte ich, den Türken Tarik und den Italiener Luigi. Tarik war groß gebaut und braun gebrannt. Luigi war, typisch italienisch, etwas kleiner, dennoch recht gut gebaut. Beide sahen nach typischen „Gangster-Kanaken“ aus. An meinem ersten Tag in der Strafhaft sollte ich damals zu einem Araber in die Zelle kommen und meine Schuhe ausziehen. Sie hatten mich nach meiner Tat gelöchert und genau zwei von Ihnen waren Tarik und Luigi gewesen. Den dritten in ihrem Bunde kannte ich nicht, doch er passte in das Gesamtbild gut hinein. Er stellte sich als Hassan vor, er war wohl ein Libanese. Ich kam mit den Dreien ins Gespräch, sie hatten bereits mitbekommen, dass mit mir nun aus dem Trio ein Quartett werden würde. Sie schienen weder erfreut noch verärgert ob dieser Tatsache zu sein. „Bist Du sauber?“, fragte mich Tarik. „Sauber? Also in Sachen Hygiene? Ich denk schon.“ Gegelte Haare hatte ich nicht, auch keinen perfekt rasierten Bart – mal abgesehen davon, dass ich ohnehin wenig Bartwuchs hatte – doch er fragte ja auch nicht, ob ich stylisch war, sondern hygienisch. Dennoch war allen klar, dass ich rein äußerlich das coole Image vom Trio zerstörte. Luigi und Tarik führten ein äußerst spannendes Gespräch, in dem ich wohl eine große Rolle spielte – ich versuchte, dennoch nicht zu lauschen und auch nicht darauf einzugehen. Luigi wandte sich mir zu: „Bist du gerade bei Bernd im Zimmer? Willst du wechseln?“ Luigi sah so aus, als würde er mich gleich abstechen. Ich bejahte die erste Frage und hatte zu der zweiten eine Gegenfrage in petto: „Warum wechseln? Und wohin?“ Tarik griff ein: „Ich bin gerade alleine im Zimmer. Habe keine Lust, dass die irgendeinen Schmock bei mir reinstecken. Deswegen kannst du zu mir.“ Ich sollte mich wohl geehrt fühlen und wusste nicht genau, was ich antworten sollte: „Geht das denn so einfach?“ Tarik überlegte auch kurz: „Ja, ich kläre das. Aber lass uns erst mal so verbleiben. Vielleicht kommt in nächster Zeit keiner mehr. Bleib vorerst beim Bernd.“ Ich war erleichtert, Bernd schien mir ungefährlicher als Tarik. Es war mir sowieso ein Rätsel, wie jemand wie Bernd in die Haft kommen konnte.

Ich machte mich sofort auf den Weg ins Büro: „Herr Kuhn, Sie wollten, dass ich vorbeikomme?“ Er befahl mir, mich zu setzen und wies auf den ihm gegenüberliegenden Platz. „Ich habe mir Ihre Akte durchgelesen. Damit Sie Bescheid wissen: Sie können nicht in das Freigänger-heim, solange kein Beschluss vom Regierungspräsidium über ihre Abschiebung vorhanden ist. Kümmern Sie sich also darum. Ansonsten müssten wir noch Bezugspersonen festlegen. Haben Sie eine Freundin?“ Ich verneinte und machte mir zugleich Sorgen wegen des Beschlusses, den ich total verdrängt hatte. „Wie ich sehe, haben Ihre Eltern Sie regelmäßig besucht. Sollen wir die beiden als Bezugspersonen nehmen?“ Ich bejahte und fragte zugleich, was dies denn für mich hieße. „Die Bezugsperson muss Sie stets abholen, wenn Sie in den Ausgang gehen. Während es Ausgangs haben Sie stets bei der Bezugsperson zu sein. Wir rufen Ihre Bezugsperson auch an und fragen nach Ihnen“, erklärte mir Herr Kuhn. „Das ist kein Problem“, erwiderte ich glücklich. Der Gedanke an die Ausgänge erfreute mich, und es war selbstverständlich für mich, dass ich diese Zeit mit meinen Eltern bzw. meiner Familie verbringen würde. Ich durfte noch mit dem Festnetztelefon im Büro meine Mutter anrufen und ihr mitteilen, dass ich in Comburg war. Wir machten auch sofort einen Besuchstermin aus. Obwohl ich in den ersten vier Wochen nicht in den Ausgang durfte, war es mir dennoch erlaubt, alle zwei Wochen Besuch zu empfangen. Ich bedankte mich bei Herrn Kuhn. „Der Reiniger bringt Ihnen noch Arbeiterklamotten. Dann gehen Sie morgen arbeiten“, informierte er mich noch, bevor ich das Büro verlassen konnte.

Tarik und seine Truppe hatte sich wieder an die Arbeit gemacht und befand sich außerhalb des Hauses – so, wie es den Anschein machte, sogar ohne Aufsicht. Ich gesellte mich zu den übrig gebliebenen Häftlingen in dem Aufenthaltsraum. Es gab, wie üblich, übertriebene Geschichten, gelogene Geschichten, langweilige Geschichten – aber vor allem überdurchschnittlich viele Flüche. Doch alles in allem schienen die Häftlinge hier viel besser drauf zu sein, es herrschte zu keinem Zeitpunkt eine übermäßig deprimierte Stimmung, keiner hatte mit nur einem Wort seinen Anwalt erwähnt. Es herrschte Harmonie in diesem Haus. Nach einigen Stunden musste auch der letzte Häftling das Haus verlassen und im Stall arbeiten gehen. Zwei Stunden lang würde ich meine Ruhe haben, außer mir war nur der Reiniger da. Ich nutzte die Gelegenheit, um unter die Dusche zu springen. Mit meinem Handtuch und Shampoo in den Händen ging ich in Richtung Dusche, wobei ich dabei einen Umkleideraum durchqueren musste. Als ich mich im Umkleideraum befand, wurde mir plötzlich übel. Es war ein sehr intensiver Gestank von Fäkalien in der Luft. Wie konnte es in einer Umkleide nur so bestialisch stinken? Was war bloß in den Spinden drin? Schnell huschte ich in den Duschraum und zögerte keine Sekunde damit, das duftende Shampoo auf meinen Haaren zu verbreiten. Ich überlegte kurz, ob ich meine Unterhose ausziehen sollte, immerhin war niemand da. Während meiner ganzen Haftzeit hatte ich stets mit der Unterhose geduscht, doch so ganz traute ich mich dann doch nicht, mich komplett zu entblößen.

Der Abend verging ruhig und mit dem Einschluss um 22:00 Uhr schlief ich auch sofort ein. Mit Bernd hatte ich keine großen Gemeinsamkeiten gefunden, weshalb sich unsere weiteren Gespräche in Grenzen hielten. Morgen würde mein erster Arbeitstag mit den Jungs anstehen, und ich war aufgeregt, was die nächsten Monate mit sich bringen würden.

Ich wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass meine Pläne, die ich in dieser Nacht schmiedete, sich sehr bald als für die Katz herausstellen würden.
 

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Para La Santa Muerte

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Auch wenn das sicherlich gut für dich war, bin ich ein wenig enttäuscht, keine wirklichen Knastgeschichten mehr lesen zu können. Werde aber bis zum Schluss weiterlesen, versprochen. :T
 

xanadu

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Knastgeschichte ? ich würde mal eher sagen, Märchenbuch.
die Realität sieht anders aus !
 

Chegwidden

Hat sich hochgeschlafen-
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Plenken und BeSure anblöken gibt Kruppstahldildo unpoliert und ohne Vaseline. Ist schlimmer, als nach Seife bücken. Kennt er. Aus der Realität :beer:
 

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Para La Santa Muerte

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@xanadu:

Ich saß selber mal ein und kann sagen, daß BeSure mit Sicherheit keinen Mist schreibt. Was er schreibt, kann nur jemand wissen, der eben schonmal im Knast war.
 

BeSure

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@T_Low_Benz:

Nicht wieder im Knast :P

Hatte die Webseite kurz aus dem Netz genommen, ist aber wieder online.
Bezüglich neuer Kapitel dauert es wahrscheinlich noch ein wenig. Ich sitze aktuell an meiner Bachelor-Thesis.
 

T_Low_Benz

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Also ich bin kein Student aber langsam.sollte ein neues Kapitel kommen :D schaue mittlerweile der Zeit wegen nur noch direkt hier rein und hoffe auf neues :D lass dir Zeit aber vergiss uns nicht
 

Data

unmenschlich

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Es gibt doch eine Benachrichtigungsmöglichkeit per Email für neue Posts. Da sind dann 10 Nachfragen vor einem neuen Kapitel dabei, aber verpassen tut man nix.
 
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