• Hallo liebe Userinnen und User,

    nach bereits längeren Planungen und Vorbereitungen sind wir nun von vBulletin auf Xenforo umgestiegen. Die Umstellung musste leider aufgrund der Serverprobleme der letzten Tage notgedrungen vorverlegt werden. Das neue Forum ist soweit voll funktionsfähig, allerdings sind noch nicht alle der gewohnten Funktionen vorhanden. Nach Möglichkeit werden wir sie in den nächsten Wochen nachrüsten. Dafür sollte es nun einige der Probleme lösen, die wir in den letzten Tagen, Wochen und Monaten hatten. Auch der Server ist nun potenter als bei unserem alten Hoster, wodurch wir nun langfristig den Tank mit Bytes vollgetankt haben.

    Anfangs mag die neue Boardsoftware etwas ungewohnt sein, aber man findet sich recht schnell ein. Wir wissen, dass ihr alle Gewohnheitstiere seid, aber gebt dem neuen Board eine Chance.
    Sollte etwas der neuen oder auch gewohnten Funktionen unklar sein, könnt ihr den "Wo issn da der Button zu"-Thread im Feedback nutzen. Bugs meldet ihr bitte im Bugtracker, es wird sicher welche geben die uns noch nicht aufgefallen sind. Ich werde das dann versuchen, halbwegs im Startbeitrag übersichtlich zu halten, was an Arbeit noch aussteht.

    Neu ist, dass die Boardsoftware deutlich besser für Mobiltelefone und diverse Endgeräte geeignet ist und nun auch im mobilen Style alle Funktionen verfügbar sind. Am Desktop findet ihr oben rechts sowohl den Umschalter zwischen hellem und dunklem Style. Am Handy ist der Hell-/Dunkelschalter am Ende der Seite. Damit sollte zukünftig jeder sein Board so konfigurieren können, wie es ihm am liebsten ist.


    Die restlichen Funktionen sollten eigentlich soweit wie gewohnt funktionieren. Einfach mal ein wenig damit spielen oder bei Unklarheiten im Thread nachfragen. Viel Spaß im ngb 2.0.

Mein Hafttagebuch

Schrenk

Mit Glied

Registriert
16 Juli 2013
Beiträge
264
Super, dass es weitergeht :) Bin wieder regelmäßig am mitlesen.
 

BeSure

Aktiver NGBler

Registriert
9 Feb. 2016
Beiträge
172
  • Thread Starter Thread Starter
  • #284
Kapitel 42 - Mögen die Verhandlungen beginnen

Tarek verlegte man in eine andere JVA. Es wurde Zeit, dass ich auch von hier verschwand.
Der neue albanische Reiniger hatte plötzlich ein neues Handy. Es wurde Zeit, dass jemand anderes das Versteckspiel übernahm.
Die zwei Gruppierungen, Black Jackets und Red Legions, wurden wieder getrennt, mehrere Verlegungen fanden statt und sie hatten in der Zwischenzeit alle ihre Urteile bekommen. Es wurde Zeit, dass auch ich mein Urteil bekam.

Tayfun hatte 3 Jahre und 7 Monate bekommen und wurde in die Strafhaft verlegt. Savas hatte mit 4 Jahren und 6 Monaten knapp ein Jahr mehr bekommen, doch durfte er dafür in die Therapie. Das würde bedeuten, dass er nur noch ein paar Monate absitzen musste und das letzte Jahr vor seiner Halbstrafe in eine Therapieanstalt aufgrund seiner Drogensucht verbringen musste, bevor er dann entlassen werden würde.

Ich hatte gemischte Gefühle: Angst vor dem hohen Strafmaß, Freude aufgrund einer möglichen Entlassung, Hoffnung für die Entlassung meines Bruders, Erleichterung für meinen Geduldsfaden, aber vor allem Respekt vor der deutschen Justiz. Dutzende Urteile hatte ich während meiner Haftzeit mitbekommen, von Blitzentlassungen, Bewährungen, Freiheitsstrafen zwischen 3 und 10 Jahren, aber auch lebenslängliche Verurteilungen hatte ich gehört. Wo würde ich mich in dieser Skala befinden? Wie fühlten sich die Richter dabei, wenn sie das Urteil fällten? War es nur eine Zahl für sie? Würde mein Urteil milder oder härter ausfallen, würden die Richter meine Gedanken und Gefühle auch nur im Mindesten ahnen können? Wie viel Einfluss hatte ein Richter auf ein Urteil? Immerhin muss er seine Entscheidung auf dem Gesetz basieren. Ich stellte mir die Frage, weshalb unser Gesetz nicht so konzipiert ist, dass alle möglichen Betrugsfälle abgedeckt sind und mir so ein bestimmtes System sagen kann, was für ein Urteil ich bekomme? Könnte man eine Software erstellen, in die ich meine Tat eintippe, mein Alter, meinen Hintergrund, meine Kultur, meine Gedanken, Gefühle und sonst noch alles was dazu zählt, und dieser spuckt mir dann ein Urteil aus? Ich überlegte mir, dass solch eine Software wahrscheinlich um ein Vielfaches objektiver und somit besser wäre als ein menschlicher Richter. Welche Auswirkungen die Digitalisierung in der Justiz wohl haben würde…Der Informatiker in mir übernahm meine Gedankenwelt, als ich mich schon wieder im Transportbus mit Ziel Landgericht Stuttgart befand. Heute war mein erster Verhandlungstag und ich spürte meinen Körper nicht mehr. Alles Gefühl konzentrierte sich auf mein Gehirn, ich fühlte mich wie ein Geist. Wieder in meinem schicken Anzug folgte ich einem Beamten einen Gang entlang. Die Wände waren diesmal komplett weiß, das letzte Mal war ich wohl nicht hier gewesen. Am Ende des Gangs befand sich ein weiterer Beamter, wohl vom Landgericht Stuttgart. Er hatte eine Namensliste vor sich und hakte meinen Namen ab. „Darf ich zu meinem Bruder rein?“ fragte ich. Er grinste: „Natürlich.“ Dass dies ironisch gemeint war, merkte ich erst, als ich in der Zelle mit meinem Vesper (Halber Liter Wasser und ein Käsebrot) vor einem Häftling stand, der definitiv nicht mein Bruder war. Um dies zu erkennen, musste ich nicht mal seinen Hintern sehen. Der Raum bestand aus zwei kleineren Tischen, die an den Seiten an der Wand befestigt waren. Eine offene Toilette war auch Bestandteil der Zelle, wobei man das nicht wirklich Zelle nennen konnte, denn dies war schlimmer als eine Zelle. Keine Fenster und keine Gitter, nur verdammt weißes Licht mit verdammt weißen Wänden und ein Häftling in Jogging-Hose. Er hatte tatsächlich eine Gebetskette dabei und schaute mich grinsend an: „Voll schick! Hast heute Verhandlung, was?“ Ich nickte: „Ja, Du auch oder wie?“, seinen Klamotten zu urteilen war es ihm wohl schnuppe, was der Richter denken würde. Er bestätigte dies und fragte mich selbstverständlich, was ich denn getan hatte. Als ich gerade dabei war, ihm die Geschichte zu erzählen, unterbrach er mich mittendrin: „Alter! Bist Du der Bruder von dem Cem? Der ist doch auch heute hier, der war mit mir im Transportbus.“ Ich nickte und fragte gleich interessiert: „Wie geht es Cem so? War er aufgeregt oder hat er auf cool getan? Hat der Junge sich wenigstens gescheit angezogen?“ Er lachte. „Haha, klar ist der cool. Der hat sich genauso angezogen wie Du. Alter, stimmt das, dass ihr ne halbe Million gemacht habt?“ Ich war überrascht, es war einfach so gar nicht der richtige Zeitpunkt, dass Cem solche Lügen verbreitete, um gut dazustehen. Nachher gerieten diese Informationen noch an falsche Ohren. „Als ob, der übertreibt nur. Wir haben 130.000 EUR Schaden angerichtet, aber nur ca. 60.000 EUR Gewinn gemacht.“ Er sah etwas enttäuscht aus und hatte wohl das Bedürfnis, sich mit seiner Tat zu brüsten, die ich mehr als unangenehm anzuhören fand: „Haha, das ist ja gar nichts. Ich bin mit meinem Mittäter bei so einem reichen Casino-Besitzer eingebrochen, der hatte locker Sachen im Haus, die 100k und mehr wert waren. Plötzlich hören wir so ein Schnarchen im Wohnzimmer und sehen, dass der auf dem Sofa pennt. Dann bin ich zu dem hin und hab ihn abgestochen.“ Ich war baff, mit welcher Gelassenheit er den letzten Part seiner Geschichte über die Lippen brachte: „Du hast ihn getötet? Einfach so?“, fragte ich erschrocken. „Nein, der Arsch hat überlebt.“ Die Enttäuschung darüber konnte man seinem Gesichtsausdruck entnehmen. „Aber wieso hast Du nicht einfach die Sachen geklaut und bist abgehauen? Wieso musstest Du den abstechen?“, fragte ich war mehr als nur verwirrt nach. Er zuckte mit den Schultern: „Wenn der aufgewacht wäre und uns gesehen hätte, hätten die Bullen uns bekommen.“ Ich hatte aufgrund dieser Blödheit plötzlich einen Anflug von Mitleid mit ihm. Er verstand wohl nicht, dass er so in eine viel tiefere Scheiße geraten war. Doch das Mitleid verflog sehr schnell, als er mir dann etwas erzählte, was aus seiner Sicht wohl unglaublich cool war: „Weißt du, vor der Haft, da kommt meine Freundin und sagt so, die sei von mir schwanger. Ich guck die so an und hau mit voller Wucht auf ihren Bauch. Die lag dann auf dem Boden und hat voll lange geweint.“ Ich wollte ihm das erst nicht abkaufen, doch ich hatte schon einige kranke Leute in der Haft gesehen und seine Stimmlage sowie Mimik deuteten darauf hin, dass er die Wahrheit erzählte: „Warum hast Du ihr denn auf den Bauch geschlagen?“, wollte ich spontan wissen, obwohl ich schon vermuten konnte, was er damit bezwecken wollte: „Ja, damit das Kind verreckt. Kein Bock auf einen kleinen Bastard von der.“ Der Typ hatte es geschafft innerhalb von 10 Minuten auf meine Liste der Top5 meist-gehassten Häftlinge zu kommen.

Viele Worte wechselte ich nicht mehr mit ihm und wenn, dann nur, wenn er irgendetwas von mir wissen wollte. Ich zumindest wollte einfach nur raus aus diesem Raum und war gottfroh, als das erlösende Schlüsselgeräusch die Tür öffnete und ich der erste war, den sie zum Gerichtssaal mitnahmen. Mein Puls stieg, meine Beine waren zittrig und schwach und wie immer, wenn ich aufgeregt war, liefen regelrecht Bäche aus Schweiß aus meinen Händen. Ein Gedanke brachte mich zum Grinsen: Vielleicht finden die Richterinnen mich sympathisch und irgendwie süß … und vielleicht bin ich gar kein Häftling, sondern Manuel Neuer! Abartig, dass mir eine Cola – Werbung in solch einem Moment in den Sinn kam, aber es beruhigte mich. Ich betrat den Gerichtssaal, der Eingang war an der Seite und als ich nach rechts blickte, sah ich den Zuschauerbereich. Meine Eltern und meine Zwillingsschwester waren da, des weiteren der Vater von Adnan und ein paar ältere deutsche Paare, aber auch ein junger Mann, der sich Notizen machte. Eine junge Dame und ein breit gebauter Mann saßen in der hintersten Reihe und plötzlich erkannte ich ihn. Es war der Bundespolizist, der im August 2012 eine Hausdurchsuchung bei uns durchgeführt hatte, als nur mein Vater und ich mich im Haus befunden hatten. Ich wurde leicht rot, als ich mir bewusst wurde, dass ich ja gerade nur wegen des Ermittlungsverfahrens der Bundespolizei München hier war. Ich hatte zwar auch alles zu den anderen Ermittlungsverfahren, wie eben jene für die Bundespolizei Kassel genannt, doch die waren in der Anklageschrift gar kein Bestandteil. Würde da etwa noch etwas auf mich zukommen?

In Richtung Richterpult befanden sich hintereinander drei Tische, am hintersten Tisch saß bereits Adnan mit seinem Anwalt, ich nickte ihm zu und er grüßte mit einem Nicken zurück, an dem zweiten Tisch saß mein Bruder Cem mit seinem Anwalt und grinste nur, woraufhin ich auch grinsen musste. Ich hoffte, meine Eltern sahen das Grinsen nicht, denn ihre Gesichter waren voller Sorge und wenn sie dachten, dass wir das Ganze nicht ernst nähmen, wäre das sehr unangenehm für mich gewesen. Meine Anwältin saß am vordersten Tisch und ich setzte mich neben sie hin. Wir grüßten einander und sie sagte mir, dass ich offen und ehrlich sein solle, weil ich bereits ein Geständnis abgelegt hatte. Und sie habe mit der Richterin bereits gesprochen, es läge an uns, ob es dann tatsächlich 7 Verhandlungstage wurden oder ob wir es früher beenden konnten.

Mein Herz pochte, als die Tür hinter dem Richterpult aufging. Drei Richterinnen kamen aus der Tür und zwei weitere Personen in Zivil. Die Beamten nahmen uns die Handschellen ab. Wir mussten alle aufstehen, an das genauere Prozedere erinnere ich mich jedoch nicht, doch die Geschworenen legten einen Eid ab und als wir uns hinsetzten, blickte ich nochmals nach hinten, in die aufgeregten Augen meiner Mutter und dann auf Cem: „Ich krieg dich hier raus, Junge“, dachte ich mir innerlich und motivierte mich, das Ganze durchzustehen, für meinen Bruder und für meine Familie.

Die Staatsanwältin las die komplette Anklageschrift vor, sie sah sehr nett aus, wie eine sogenannte „Streberin“ aus der Schule. Die würde uns doch niemals zurück ins Gefängnis verdonnern, dachte ich mir. Die Richterinnen hörten konzentriert zu, doch immer wieder erwischte ich sie dabei, wie sie an bestimmten relevanten Stellen ihre vorwurfsvollen Blicke auf uns richteten. Als die Staatsanwältin nach einer gefühlten halben Ewigkeit fertig war, wandte sich die hauptvorsitzende Richterin in meine Richtung: „Sie haben die Anklageschrift gehört. Dann würde ich mal sagen, dass der ältere Ates-Bruder anfängt.“ Das ging schneller, als ich erwartet hatte, mein Hals war trocken und ich musste erst husten. Dann neigte mich zum Mikro: „Ähm, soll ich einfach sagen, was ich gemacht habe?“ Die Richterin lächelte: „Ja, fangen Sie einfach mal an zu erzählen.“ Ich richtete mich auf, strich nochmals verlegen über meine Haare, atmete tief ein und legte los: „Also, ich fang dann mal von ganz vorne an …“
 

BeSure

Aktiver NGBler

Registriert
9 Feb. 2016
Beiträge
172
  • Thread Starter Thread Starter
  • #285
Kapitel 43 - Alle Augen auf Emre

Etwas seltsam war es schon, als ich mir wieder bewusst machte, dass mehr als ein Dutzend Augen auf mich gerichtet waren und genauso viele Ohren meiner Stimme lauschten. Die hauptvorsitzende Richterin hatte bereits ihren Stift gezückt und begann damit, sorgsame Notizen anzufertigen, während ich erneut ein Geständnis abgab. Die beisitzenden Richterinnen schienen mich gar nicht im Visier zu haben, vielmehr beobachteten sie wohl die anderen beiden Angeklagten. Der Staatsanwältin würdigte ich keines Blickes, da sie außerhalb meines Blickfelds an ihrem Pult zu meiner Linken saß. Dafür wandte ich den Blick keine Sekunde von der Richterin ab, sie sollte mir in die Augen sehen können, um zu erkennen, dass ich nichts als die Wahrheit von mir gab … nun ja, zumindest so gut wie die ganze Wahrheit. Während ich ihr erzählte, wie ich überhaupt in die Untergrundszene geraten war, wie ich bei der Google-Suche auf den Begriff „Carding“ gestoßen war und wie mir zahlreiche „schwarze“ Seiten angezeigt wurden, erkannte ich, dass die Richterin ihre Hausaufgaben gemacht hatte. „Also, und dann habe ich gesehen, dass es Bankkonten gibt, die gefälscht sind, und habe mir eins davon gekauft“, fuhr ich fort, als die Richterin mich unterbrach: „Sie meinen sicherlich die sogenannten Bankdrops?“ Verblüfft, dass sie die Bezeichnung für ein gefälschtes Bankkonto in der Szene kannte, nickte ich und erzählte ihr, dass ich es von einem User Namens „Louch“ gekauft hatte. Dabei musste ich ihr jedoch mehrmals verklickern, dass ich den wahren Namen dieses Users nicht kannte und auch nie Interesse daran gehabt hatte, diesen in Erfahrung zu bringen. Weiterhin erzählte ich, wie ich auf die Methode gekommen war, um Geld auf den Bankdrop zu bekommen. „’Filling‘ nennt sich das“, merkte ich am Rande an und die Richterin nickte, als würde sie meine Aussage in ihrer Richtigkeit bestätigen. „Den Hasan, von dem Sie die Fillling-Methode gekauft haben, kennen wir schon. Er ist in Deutschland vorbestraft, wir werden uns um ihn kümmern.“ Die Richterin prahlte augenscheinlich mit diesem Erfolg. Ich hingegen war verwundert, dass der Türke tatsächlich seinen wahren Namen genutzt hatte, um mit mir Handel zu treiben. Sicherlich hatte die Polizei seine komplette Anschrift durch die Western-Union-Transaktion in Erfahrung gebracht, über die ich ihm das Geld für das Preisgeben der Fillingmethode zugesandt hatte. Als mir dann eine Liste mit mehr als 800 Zeilen auf den Tisch gelegt wurde, und jede Zeile ein einzelner Fall war, für den ich laut der Richterin einzeln belangt werden würde, wurde es mir jedoch zu blöd. Ich sollte wirklich jeden dieser Fälle durchgehen und bestätigen, dass ich das war. Anhand der E-Mail-Adressen und auch sonstiger ähnlicher Merkmalen, wie z.B. bei der Namenswahl, wusste ich genau, dass diese Fälle mir korrekt zugeordnet werden konnten. Doch das Gericht wollte auf etwas völlig anderes hinaus: Sie wollten wissen, welche Fälle mein Bruder Cem, Adnan, ich, oder wir alle gemeinsam gemacht hatten. Die Zeiten in den Einträgen waren angegeben und ich sagte stets aus, dass keiner der Fälle von Dreien gleichzeitig durchgeführt worden war, sondern nur in Kombination mit meinem Bruder und mir sowie Adnan. Fortan wollte das Gericht wissen, welche Tickets mein Bruder bestellt hatte. „Er hat gar nichts bestellt. Ich habe alles bestellt. Er war nur dabei, wenn ich Geld abgehoben habe, mehr nicht.“ Die Richterin schien mir das nicht abzukaufen: „Wir haben mehrere Daten auf dem Rechner Ihres Bruders entdeckt. In ICQ-Chatverläufen ist stets von beiden Brüdern die Rede. Sind Sie sicher, dass ihr Bruder nichts gemacht hat?“ Die Richterin sah mich mit strafenden Blicken an, als ich ihr stets vor Augen führte, weshalb mein Bruder Cem gar nichts gemacht haben konnte: „Der Cem ist ein total fauler Junge, er wäre sich zu schade gewesen, sich eine solch große Arbeit zu machen, indem er Tickets verkauft. Er saß immer auf der Couch und hat geraucht, während ich die Tickets bestellt habe. Außerdem hätte ich ihm nie sowas anvertraut, ich bin der Typ, der gerne alles selber macht und die volle Kontrolle hat. Sein Notebook habe ich genutzt, weil ich selbst keins besaß, deshalb ähneln sich die Passwörter auch, denn ich habe das TrueCrypt-Passwort auf dem Rechner meines Bruders erstellt. Er wäre nie auf solch eine Kombination gekommen. Theoretisch gesehen gehört das Notebook mir, es wurde auch bei mir in Esslingen in der Wohnung gefunden.“ Eine aus meiner Sicht sehr logische Erklärung, und doch, die Richterinnen schienen nicht ganz überzeugt zu sein: „Warum haben Sie denn ihrem Bruder Geld gegeben, wenn er ja sowieso nichts gemacht hat und laut ihrer Worte ‚zu faul‘ war?“ Ich musste nicht lange überlegen: „Er ist mein Bruder. Natürlich gebe ich ihm Geld. Ich musste mit jemandem das Geheimnis teilen, ich konnte es nicht für mich behalten. Da eignete sich mein Bruder am besten. Außerdem hätte er mich sicherlich bei meinen Eltern verraten, hätte ich ihm kein ‚Taschengeld‘ gegeben.“ Eine weitere Notiz der Richterin brachte Sie zur letzten, durchaus berechtigten Frage: „Was haben Sie denn mit dem ganzen Geld gemacht?“ Ich muss zugeben, bis heute kann ich diese Frage weder ausstehen, noch wirklich beantworten: „Ich weiß es nicht, wir haben es halt ausgegeben.“ Diesmal konnte ich den Zorn in den Augen der Richterin deutlich erkennen: „Sie wollen mir doch nicht weismachen, dass Sie nicht wissen, was Sie mit 60.000 EUR angestellt haben?“ Ich wurde etwas verlegen und errötete: „So auf die Schnelle kann ich es nicht sagen, aber ich kann bis zum nächsten Mal eine Liste machen, wofür ich es ausgegeben haben könnte. Im Grunde genommen haben wir Autos gemietet, waren oft in Shisha-Bars, haben Freunde eingeladen, wurden in der Szene auch einige Male um hohe Beträge erleichtert, und Miete, Lebenserhaltungskosten während des Studiums und so ein Kram, war auch noch dabei.“ Mit dem Vorschlag der Liste konnte ich die Richterinnen zähmen. Nun war ich derjenige, der seine Hausaufgaben erledigen sollte.

Mehrere Stunden waren vergangen, mein Kopf schmerzte, meine Lunge war staubtrocken und meine ganzen Klamotten von Schweiß durchnässt. Gerade als ich dachte, dass ich nun durchatmen konnte, kam der nächste Stressfaktor: Die Richterin wandte sich meinem Bruder Cem zu, ich folgte ihren Blicken und bekam fast die Krise, als wir ihn zeitgleich dabei erwischten, wie er irgendwelche Männchen auf ein Blatt kritzelte. Als er dann merkte, dass er gerade – zumindest aus seiner Sicht – im Rampenlicht stand, blickte er hoch und grinste, als er unsere Blicke bemerkte. Die Empörung über sein Desinteresse stand uns ins Gesicht geschrieben und er grinste erst mich, dann die Richterinnen an. Diese schienen, genauso wie ich, nichts Lustiges daran zu finden und dachten sich sicherlich, dass ihm das Lachen gleich vergehen würde: „So, wenn Sie dann fertig mit Ihren Männchen sind, können Sie anfangen, alles zu erzählen.“ Cem setzte seinen „I don’t give a shit“- Blick auf, seufzte theatralisch und antwortete mit einem frechen Grinsen auf den Lippen: „Was soll ich denn noch sagen? Mein Bruder hat doch schon alles gesagt.“ Die hauptvorsitzende Richterin schwieg, stattdessen kam die Richterin zu ihrer Rechten zu Wort. Als ich ihre Stimme hörte, musste ich an „Guter-Bulle, Böser-Bulle“ denken, und sie schien letzteres zu sein: „Haben Sie mal etwas Respekt gegenüber dem Gericht! Das ist kein Kindergarten hier! Am besten, Sie fangen mit der SMS an, die ein eindeutiger Beweis für ihre Tatbeteiligung ist!“ Mein Bruder hatte sich mit den Falschen angelegt, und langsam merkte ich, dass die Frage der Bewährung für meinen Bruder nicht nur von mir abhing, sondern vielmehr von ihm.

Und da sah es ganz und gar nicht gut aus.
 

T_Low_Benz

Neu angemeldet

Registriert
14 Juli 2013
Beiträge
173
Da schaut man mal bei Google und findet ein Interview von dir -.-
Scheiß Spoiler :D
Aber dann dir das du jetzt wieder los legst.
Lg
 

Propaganda

Para La Santa Muerte

Registriert
31 Okt. 2013
Beiträge
224
Ort
OASIS
Da ich selbst mal in Haft war, finde ich das eine verdammt interessante Lektüre. Immer weiter so, Herr Ates! :T
 

BeSure

Aktiver NGBler

Registriert
9 Feb. 2016
Beiträge
172
  • Thread Starter Thread Starter
  • #288
Kapitel 44 - Alle Augen auf Cem

Cems Auftritt wurde auf nach der Mittagspause verlegt. Genug Zeit, um sich von dem stressigen Geständnis vor Gericht zu erholen. Alle strafenden Blicke der Anwesenden fühlten sich schmerzvoll an, ich fühlte mich wie der Teufel, der zur Pilgerfahrt symbolisch gesteinigt wird. Der Zellenkollege war ebenfalls zur Mittagspause da, Abde hieß er, und schien unbeeindruckt von seinem Gerichtsverfahren zu sein: „Ich halte einfach meine Fresse, der Richter kann mich mal.“ Sein Mittäter befand sich mit Cem in einer anderen Zelle. Er schwieg auch wie ein Grab – ganz anders als ich. Meine Hoffnung bestand darin, dass Cem ebenfalls mit dem Gericht kooperieren würde. Durch unser vorzeiliges Geständnis blieb uns sowieso nichts Anderes übrig, als die reine Wahrheit zu sagen. Wichtig war es nun, das Gericht davon zu überzeugen, dass wir nicht logen. Die Richterin schien weder die Beziehung zwischen meinem Bruder und mir, noch die türkische Kultur zu verstehen: „Weil er mein Bruder ist“, war meine Antwort auf die Frage der Richterin, weshalb ich Cem am Gewinn beteiligt hatte. Die Unzufriedenheit über meine Begründung hatte ich allen Vorsitzenden aus den Gesichtern lesen können.

Ich nahm große Schlucke von meinem Wasser, als frühzeitig ein Beamter vor meiner Zellentür stand: meine Anwältin suchte das Gespräch mit mir. Der „Besprechungsraum“ war direkt nebenan, meine Anwältin saß hinter einer Scheibe und ich setzte mich auf den einzig vorhandenen Stuhl ihr gegenüber. „Das war toll, Herr Ates! Ich bin mir sicher, dass Sie das Gericht überzeugt haben und glaubwürdig erscheinen. Etwas Sorgen um ihren Bruder mache ich mir jedoch schon, er scheint das Ganze nicht ernst zu nehmen. Die Vorsitzenden schienen nicht positiv auf ihn zu reagieren, vor Allem nach Ihrem sympathischen Auftritt fällt ihr Bruder mit seinem Verhalten deutlich negativ auf“. Da war sie nicht die einzige, die diesen Eindruck über meinen Bruder vertrat: „Das Problem ist, es ist erstmal total egal, was mit mir passiert. Also wäre schon super, wenn ich eine so geringe Strafe wie möglich bekomme, aber wenn mein Bruder nicht rauskommt, dann war alles, vor Allem das Geständnis, für die Katz.“ Ich bekam eine Wut gegenüber meinem verantwortungslosen Bruder, am liebsten hätte ich ihm ein paar Respektschellen gegeben und ihm gesagt: „Raff dich mal auf und sei dir dem Ernst deiner Lage bewusst!“ Doch etwas viel Wichtigeres stand im Raum: „Wir müssen darum kämpfen, dass Sie drei nicht als Bande verurteilt werden, damit steigt die Strafe um einiges, dann kann nicht nur Ihr Bruder die Bewährung vergessen, sondern Sie müssen auch mit mindestens fünf Jahren Freiheitsstrafe rechnen. Daher habe ich auch mit dem Anwalt von Herrn Polat geredet, er ist natürlich derselben Meinung. Sie haben bereits die Vorlage gegeben, dass Sie zu keinem Zeitpunkt gleichzeitig agiert haben, die anderen beiden müssen dies nur noch so unterschreiben.“ Ich bedankte mich bei ihr und wurde zurück in meine Zelle gebracht, die ich dann nach einigen Minuten Richtung Gerichtssaal verließ. Es ging nun weiter.

Cem war dran.

Die Richterin begann sofort damit, den Nachrichtenaustausch vorzulesen und gab an, dass der SMS – Verkehr am 15. Februar 2013, also ca. 2 Monate vor der Verhaftung, nachts um 1:21 Uhr stattgefunden hatte:

Cem: „Hey Bruder, kannst Du bitte heute woanders schlafen? Ich habe hier eine auf der Party abgecheckt und brauch eine Wohnung.“

Emre: „Ähm, nein?! Ich arbeite gerade, während Du Spaß auf der Party hast, ein scheiß bekommst Du heut meine Wohnung.“

Cem: „Bitte Bruder, komm schon! Kannst Du nicht in ein Hotel gehen? Komm schon.“

Emre: „Alter, ich habe morgens um 8:00 Uhr Uni, einen scheiß gehe ich in ein Hotel, geh Du doch! Du kannst ja ihre Nummer nehmen und Dich mit ihr morgen treffen.“

Cem: „Ich habe kein Geld mehr :( Bruder, bitte! Ich schwöre ich mach alles was Du willst! Du kannst das nächste Mal meinen Anteil haben! Ich will dann gar nichts.“

Emre: „Willst Du mich verarschen? Du arbeitest sowieso nie, das ist eh mein Anteil, ich habe die ganze Nacht gearbeitet. Knall die halt auf dem WC oder so, ist mir sowas von egal! Wehe Du kommst mit der hierher, ich kick dich sofort raus! Ich habe morgen früh Uni und gehe jetzt schlafen.“

Cem: „OK amk!“

Mein Gesicht glich am Ende einer reifen Tomate, es war mir extrem peinlich, dass meine Eltern das hörten. Ich blickte zu ihnen und stellte fest, dass meine Mutter auch rot angelaufen war. Nicht vor Wut, sondern weil es ihr ebenfalls peinlich war. Meine Zwillingsschwester war weniger aufgebracht, vielmehr erwischte sie mich dabei, wie ich zu ihr blickte, und grinste mich an à la „Du Idiot, haha“. Über die Reaktion meines Vaters wunderte ich mich sehr: er hatte sich vorgebeugt, die Arme auf den leeren Stuhl vor sich angelehnt hatte ein breites Grinsen auf dem Gesicht. So wie ich meinen Vater einschätzte, war ich mir sicher, dass er sich gerade dachte: „Gott sei Dank, wenigstens einer meiner Söhne ist nicht vom anderen Ufer.“ Ein Grinsen machte sich auch auf meinem Gesicht breit und die Rötung flachte etwas ab. Cem wiederum schien ganz stolz darauf zu sein, dass seine Eroberung an jener Nacht hier so öffentlich präsentiert wurde.

Die Richterin fuhr fort: „Also, Herr Ates…“, sie blickte auf meinen Bruder, „Sie haben bei Ihren Eltern gewohnt, Ihr Bruder hatte eine eigene Wohnung in Esslingen, Sie waren in jener Nacht auf einer Party und wollten, dass Ihr Bruder für die eine Nacht Ihnen seine Wohnung zur Verfügung stellt. Was sie dort machen wollten, geht ja sehr deutlich aus dem eben Vorgetragenen hervor. Ist das alles richtig?“ Cem grinste weiterhin und bejahte. „Von welcher Arbeit spricht denn Ihr Bruder bei seinen Nachrichten?“, wollte die Richterin wissen. Dass das eine rhetorische Frage war, verstand mein Bruder wohl nicht und antwortete mit einem Tonfall, der das Gegenüber unweigerlich dumm dastehen ließ: „Ähh, den Ticketverkauf natürlich?!“ Den Richterinnen gefiel diese Art, mit ihnen zu sprechen, natürlich gar nicht: „Also der Ticketverkauf, an dem Sie auch beteiligt waren?“ Cem blickte fragend durch die Gegend: „Nein, mein Bruder hat immer am Computer verkauft. Ich habe das nicht gemacht.“ Die Richterin zur Rechten der Hauptvorsitzenden übernahm nun das Wort: „Sie sprechen von einem Anteil, den Sie ihrem Bruder überlassen wollten. Wofür haben Sie denn den Anteil bekommen?“ Cem machte nun einen Fehler und gab den Richterinnen einen Grund, ihn als Mittäter einzustufen: „Für das Geld abheben. Mein Bruder hatte immer Schiss Geld abzuheben, der hat jemanden gebraucht, der es für ihn gemacht hat. Deswegen habe ich immer mit Helm, Sonnenbrille und Schal das Geld abgehoben. Er hat dann halt Schmiere gestanden. Und dann kam ich mit dem abgehobenen Geld. Er hat mir dann das gegeben was er wollte. Meistens halt die Hälfte.“ Ich traute meinen Ohren kaum. Die Richterinnen, hatten sie doch endlich etwas gefunden, zückten sogleich ihre Stifte und begannen, sich Notizen zu machen. Ich entnahm ihrem Blick, dass meine Anwältin sich am liebsten auf die eigene Stirn geschlagen hätte, auch sie notierte sich etwas. Cems Anwalt schien ebenfalls überrascht von der Aussage zu sein.

Die Stimmung der Richterinnen wandelte sich ob dieser Entwicklung so langsam zum Positiven: „Erzählen Sie mal, was haben Sie denn noch so gemacht, was Ihr Bruder nicht machen wollte oder konnte? Er hat Sie doch sicherlich auch für andere Zwecke gebraucht, z.B. weil er zeitlich durch seine Arbeit oder den Vorlesungen verhindert war?“ Cem überlegte kurz: „Nichts. Das war das Einzige was ich gemacht hab, Geld abheben.“ Die Richterin rutschte wieder in ihre negative Gemütslage: „Sind Sie sich sicher? Wir haben ihre ICQ-Chatverläufe von „prestige“, also Ihren Usernamen. Aus diesen geht in vielen Unterhaltungen hervor, dass Sie Kreditkarten beschafft haben, auch an dem Kauf der Bankdrops haben Sie sich beteiligt.“ Ihre Aussagen basierten – inklusive Seitenangaben – auf den Ermittlungsakten. Meine Anwältin öffnete sofort die entsprechenden Unterlagen auf ihrem Rechner und deutete mit dem Stift auf die zitierten Passagen, so dass ich mir ebenfalls ein Bild davon machen konnte. Es lief gerade sehr schlecht. Auch wenn Cem Recht damit hatte, dass ich Angst vor dem Geldabheben hatte und lieber Schmiere gestanden war, weil ich den Überblick behalten wollte – war die Behauptung der Richterin, dass er sonstige Aufgaben übernahm, einfach falsch. Mein Bruder sollte dann noch erzählen, wie es dazu kam, dass er sich mit mir verstritt, für einige Monate in der Türkei war und wie er mich dazu brachte, die Mittäterschaft mit Adnan aufzugeben.

„Als ich zurück aus der Türkei war, wusste ich, dass mein Bruder noch weitermacht. Er hatte immer genug Geld dabei. Ich habe auch gesehen, dass er angefangen hatte, mit Adnan abzuhängen, die ganze Zeit. Da habe ich mir schon gedacht, dass die gemeinsam Geschäfte machen. Meinen Bruder konnte ich schon immer leicht überzeugen, vor Allem wenn es darum ging, sich für mich zu entscheiden. Irgendwann hat er dann Adnan gesagt, dass die Bankdrop-EC-Karte eingezogen wurde und er aufhören möchte. Weiß nicht, ob Adnan ihm das abgekauft hat, aber danach hat er auch nicht darauf gepocht, weiterzumachen.“ Wenigstens hatte mein Bruder diesmal mit seiner Aussage dafür gesorgt, dass die Mittäterschaften klar dargestellt wurden. Ein Schmunzeln gab es dann doch noch, als die eine Richterin, die bisher kein Wort von sich gegeben hatte, wissen wollte, wofür das Kürzel „amk“ in der SMS von Cem stand. „Ähm, das ist ein türkisches Schimpfwort“, grinste Cem: „’amına koyayım’ heißt es ausgeschrieben.“ Die Richterin schaute ihn fragend an. Ich fragte mich, was sie erwartet hatte. „Und auf Deutsch?“, wollte sie wissen. Cem zögerte erst, doch als die Richterin auf die Antwort bestand, übersetzte es Cem. Ich weiß nicht, ob dies der Auslöser war, dass ich an die türkische und dann an die deutsche Sprache dachte, doch mir kam ein Geistesblitz: „Darf ich kurz was sagen?“, fragte ich. Die Hauptvorsitzende hatte mich schon aus ihrem Fokus verloren und schien verwundert, meine Stimme zu hören: „Ja, bitte. Sie haben das Wort, Herr Ates.“

„Also, Sie haben ja gesagt, dass aus den ICQ-Chatverläufen hervorgeht, dass Cem auch Kreditkarten gekauft hat usw. Das hat er auf jeden Fall nicht, er hat nur Geld abgehoben. Ich kann das beweisen, wenn Sie mal bitte die Chatverläufe nochmals ansehen würden. Ich habe nämlich den Account von meinem Bruder ständig verwendet. Und wenn Sie den Schreibstil ansehen, dann werden Sie erkennen, dass ich stets auf die Groß – und Kleinschreibung, sowie Kommasetzung achte. Das macht so gut wie keiner auf ICQ. Ebenso wenig mein Bruder, er schreibt sogar Wörter total falsch. Wenn Sie dann einfach mal schauen, wo auf einen korrekten Schreibstil geachtet wurde, werden Sie sehen, dass genau diese Verläufe etwas mit Kreditkartenverkäufen zu tun haben. Dort, wo nicht drauf geachtet wurde, war es mein Bruder und dann immer nur Smalltalk, ohne jeglichen Geschäftsvorgang.“ Ich war stolz auf meine Erkenntnis und schien die Richterinnen auch überzeugt zu haben, dies konnte ich spüren, als sie die Chatverläufe kurz überflogen.

Doch dann begaben Sie sich wieder in den Angriffsmodus: „Sie haben aber erwartet, dass Ihr Bruder „arbeitet“, ist das nicht so? Ihrer SMS kann man entnehmen, dass Sie enttäuscht sind, dass er nicht arbeitet.“ Ich versuchte, meine Intention hinter der SMS zu erklären: „Ich wollte einfach nur, dass er es nicht als selbstverständlich ansieht, dass ich ihm Geld gebe. Dass er es sich nicht „verdient“ hat, dass ich es ihm nur gebe, weil er eben mein Bruder ist.“ Die Hauptvorsitzende war genervt: „Herr Ates, Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass wir Ihnen diese „Er-ist-mein-Bruder“-Geschichte abkaufen. Ihr Bruder hat zugegeben, dass Sie ihn für das Geld-Abheben bezahlt haben.“ Ich war ebenfalls genervt, sie schien es einfach nicht zu verstehen: „Ich hätte mir genauso gut einen Läufer holen können und dem nur 10% abgeben können, statt meinem Bruder 50% zu geben. Ich hätte mich auch selbst dazu bewegen können, Geld abzuheben. Ich habe aber meinem Bruder etwas Gutes tun wollen, ich hatte schon Jahrelang das Gefühl, für ihn verantwortlich zu sein. In unserer Kindheit musste ich als älterer Bruder immer eine gewisse verantwortungsvolle Rolle einnehmen. Ich fühlte mich dadurch, dass ich ihm das Geld gegeben habe, von dieser Verantwortung befreit. Ich kann nur sagen, dass ich ihm das Geld gegeben habe, weil er mein Bruder ist und nicht, weil ich ihn für irgendeine Tätigkeit bezahlt habe.“

Meine Anwältin klinkte sich in die Diskussion ein und erhoffte sich dadurch wohl, mir einen Vorteil zu verschaffen: „Darf ich mich kurz einmischen? Ich möchte eine Frage an den jüngeren Ates stellen, wenn dies in Ordnung ist.“ Die Richterin gestattete dies.

Meine Anwältin drehte sich zu meinem Bruder um: „Also Cem, nehmen wir einfach mal an, dein Bruder hätte keinen Betrug gemacht. Wäre einer ganz normalen Arbeit nachgegangen und hätte eine Menge Geld. Wenn Du zu ihm gekommen wärst, weil du Geld gebraucht hättest – denkst du, er hätte dir Geld gegeben, nur aufgrund der Tatsache, dass du sein jüngerer Bruder bist?“

Cem blickte mich direkt an: „Natürlich nicht.“
 
Zuletzt bearbeitet:

LiamLie

#RACING

Registriert
15 Sep. 2013
Beiträge
147
Nimms mir nicht übel, aber dein Bruder scheint auch nicht die hellste Kerze auf dem Kuchen zu sein :m
 

Metal_Warrior

Defender of Freedom
Teammitglied

Registriert
10 Aug. 2013
Beiträge
6.830
Ort
/dev/mapper/home
Oh Mann, noch deutlicher kann er dir nicht sagen, dass er profilierungssüchtig ist? So ein Verhalten erinnert mich an was:
 

fot

Neu angemeldet

Registriert
8 Sep. 2017
Beiträge
1
Könnte mir vorstellen der Bruder liest das auch und hat das Ganze vielleicht etwas anders in Erinnerung. Ist aber nur Mutmaßung :)

Andere Frage an BeSure wegen der Deutschen Staatsangehörigkeit. Wann darfst Du die wieder beantragen? Deutschland wäre doch bekloppt einen (angehenden) Akademiker nicht zu "verstaatlichen". :cool:
 

BeSure

Aktiver NGBler

Registriert
9 Feb. 2016
Beiträge
172
  • Thread Starter Thread Starter
  • #294
@fot:

Ja, er liest in der Tat das Hafttagebuch auf meinem Blog und ist natürlich durchgedreht. Er hat mehrere Kommentare verfasst, die ich allerdings nicht zur Veröffentlichung genehmigt habe. Stattdessen bin ich auf seine Kommentare auf privaten Kommunikationsweg eingegangen und habe danach keine Rückmeldung mehr von ihm bekommen. Es ist nunmal so, dass ich alles aus meiner Sicht erzähle, ich kann das gar nicht aus neutraler Sicht erzählen, das alles ist aus der Ich-Perspektive. Mein Bruder kann ja gerne nen Hafttagebuch 2.0 schreiben und alles aus seiner Sicht erzählen :P Achja, das mit dem „Natürlich nicht“ leugnete er nicht, seine Rechtfertigung ist, dass er nicht lügen wollte.

Bezüglich der deutschen Staatsbürgerschaft bin ich selbst schon am Verzweifeln, ich merke erst jetzt wie wertvoll die Staatsbürgerschaft ist. Habe nur Probleme was Auslandsaufenthalte (z.B. aktuell Auslandssemester in UK) angeht, aber auch bei Arbeitsverträgen fühl ich mich schief angesehen, wenn ich mit einem befristeten Aufenthaltstitel angetanzt bekomme.
Damals meinte die Frau vom Ausländeramt, dass mich aktuell nichts von einem syrischen Flüchtling unterscheiden würde. Meine Niederlassungserlaubnis bekomme ich erst 2021, weil ich aktuell eine befristete Aufenthaltserlaubnis bis zu dem oben genannten Datum habe und mein Führungszeugnis 2019 sauber wird. Die Deutsche Staatsbürgerschaft bekomme ich aber erst 2029, weil mein Bundeszentralregister sauber sein muss und meine Vorstrafe bleibt da 15 Jahre lang eingetragen, bis 2029. Ich versuch es aber nach meinem Abschluss mal trotzdem :D
 

Trolling Stone

Troll Landa
Barkeeper

Registriert
14 Juli 2013
Beiträge
25.320
Ort
Trollenhagen
@BeSure:

Und wenn du eine deutsche Staatsbürgerin heiratest (oder Staatsbürger, je nach deiner Sexualität), bekommst du dann nach einem Jahr schon die deutsche Staatsbürgerschaft oder geht das auch erst ab 2029?
 

Propaganda

Para La Santa Muerte

Registriert
31 Okt. 2013
Beiträge
224
Ort
OASIS
@BeSure

Ich wurde noch im kommunistischen Polen geboren und habe daher zwei Staatsbürgerschaften. Musste mich aber nie für eine davon entscheiden. Wieso macht man bei dir so ein aufhebens darum?
 

BeSure

Aktiver NGBler

Registriert
9 Feb. 2016
Beiträge
172
  • Thread Starter Thread Starter
  • #297
@Trolling Stone:
Danach habe ich mich auch erkundigt. Es gibt gewisse Vorraussetzungen die man bei der Einbürgerung erfüllen muss. Unter Anderem, dass man mindestens 8 Jahre in Deutschland gelebt haben muss und auch nicht vorbestraft sein darf bzw. das Bundeszentralregister sauber sein muss. Mit der Heirat einer deutschen Staatsbürgerin würde sich lediglich die Mindestaufenthaltsdauer von 8 Jahren auf 3 Jahre reduzieren, die Vorraussetzung mit der Vorstrafe bleibt dennoch bestehen. So ist zumindest mein Kenntnisstand, womit ich meine deutsche Staatsbürgerschaft erst ab 2029 erlangen kann. Es gibt nur zwei Wege diese schon früher zu bekommen: 1. Antrag beim zuständigen Amt stellen, dass ein Eintrag vom Bundeszentralregister gelöscht wird - so gut wie unmöglich 2. Antrag auf die Einbürgerung stellen, falls es Kriterien gibt die nicht erfüllt werden können (z.B. mit der Vorstrafe), kann das zuständige Amt unter gewissen Umständen dennoch der Einbürgerung zustimmen - "Let's give it a shot" ist hier meine Devise, nach meine Aufenthalt in UK.

@Propaganda:
Also bis 2014 musste man sich zwischen der deutschen und türkischen Staatsbürgerschaft entscheiden, wenn man das 23. Lebensjahr vollendet hatte. Ich hatte dies vollendet und hatte mich "indirekt" für die türkische Staatsbürgerschaft entschieden, da ich keine Schritte unternommen hatte um die deutsche Staatsbürgerschaft zu behalten. Danach kam die Regelung, dass man beide behalten darf. Da ich meine deutsche schon verloren hatte, muss ich quasi nochmals die Einbürgerungsprozedur durchmachen, aber ich erfülle die Vorraussetzung mit der Vorstrafe nicht. Einerseits frage ich mich gerade, ob es nicht eine Sonderregelung gibt, da ich ja die deutsche Staastbürgerschaft bereits besaß, da muss ich doch keine Einbürgerungskriterien erfüllen?
 

Trolling Stone

Troll Landa
Barkeeper

Registriert
14 Juli 2013
Beiträge
25.320
Ort
Trollenhagen
Das klingt halt wieder nach typisch Deutschland mit seiner Bürokratie. :dozey:
Sowieso merkwürdig, dass du während des Gefängnisaufenthalts so in die Scheiße geritten wurdest. Wieso muss diese Strafe noch solch einen Rattenschwanz nach sich ziehen? Vollkommen unnötig imho.
 

Schrenk

Mit Glied

Registriert
16 Juli 2013
Beiträge
264
Das ist sogar in der Wissenschaft ein viel diskutiertes Problem.. die doppelte Bestrafung von Inhaftierten. Vom Gesetz ist der Freiheitsentzug die Strafe, jedoch werden Gefangene noch viel mehr bestraft: Soziale Ausgrenzung, Sanktionen während der Haft, viele Probleme nach Haftentlassung... das ist wieder ein gutes Beispiel dafür.

@BeSure Danke für deine Berichte :)
 

BurnerR

Bot #0384479

Registriert
20 Juli 2013
Beiträge
5.504
Jo das ist blöd, dass es eher einfach 'weiter nach unten' geht, aber sehr schwer 'zurück soweit nach oben wo man vorher war', also unter der Voraussetzung, dass dies aktiv angegangen wird.
Irgendwie interessant, im privaten baut sich Vertrauen auch nur langsam auf und kann sehr schnell auf null springen und das gilt hier ja auf staatlicher und gesellschaftlicher Ebene ja auch so.
 
Oben