• Hallo liebe Userinnen und User,

    nach bereits längeren Planungen und Vorbereitungen sind wir nun von vBulletin auf Xenforo umgestiegen. Die Umstellung musste leider aufgrund der Serverprobleme der letzten Tage notgedrungen vorverlegt werden. Das neue Forum ist soweit voll funktionsfähig, allerdings sind noch nicht alle der gewohnten Funktionen vorhanden. Nach Möglichkeit werden wir sie in den nächsten Wochen nachrüsten. Dafür sollte es nun einige der Probleme lösen, die wir in den letzten Tagen, Wochen und Monaten hatten. Auch der Server ist nun potenter als bei unserem alten Hoster, wodurch wir nun langfristig den Tank mit Bytes vollgetankt haben.

    Anfangs mag die neue Boardsoftware etwas ungewohnt sein, aber man findet sich recht schnell ein. Wir wissen, dass ihr alle Gewohnheitstiere seid, aber gebt dem neuen Board eine Chance.
    Sollte etwas der neuen oder auch gewohnten Funktionen unklar sein, könnt ihr den "Wo issn da der Button zu"-Thread im Feedback nutzen. Bugs meldet ihr bitte im Bugtracker, es wird sicher welche geben die uns noch nicht aufgefallen sind. Ich werde das dann versuchen, halbwegs im Startbeitrag übersichtlich zu halten, was an Arbeit noch aussteht.

    Neu ist, dass die Boardsoftware deutlich besser für Mobiltelefone und diverse Endgeräte geeignet ist und nun auch im mobilen Style alle Funktionen verfügbar sind. Am Desktop findet ihr oben rechts sowohl den Umschalter zwischen hellem und dunklem Style. Am Handy ist der Hell-/Dunkelschalter am Ende der Seite. Damit sollte zukünftig jeder sein Board so konfigurieren können, wie es ihm am liebsten ist.


    Die restlichen Funktionen sollten eigentlich soweit wie gewohnt funktionieren. Einfach mal ein wenig damit spielen oder bei Unklarheiten im Thread nachfragen. Viel Spaß im ngb 2.0.

Mein Hafttagebuch

Doc Lion

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Das finde ich ja nicht so glücklich gelöst, wenn der da nicht einmal am Anfang vorbeikommt. Finde, so würde sich das gehören.


Weshalb sollte der Leiter einer JVA jeden Häftling einzeln 'begrüßen'? Dahinter sehe ich keine System bedingte Notwendigkeit.

Hier wird (wieder mal) von dem einen oder anderen vergessen, weshalb es JVAs gibt.
Bisschen verfehlte Sozialromatik manchesmal.
 

BeSure

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@MSX:

Ja, ich weiss nicht. Hauptsächlich sind die Ansprechpartner die Sozialarbeiter und die Stockwerksbeamten. Mit dem Anstaltsleiter wüsste ich jetzt nichts anzufangen.

@Trolling Stone:

Kannte das Buch nicht :D Aber habe mir mal die Rezensionen durchgelesen. Werde es mir mal durchlesen, danke für den Tipp! :)

Kapitel 61 - Meine Spielsucht

Ich folgte der Psychologin in das Büro des Stockwerksbeamten, welches unbesetzt war. Man hatte es wohl nicht für nötig gehalten, mich über ein bevorstehendes Gespräch mit irgendeinem Psychologen zu informieren. Vielleicht war es auch der Sinn der Sache, dem Häftling keine Vorbereitungszeit zu geben. Einerseits befürchtete ich, dass die Psychologin mich wie ein offenes Buch würde lesen können oder gar Dinge herausfinden, von denen ich selber keine Ahnung hatte. Andererseits hatte sie mir im Vorhinein bereits mitgeteilt, dass es um meine Spielsucht ginge. Im Vergleich zu den anderen Häftlingen konnte man bei mir doch nicht ansatzweise von einer Sucht reden – oder vielleicht doch? Wie auch immer, ich wusste nicht, in welchem Zusammenhang das Resultat dieser Frage mit meiner Verlegung in den offenen Vollzug stehen sollte.

„Setzen Sie sich bitte hin“, wies mich die Psychologin auf meinen Platz ihr gegenüber hin. Ich betrachtete sie etwas genauer. Irgendwie hatte sie ja etwas von diesen Magie-Lehrern aus Hogwarts. Auch war der Raum leicht abgedunkelt, es hätte mich nicht sehr gewundert, wenn sie plötzlich einen Zauberspruch aus Harry Potter von sich gegeben hätte. Diese Szene spielte sich zwar noch in meinem Kopf ab, doch trotzdem bekam ich ein mulmiges Gefühl: waren gerade Psychologen nicht diejenigen, die in die Gedankenwelt eindrangen? Was das vor mir sitzende Psychologen-exemplar wohl so drauf hatte? Konnte es mich in Hypnose versetzen? Mich sagen lassen, was sie wollte? Doch im Endeffekt waren Psychologen wohl auch nur Menschen, das stellte ich in den nächsten Minuten fest: „Herr Ates, richtig?“ Ich bejahte. Sie fasste nochmals den Grund zusammen, wegen dem ich hier war: „Also, Herr Ates, bei Ihnen wird momentan geprüft, ob Sie in den offenen Vollzug können. Sie haben letztes Jahr bei Beratungsgesprächen aufgrund Ihrer Spielsucht teilgenommen. Ich möchte mehr darüber erfahren. Wollen Sie mir einfach mal was dazu erzählen?“ Das war wohl die beste Methode, um eine Basis für ein Interview zu schaffen: sich erstmal Informationen vom Gegenüber verschaffen. Ich legte los: „Um es gleich zu Beginn zu sagen, ich bin damals in der U-Haft nur zur Spielsuchttherapie, weil ich eine mildere Strafe wollte. Ich habe da auch etwas übertrieben. Das Ganze fand aber während meines Gerichtsprozesses leider gar keine Erwähnung. Meine Anwältin und ich waren uns einig, dass ich nicht wirklich spielsüchtig bin und das Gericht hat dies auch so akzeptiert.“

Mit ihrem Zeigefinger schob sie ihre Brille, die ihr einen leicht katzenartigen Look verlieh, auf ihrer Nase hoch. Offensichtlich war sie mit dieser Antwort nicht sehr zufrieden. Ihr Blick wurde sehr ernst: „In den Protokollen steht etwas ganz anderes. Außerdem hat Ihnen das Amtsgericht bereits damals eine Suchtberatung verhängt, welche sie nicht regelmäßig besucht hatten. Eine Spielsucht ist eine potentielle Gefahr, dass Sie wieder straffällig werden – durch Schulden, oder eben, weil Sie Geld zum Spielen brauchen. Daher ist es etwas Grundlegendes bei der Entscheidungsfindung zu ihrer Entlassung. Eine Spielsucht muss auf alle Fälle therapiert werden! Herr Ates, wenn wir hier weiterkommen sollen, dann müssen Sie mit mir kooperieren. Sagen Sie mir, wie viel Geld haben Sie für das Spielen schon ungefähr ausgegeben?“ Etwas rot wurde ich schon, als sie im Folgenden meine Vorstrafe erwähnte – die Frau war wohl gut informiert: „Also, bis jetzt, insgesamt? Und nur, was mein Geld war oder auch Schulden etc.?“ Sie bejahte beide Fragen. „Nun, hmm, ich weiß nicht. Vielleicht so 35.000 EUR … also so in den letzten sieben Jahren.“ So ganz konnte ich die Summe dann wirklich nicht abschätzen, doch sie reagierte relativ gelassen auf diese Zahl: „Und wie haben Sie ihre Spielsucht finanziert?“ Da brauchte ich nicht lange zu überlegen: „Ich habe immer nebenher gearbeitet. Habe mit Zeitung austragen angefangen, aber zu der Zeit habe ich noch nicht gezockt. Mit meinem ersten 400-EUR-Nebenjob in einem Supermarkt hat auch die Spielsucht angefangen. Danach habe ich noch in einem Bauhaus gearbeitet, in einer Tankstelle, in einem Kino und Pizza-Fahrer war ich auch eine Zeit lang.“

Diese vagen Aussagen schienen sie nicht zufrieden zu stimmen, weswegen sie nachhakte: „Und damit haben Sie insgesamt 35.000 EUR verdient und alles in Ihre Spielsucht reingesteckt?“ Auch wenn es jetzt etwas peinlich wurde, erzählte ich ihr die ganze Wahrheit: „Alles, was ich verdient hatte, habe ich sofort verzockt. Aber mein Vater hat auch viele Schulden bezahlt, die ich wegen meiner Spielsucht aufgenommen hatte. Einmal haben mir z.B. ca. 20 Leute insgesamt 6.000 EUR überwiesen. Ich hatte da so eine doofe Idee mit Affiliate-Marketing im Sportwettenbereich. Stattdessen verzockte ich jedoch das mir gegebene Geld.“ Über meine „Geschäftsidee“ wollte sie nichts weiter wissen. „Was haben Sie denn gespielt? Nur am Automaten?“, fragte sie, während sie sich eifrig Notizen machte. „Ach nein, ich habe nur Sportwetten gespielt, sonst nichts.“ Sie überlegte kurz: „Kennen Sie sich mit Sport aus? Also haben Sie willkürlich getippt oder weil Sie ein Kenner sind?“ Ich fuhr mit meiner Ehrlichkeitsschiene fort: „Ich habe wirklich keinerlei Ahnung von Fußball. Ich habe willkürlich getippt. Habe auch oft Kombi-Wetten gemacht. Also bei einem Schein auf mehrere Fußball-Ereignisse getippt. Damit ist die Verlustwahrscheinlichkeit höher, doch der mögliche Gewinn erhöht sich aufs Exorbitante.“ Sie versuchte der Sache weiter auf den Grund zu gehen: „Haben Sie schon von Anfang an diese Kombi-Wetten gemacht, oder hat sich das irgendwann gesteigert? Auf wie viele Ereignisse tippten Sie denn in etwa pro Schein?“ Ich kramte in meinem Hirn, und Bilder aus meinen spätpubertären Zeiten kamen wieder hoch: „Ich kann mich noch ganz genau an meinen ersten Tippschein erinnern, das Spiel war VfB Stuttgart gegen Hertha BSC. Ich war auf einem Portal angemeldet, auf dem man Angebote wahrnehmen konnte und Punkte bekam, welche man wiederum gegen eine Prämie einlösen konnte. Ich wollte zum damaligen Zeitpunkt unbedingt eine Xbox haben. Das Prinzip war einfach: Der Anbieter bekam eine Provision, wenn ich mich über seinen Link bei einem Sportwettenanbieter anmeldete und 10 EUR einzahlte, um damit zu spielen. Mit dieser Provision finanzierte der Anbieter dann einen Teil der Xbox. Und es war so, dass ich schon extrem viele solcher Angebote wahrgenommen hatte. So ein Angebot war beispielsweise der Abschluss von Zeitschriften-Abos. Ich brauchte nur noch ganz wenig Punkte, um meine Xbox zu bekommen. Es gab aber zu dem Zeitpunkt längere Zeit keine Angebote mehr, die gepasst hätten, bis eben auf diesen Sportwettenanbieter. Eigentlich wollte ich das überhaupt nicht in Anspruch neben, denn Glücksspiel jeglicher Art war haram, also eine Sünde im Islam, und als gläubiger Moslem konnte ich das zunächst nicht mit mir vereinbaren. Doch der Wunsch nach dieser Spielekonsole war so hoch und ich dachte, ich müsse ja nur 10 EUR einsetzen und sonst nichts mehr – es wäre ja nicht wirklich zocken in dem Sinne gewesen. Mein Ziel waren ja nur diese Punkte, um sie endlich gegen die Xbox einlösen zu können. Also zahlte ich 10 EUR ein, klickte dann wirklich völlig zufällig auf irgendwas bei dem Spiel VfB Stuttgart gegen Hertha BSC und bekam meine langersehnte Konsole. Als ich dann nach einer Weile mal wieder spontan den Sportwettenanbieter besuchte, um mal nachzusehen, wie meine Wette ausgegangen war, erblickte ich einen völlig überraschenden Kontostand von etwa 70 Euro. Dies erschien mir als extrem leicht verdientes Geld, was mich einerseits entsetzte, mir aber gleichzeitig ein positives Gefühl gab. Damit fing das Spielen an. Und ja, ich habe anfangs immer nur auf ein Spiel getippt, später dann tippte ich sogar auf zwischen drei bis zehn Spiele pro Tippschein.“

Das war wohl genug Input zu der Spielsucht, sie begann, andere potenzielle Süchte auszuloten: „Rauchen Sie?“, fragte sie plötzlich. Ich verneinte entschieden. „Wie oft trinken Sie Alkohol?“, ging es weiter. Abermals verneinte ich. „Ich habe noch nie einen Tropfen Alkohol getrunken.“ Auf ihrem Gesicht machte sich Verwunderung breit, so wie bei vielen anderen Menschen, denen ich das erzählte. „Sie haben Computerbetrug begangen. Wie ist denn ihre Beziehung zu Spielen im allgemeinen? Sie erzählten von der Xbox. Spielen Sie z.B. World of Warcraft?“ Ich musste kurz schmunzeln: „Nein, nein. Ich mag Videospiele nicht so. Habe damals Mario gespielt, aber eigentlich zocke ich heutzutage nur FIFA.“ Das notierte sie ebenfalls, vermutlich, weil sie das Videospiel FIFA mit meiner Sportwetten-Sucht in Verbindung brachte. „Also, Herr Ates. Vielen Dank für Ihre ehrliche und ausführliche Erklärung. Ich würde sagen, das ist auf alle Fälle etwas, was sie behandeln lassen müssen. Wie jetzt mit der Spielsucht umgegangen wird, müssen wir noch mit Herrn Kreuz abstimmen. Doch dazu mehr in Ihrem Gespräch nächste Woche.“ Abermals war ich überrascht, von einem Gespräch zu hören: „Herr Kreuz? Wer ist das? Und was für ein Gespräch nächste Woche?“

Während sie das Blatt zusammenfaltete, auf dem sie ihre Notizen gemacht hatte und aufstand, teilte sie mir den nächsten Knüller mit: „Herr Kreuz ist der Anstaltsleiter. Sie wissen also noch nicht, dass Sie nächste Woche mit ihm, einer Sozialarbeiterin und meiner Wenigkeit ein Gespräch zur Verlegung in den offenen Vollzug haben werden?“
 

Bruder Mad

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Herr von und zu Ates:

Das war hoffentlich ein Aprilscherz?!? knueppel.gif
 
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Bruder Mad

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Joa, ich denke schon, dass das ernst gemeint ist. Kann man ja auch irgendwie nachvollziehen, auch wenn es echt schade wäre..
 

Doc Lion

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Irgendwie dann doch wieder typisch für die türkische community.
Da ist dem Vater das Gelaber von irgendwelchen enfernt Bekannten oder Verwandte wichtiger, als die eigene, enge Familie.
Schon ein Shyce mit dieser (virtuellen) 'Ehre'.
 

Lokalrunde

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Heute ist der 2. April und es steht noch immer da... Mein Lesestoff! Ich hoffe immer noch auf einen Scherz...
 

T_Low_Benz

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Wiederum ist es komisch das es hier nicht geschrieben wurde. Müssen wir wohl abwarten.
 

Bruder Mad

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Bekomme einen "ERR_NAME_NOT_RESOLVED"-Fehler angezeigt...

Kann natürlich auch am UM-DNS-Server liegen. Aber ich glaube nicht, dass du einen anderen nutzt...
 

Bruder Mad

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Kopf -> Tisch -> REPEAT

Danke, ich hatte den Link von FB genutzt, da stand noch ein "www" davor...

--- [2018-04-03 00:25 CEST] Automatisch zusammengeführter Beitrag ---

Ich hab gerade Kapitel 62 gelesen... :D

BeSure, du Saque!!!
 

BeSure

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April, April!

Haha, Leute, das war echt fies von mir :P (Wahrscheinlich findet nur Trolling Stone das lustig, haha)
Aber ist ja mal einiges los gewesen hier :eek:
Einfach meine treuen Leser im ngb, ich liebe euch!
Wenn das Hafttagebuch mal als Buch rauskommt, will ich euch signierte Exemplare schenken :)

Als Entschuldigung, ein nächstes Kapitel

Kapitel 62 - Der Anstaltsleiter

„Glaub mir, Bruder. Das wird klappen!“, versuchte mein albanischer Kollege, mich zu motivieren. Ich hörte die Uhr förmlich ticken. Kaum konnte und kann ich mich daran erinnern, etwas so sehnsüchtig erwartet zu haben, wie das Gespräch mit dem Anstaltsleiter. Meine Freiheit stand immerhin auf dem Spiel, und diese – das war eines der Dinge, die ich während der Haftzeit feststellte – war sehr viel wert. Die kriminellen Pläne, die ich vor kurzem noch mit dem Albaner geschmiedet hatte, waren längst Schnee von gestern. Der Traum von der Freiheit ließ mich alles in der Richtung vergessen: Ich widmete mich wieder dem rechten Pfad. Ich würde studieren und einer anständigen Arbeit nachgehen. Genauso werde ich es auch dem Anstaltsleiter sagen – so dachte ich.

Während der Haftzeit fielen mir zwei Dinge an mir auf. Das erste war, dass ich mich nie wirklich auf Gespräche vorbereitete. Ich plapperte immer drauflos, ohne wirklich über die Konsequenzen nachzudenken: sei es mit meinem Anwalt, im Rahmen meiner Gehaltsverhandlungen, während der Gespräche mit den Sozialarbeitern etc. Zwar hatte ich stets ein paar Schlüsselbegriffe in meinem Kopf, doch niemals einen einstudierten Text oder sonstige Vorlagen. So kam es, dass ich auch dem Anstaltsleiter meine ungeordneten Gedanken präsentierte. Ich war der Meinung, dass ich dadurch authentischer wirkte und weniger Spielraum für Lügen zuließ. Andererseits konnte ich durch meine leichtfertigen Aussagen auch leicht in die Bredouille geraten, wenn sie gegen mich verwendet würden…

Die zweite Eigenschaft war mein ständiger Meinungswechsel, oder wie mein Vater so zu sagen pflegte: Ich hatte einen ausgeprägten Affengeschmack. Ich ließ mich schnell von der Meinung anderer beeinflussen. An einem Tag schmiedete ich kriminelle Pläne mit Häftlingen für die Zeit nach der Haft und am nächsten Tag träumte ich von dem Besuch meiner Familie und einem ehrwürdigen Leben. Vielleicht lag das daran, dass ich mir schon mein ganzes Leben lang von anderen Leuten vorschreiben ließ, was ich zu tun oder zu denken habe. Ich hatte stets das Gefühl, dass ich nicht in der Lage war, selber (richtige) Entscheidungen zu treffen. Ich sah alle anderen immer als die Klügeren und mit Weisheit Gesegneten an. Hauptsächlich sah ich die Ursache für diese (ziemlich schwache) Charaktereigenschaft in meiner religiösen Erziehung. Gerade in Bezug auf diese hatte ich, ohne Wenn und Aber, die Wahrheiten anderer als die meinige annehmen müssen. Ein Hinterfragen gab und gibt es nicht.

Als ob es nicht schon gereicht hätte, die komplette Woche auf den langersehnten Tag hinfiebern zu müssen, musste ich den gesamten Vormittag unruhig wartend zubringen, bevor ich endlich gerufen wurde. Das Mittagessen hatten wir bereits an die Arbeiter verteilt, welche auch bereits abgerückt waren, weshalb wir Reiniger uns bei einem Tässchen Kaffee dem Musiksender VIVA widmeten. Etwas peinlich war es dann jedoch schon, als die Sozialarbeiterin an der Zellentür stand und uns Reiniger dabei erwischte, wie sich unsere Köpfe synchron zum Wackeln des Popo von Nicki Minaj in dem Musikvideo „Anaconda“ bewegten. Ich kam mir vor wie diese Wackelkopfhunde, die man auf das Cockpit des Autos anbringt. „Herr Ates, kommen Sie?“, forderte mich die Sozialarbeiterin auf, sie zu begleiten. Ich sprang nochmals kurz in den WC-Bereich und begutachtete mich im Spiegel, um nach wenigen Sekunden festzustellen, dass ich „ganz nett“ aussah. Ich begab mich in das Büro der Sozialarbeiterin, die sich an ihren Platz setzte. Die Psychologin war ebenfalls da und saß rechts gegenüber der Sozialarbeiterin in Richtung Wand. Ein Stuhl stand auch schon für mich bereit, links gegenüber der Sozialarbeiterin in Richtung Tür. Zur Rechten der Sozialarbeiterin befand sich ebenfalls ein unbesetzter Stuhl. Keiner sprach. Die Psychologin schien sich bereits Notizen zu machen und die Sozialarbeiterin tippte ebenfalls noch an ihrem Rechner. Es verging keine Minute, als es an der Tür klopfte und ein großer, sehr schlanker Mann den Raum betrat. Er hatte etwas längere, blonde Haare, die nach hinten gegelt und gekämmt worden waren. Er hatte ein markantes Kinn und trug eine Brille. Unter seinem roten Pullover trug er ein weißes Hemd, das sehr dezent hervorlugte. Auch die blaue Hose sowie die Business-Schuhe sahen sehr hochwertig aus. Er entsprach genau dem Typ von reichem und irgendwie gebildet aussehendem Manager, wie es in den Hollywood-Filmen immerzu dargestellt wird. Mir war sofort klar, dass er der Anstaltsleiter war. Ich stand reflexartig auf, wonach er mich per Handschlag begrüßte und sich höflich vorstellte. Nachdem er sich hingesetzt hatte, forderte er mich ebenfalls dazu auf, mich zu setzen.

„Herr Ates, wir haben uns hier versammelt, um ihren Antrag auf die Verlegung in den offenen Vollzug zu prüfen. Ich weiß nicht, inwieweit Sie informiert sind, doch bevor Sie ins Freigängerheim verlegt werden können, müssen Sie erst in den – sagen wir mal, halb-offenen – Vollzug. Das ist bei uns Comburg. Haben Sie schon davon gehört?“ Ich bejahte diese Frage, Comburg war mir tatsächlich ein Begriff. „Gespräche mit den beiden Damen hier hatten Sie ebenfalls, nehme ich an?“, fuhr er fort, woraufhin beide angesprochenen Damen mir zuvorkamen und ebenfalls bejahten. „Nun, Herr Ates, ich würde vorschlagen, Sie erzählen mir jetzt einfach Mal, was Ihre Pläne sind, wenn Sie entlassen werden“, meinte er und zückte seinen Stift, um sich bereits etwas zu notieren. Ich erzählte schon zum gefühlt 100. Mal von meinem Plan, ein Studium aufzunehmen: „… an der Hochschule Ravensburg habe ich bereits meinen Studienplatz für das kommende Wintersemester bekommen. Ich würde der Hochschule schreiben und ein Urlaubssemester nehmen, damit ich zum Sommersemester starten kann. Ich möchte auf jeden Fall Wirtschaftsinformatik studieren“, schloss ich meine Worte zu meinen Plänen. Er kam mit den gleichen Fragen an, die ich zuvor bereits von anderen gehört hatte: „Wie gedenken Sie, Ihr Studium zu finanzieren?“ Ich machte ihm klar, dass ich finanzielle Unterstützung von meinem Vater zugesichert bekommen hatte und er bereits meine laufenden Anwalts- und Gerichtskosten trug. Außerdem würde ich einem Nebenjob nachgehen, zusätzlich zum Bafög. Überrascht war ich auf die Reaktion des Anstaltsleiters. Anders als die Sozialarbeiterin, kam er mir entgegen: „Das klingt doch schon mal gut. Ich kann ihren Willen zu studieren wirklich heraushören, und bin da auch recht zuversichtlich, dass Sie Ihr Studium erfolgreich absolvieren werden. Bei Ihnen wäre es dann jedoch frühestens Mitte Oktober möglich, nach Comburg verlegt zu werden.“ Ein breites Grinsen machte sich auf meinem Gesicht breit und meine Augen glänzten wahrscheinlich heller als jeder Stern an jenem Tag. Das sollte ein Glückstag werden! Dementsprechend säuerlich reagierte ich, als die Psychologin in das Wort des Anstaltsleiters fiel: „Herr Ates sollte auch noch seine Spielsucht therapieren. Das ist nicht zu unterschätzen…“ Der Anstaltsleiter war wohl genauso genervt wie ich, dass sie ihm ins Wort fiel: „Das mit der Spielsucht ist jetzt ein anderes Thema. Aber ja, Herr Ates. Wir werden entsprechende Vorschläge an das Gericht machen, welche sich auf ihre Bewährungsauflagen auswirken werden. Auch bezüglich der Spielsucht.“ In Gedanken lachte ich die Psychologin aus, in Wirklichkeit aber blickte ich die Sozialarbeiterin mit siegessicherem Grinsen an. Sie war die ganze Zeit still gewesen und beobachtete uns nur. Noch vor einigen Wochen wollte sie mir klar machen, dass das Studium nicht das Richtige für mich wäre und eine Verlegung in den Freigang nicht so einfach zu bewerkstelligen sei. Nun wurde sie endlich eines Besseren belehrt – dachte ich zumindest. Jedoch musste ja noch das berühmt-berüchtigte „aber“ folgen, sonst wäre das Ganze ja viel zu glatt über die Bühne gegangen: „Wenn es nach uns geht, können Sie wohl in den offenen Vollzug, Herr Ates. Jedoch läuft bei Ihnen noch das Abschiebeverfahren, welches ein Ausschlusskriterium für den offenen Vollzug darstellt und uns leider in der Hinsicht die Hände bindet – solange, bis das Regierungspräsidium eine Entscheidung gefällt hat.“

Ich war am Boden zerstört. Wozu das ganze Gespräch über den offenen Vollzug und Studium, wenn es dann am Ende doch an so etwas scheitern würde?
 

Bruder Mad

Pottblach™

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Du oller Saque, wir hatten sogar schon ein Rollkommando aufgestellt. Das war dein Glück, dass es jetzt doch weiter geht... :p :D
 
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