• Hallo liebe Userinnen und User,

    nach bereits längeren Planungen und Vorbereitungen sind wir nun von vBulletin auf Xenforo umgestiegen. Die Umstellung musste leider aufgrund der Serverprobleme der letzten Tage notgedrungen vorverlegt werden. Das neue Forum ist soweit voll funktionsfähig, allerdings sind noch nicht alle der gewohnten Funktionen vorhanden. Nach Möglichkeit werden wir sie in den nächsten Wochen nachrüsten. Dafür sollte es nun einige der Probleme lösen, die wir in den letzten Tagen, Wochen und Monaten hatten. Auch der Server ist nun potenter als bei unserem alten Hoster, wodurch wir nun langfristig den Tank mit Bytes vollgetankt haben.

    Anfangs mag die neue Boardsoftware etwas ungewohnt sein, aber man findet sich recht schnell ein. Wir wissen, dass ihr alle Gewohnheitstiere seid, aber gebt dem neuen Board eine Chance.
    Sollte etwas der neuen oder auch gewohnten Funktionen unklar sein, könnt ihr den "Wo issn da der Button zu"-Thread im Feedback nutzen. Bugs meldet ihr bitte im Bugtracker, es wird sicher welche geben die uns noch nicht aufgefallen sind. Ich werde das dann versuchen, halbwegs im Startbeitrag übersichtlich zu halten, was an Arbeit noch aussteht.

    Neu ist, dass die Boardsoftware deutlich besser für Mobiltelefone und diverse Endgeräte geeignet ist und nun auch im mobilen Style alle Funktionen verfügbar sind. Am Desktop findet ihr oben rechts sowohl den Umschalter zwischen hellem und dunklem Style. Am Handy ist der Hell-/Dunkelschalter am Ende der Seite. Damit sollte zukünftig jeder sein Board so konfigurieren können, wie es ihm am liebsten ist.


    Die restlichen Funktionen sollten eigentlich soweit wie gewohnt funktionieren. Einfach mal ein wenig damit spielen oder bei Unklarheiten im Thread nachfragen. Viel Spaß im ngb 2.0.

[Infothread] Traditionelles Zeichnen: Tipps und Tricks

KePa

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11 Aug. 2013
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Traditionelles Zeichnen: Tipps und Tricks

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Auf Wunsch erstelle ich hier einen Thread rund ums Zeichnen. Er dient weniger als Tutorial wie man Zeichnen lernt. Vielmehr soll er Tipps und Tricks enthalten, die vielleicht den ein oder anderen interessieren oder gar inspirieren. Teile hiervon sind schon in meiner Galerie vorhanden. Hier fasse ich sie zusammen und führe sie weiter aus. Dieser Thread darf gerne erweitert oder als Basis für Fragen und Diskussionen rund um Stift und Papier verwendet werden. :)

Zu meiner Person: Ich bin 22 Jahre alt und habe im Kindergarten angefangen Baukräne zu malen, da die Baustelle vor unserer damaligen Bleibe unheimlich spannend für mich war. Hin und wieder habe ich dann über die Jahre hinweg entweder in der Schule oder aus Langeweile etwas gezeichnet oder skizziert, bis ich es vor etwa einem Jahr neu für mich entdeckte und seither aktiv Projekte in Angriff nehme, sei es für mich oder Auftraggeber (im nicht geschäftlichen Sinn).

Kommen wir zum eigentlichen Thema. Ich habe das Ganze in mehrere Rubriken aufgeteilt.

Allgemeine Tipps

Geduld
Geduld ist eine Tugend. Die braucht es auch beim Zeichnen. Manchmal besonders viel sogar. Ich selbst kann mich eine halbe Stunde lang mit ein und derselben Linie beschäftigen. Daher: Nicht gleich frustriert aufgeben, es weiter versuchen, vielleicht an einer anderen Stelle weiter arbeiten oder eine kurze Pause einlegen. Nicht selten ist es nämlich sogar so, dass ein für uns kritischer Fehler im Endergebnis unbedeutend wird und untergeht.

Was zeichne ich?
Das ist jedem selbst überlassen. Wichtig ist jedoch, DASS man zeichnet und wenn es nur Skizzen sind. All das hilft seine Fähigkeiten weiter auszubauen, um später komplexere Projekte bewältigen zu können. Getreu dem Motto: Viel hilft viel.​

Zeichnen

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Zum Zeichnen gehören natürlich Stifte. Links, ganz gewöhnliche Bleistifte. Hier verwende ich Stifte mit den Härtegraden von 8B (butterweich) bis 5H (steinhart). Ein grosses Spektrum hilft unterschiedliche Dunkeltöne zu erreichen. Gerade bei ganz leichten Schattierungen machen sich harte Stifte bezahlt, wenn das Fingerspitzengefühl nicht mehr ausreicht. Bei dunklen Stellen sind weiche Stifte wichtig, denn man sollte das Pressen mit dem Stift vermeiden, sonst droht die Gefahr das Papier zu beschädigen und Getanes lässt sich schlechter radieren, da es förmlich graviert wurde.
Mittig sind Stifte zu sehen, welche lediglich aus Graphit bestehen. Diese sind hilfreich bei grösseren dunklen Flächen, wo Präzision weniger gefragt ist.
Auf der rechten Seite gibt es da noch die Kreiden. Erfüllen denselben Zweck nur in grösseren Dimensionen. Schwarze Finger sind garantiert. :D
Druckbleistifte können hilfreich bei feinen Details sein. Allerdings ist man hier bzgl. der Härtegraden stärker eingeschränkt als mit herkömmlichen Bleistiften. Bei einer Minenstärke von maximal 0,7 mm sind 2B die weichsten Minen, welche man bekommen kann. Allerdings muss man diese natürlich nicht ständig spitzen und sind vor allem beim Zeichnen von Haaren nützlich.

Natürlich kann man sich für den Anfang auf einen einzigen Stift beschränken und es gibt Künstler die damit grossartiges schaffen. Jedoch kann ein Set unter den oben genannten Aspekten sehr hilfreich sein, die Arbeit erleichtern und Möglichkeiten erweitern. Faber Castell bietet z. B. hochwertige Sets an, die sich für den Einstig aber auch für Profis sehr gut eignen, da sie alles mitbringen, was man zu Beginn gebrauchen kann.​

Klein - Mittel - Gross

Wer es teurer mag kann sich auch bei Caran d’Ache umschauen. Allerdings kann ich nicht sagen ob und wo hier Qualitätsunterschiede liegen. Mehr Details zu einzelnen Elementen gibt es in den folgenden Kategorien.​

Wischen

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Wer gleichmässige Flächen zeichnen will kommt ums Wischen nicht herum. Manch einer kennt das aus der Schule mit dem Graphitpulver aus dem Spitzer, welches man mit dem Finger auf dem Papier verschmiert. Der Finger eignet sich zum Wischen allerdings nicht, denn: Auf dem Finger ist Fett, Fett ergibt Flecken, Flecken sind unschön. Daher kann man u. a. auf folgende Utensilien zurückgreifen:

Estompe/Papierwischer: Links im Bild zu sehen, gerolltes und gepresstes Papier, an den Enden angespitzt. Sehr hilfreich zum Verwischen kleiner und feiner Stellen oder Glätten von Kanten, dafür allerdings etwas ungleichmässiger bei grösseren Flächen.

Q-tip/Wattestäbchen: Hat jeder im Haus und sind hilfreich beim Verwischen kleinerer Flächen.

Taschentuch: Hervorragend für grosse Flächen. Mit leichten Druck lassen sich gleichmässige Farbverläufe erstellen. Allerdings gilt: Je feiner und gleichmässiger die Schraffur, desto gleichmässiger und einheitlicher das Endergebnis.

Die oben genannten Dinge sind nur ein Teil der Werkzeuge mit welchen man sehr gut Graphit verwischen kann. Um z. B. eine Struktur in das Verwischen zu bekommen, kann man auch ein zerknittertes Stück Papier, einen Schwamm oder anderes benutzen. Experimentieren ist angesagt. Man kann aber auch damit „malen“. Dafür kann man z. B. auf einem Schmierblatt eine kleine Fläche mit einem weichen Bleistift füllen. Fährt man nun mit einem Estompe, Q-tip oder Taschentuch mehrfach darüber nimmt dieses etwas Graphit auf, welches man nun auf dem Bild auftragen kann.​

Radieren

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Dass man beim Zeichnen nicht radieren darf halte ich für ein Gerücht! :D Radierer gibt es in unzähligen Formen. Vom gewöhnlichen für grobe Korrekturen ganz links bis hin zum Präzisionsradierdruckstift für feine Highlights ganz rechts. Interessant ist jedoch die Knete in der Mitte. Diese lässt sich formen wie es einem beliebt und: Mit ihr kann man tupfen!
Während man mit einem herkömmlichen Radierer über das Papier streifen muss, reicht es mit der Knete zu tupfen. Dadurch, dass sie etwas klebrig ist, nimmt sie Graphit hervorragend auf. Hilfreich bei schwierigen Stellen. Aber sie kann noch mehr:
Stellen wir uns vor wir zeichnen eine braun getigerte Katze und schauen uns das Fell genauer an (oder stellen es uns zumindest vor). Das Haar der Katze meiner Eltern ist vom Ansatz an sehr dunkel, wird zur Spitze hin aber hell. Wie zeichnet man nun dieses Fell (was ohnehin schon schwierig ist)? Nun man könnte das Fell als dunkle Basis zeichnen. Dann kommt die Knete ins Spiel. Mit zwei Fingern drückt man sich eine schmale Kante und kann somit Highlights setzen, indem man mit dieser Kante die Spitzen der Haare tupft. Eine von vielen Anwendungsmöglichkeiten.​

Papier

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Zum Zeichnen kann man eigentlich fast jedes erdenkliche Papier benutzen. Trotzdem gibt es Unterschiede. Stärke, Beschaffenheit, eventueller Farbton,... All das wirkt sich mehr oder weniger auf das Bild aus. Gewollt oder ungewollt.
Oberfläche: Es gibt Papier mit sehr rauer Oberfläche, mit Struktur und welches, dass sehr glatt ist. Den Effekt, welchen es mit sich bringt, sieht man im Bild links. Das linke Papier ist das raueste. Es hat eine starke Struktur, was man an der Schraffur gut erkennen kann. Das wiederum wirkt sich ebenso auf das Wischen aus. Die Schraffur bleibt teilweise erkennbar. Auch ist es bei solch rauem Papier schwieriger scharfe Kanten zu zeichnen. Dies bringt allerdings meiner Meinung nach einen besonderen Charme durch diesen gegebenen "Weichzeichner" und den Gelbstich des Papiers mit sich. Bei solchem Papier ist es ebenso schwieriger kontrastreich zu zeichnen. Dunkle Stellen fallen schwieriger, da das Graphit die tiefen Stellen des Papiers schlechter erreicht. Das hellt die gesamte Fläche etwas auf.
In der Mitte ist anderes Papier zu sehen. Es besitzt ebenfalls etwas Struktur, ist aber feiner und besitzt keinen Gelbstich wie das linke. Nach dem Wischen sind die Schraffuren weniger sichtbar und dunkle Stellen gelingen gut. Rechts sehen wir noch glatteres Papier. Im Gegensatz zu den anderen beiden wirken Schraffuren weniger körnig. Dadurch werden Flächen nach dem Verwischen weicher. Durch das Mangeln an Körnung oder Struktur kann das Papier aber weniger Graphit aufnehmen. Man erreicht nicht ganz so dunkle Flächen wie bei dem mittleren Papier. Das raubt Kontrast.

Auch die Stärke des Papiers spielt eine Rolle (meist angegeben in g/m2). Für das Zeichnen eignet sich generell eher dickeres Papier mit einem Gewicht von z. B. 150 g/m2 aufwärts. Es ist widerstandsfähiger, was gerade beim Radieren wichtig sein kann. Es fühlt sich beim Arbeiten auch besser an als 60 g/m2 leichtes Druckerpapier.​

Sonstige Tools

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Neben den oben genannten Materialien gibt es noch diverse andere Tools, die man hinzuziehen kann. Links sieht man Schleifpapier, welches man zum Anspitzen der Kreiden oder Papierwischer benötigt. Ein Pinsel ist hilfreich, um Reste des Radierers zu beseitigen ohne mit der Hand über das Bild schmieren zu müssen. Die Hand verschmiert unter Umständen nicht nur das Gezeichnete, sondern kann auch, wie oben beim Wischen schon genannt, Fett oder Schweiss auf dem Papier hinterlassen. Zeichnet man später über eine betroffene Stelle, können diese Flecken sichtbar werden.

Rechts befindet sich ein Werkzeug der Marke Eigenbau. Eine Büroklammer an einem Stift befestigt. Wozu? Ein Beispiel: Man stelle sich Lippen vor. Lippen können Falten und Kerben enthalten. Je nach Lichteinfall gibt es bei diesen Falten helle, reflektierende Kanten und dunkle Schatten. Mit diesem Büroklammerstift kann man nun diese Falten vorsichtig in das Papier gravieren. Der Effekt? Schraffiert man nun über diese Stelle hinweg gibt es eine helle Linie, an welche das Graphit nicht hinkommt und eine dunkle Linie, wo es an der Kante hängen bleibt. Wer sich so ein Tool nachbauen will sollte darauf achten, dass das Ende des Drahts nicht scharfkantig ist, um das Papier nicht schwerwiegend zu beschädigen.​

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Ein Raster ist hilfreich, sollte man ein Foto zur Vorlage verwenden. Das zu zeichnende Bild lässt sich so einfach skalieren ohne Proportionen zu verletzen und es hilft zur Orientierung sowie Aufteilung der Arbeit. Entweder man druckt sich eins oder zeichnet es selbst. Zu berücksichtigen ist dabei allerdings die Stärke des Papiers unter welchem später das Raster liegt. Bei einem Gewicht von 200 g/m2 sieht man da nichts mehr durch. ;) Ich selbst verwende derzeit 120 g/m2.
Bei längeren Projekten empfiehlt es sich ein Blatt Papier unter die zeichnende Hand zu legen. Das verhindert, dass Fett und Schweiss auf dem Bild landet und Graphit verschmiert wird.

Ist ein Bild mal fertig geworden, will man natürlich lange daran Freude haben und es schützen. Dabei hilft ein Fixativ. Dies bildet einen Schutzfilm und sorgt dafür, dass das Graphit nicht so leicht vom Bild abgetragen oder verwischt werden kann. Wer sich das nicht kaufen will kann auch auf Haarspray zurückgreifen, sollte allerdings zuerst testen ob dieses nicht eventuelle Verfärbungen verursacht.​

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Digitalisierung & Nachbearbeitung

Gerne möchte man natürlich seine Werke auch digitalisieren. Am besten eignet sich hierzu eine Kamera. Schlechte Lichtverhältnisse können hier das Ergebnis allerdings deutlich beeinträchtigen. Leichte Schattierungen gehen schnell verloren und das Bild wirkt anders als real. Bei der Aufnahme sollte daher auf gutes Licht geachtet werden. Helles Tageslicht hilft. Wer das nicht hat kann sich z. B. günstige Tageslichtlampen zum Fotografieren kaufen. Diese gibt es schon im Zweierpack für rund 40€. Natürlich nichts hochwertiges, erfüllen aber ihren Zweck und schaffen gleichmässiges Licht mit breitem Spektrum.​

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Dabei sollte man darauf achten, dass die Lichtquellen in einem flacheren Winkel auf das Bild leuchten. Kommt das Licht aus der Richtung der Kamera, streut das Graphit das Licht zurück. Gerade dunkle Stellen leuchten dann hell auf. Es empfiehlt sich auch mit den Einstellungen der Kamera zu experimentieren. Jemand der erfahrener mit Fotografie ist kann hierzu gerne etwas beisteuern.​

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Nun hat man das Bild aufgenommen, stellt aber fest, dass es blasser und kontrastarmer als das Orîginal aussieht. Hier kann digital nachgeholfen werden. Mit GIMP lassen sich z. B. über die Funktion "Farben" -> "Kurven" die Werte des Bildes optimieren. Hier muss man etwas mit den Einstellungen experimentieren. Allerdings sollte man es nicht zu arg übertreiben, da sonst das Bild leidet und wie bei der Belichtung leichte Schattierungen untergehen könnten. Jemand der erfahrener mit digitaler Bildbearbeitung ist kann auch hier gerne etwas dazu beisteuern.​

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Wie uns unser Gehirn beeinflusst

Wenn wir uns zum Zeichnen eine Vorlage in Form eines Objekts oder eines Fotos nehmen, kommt es nicht selten vor, dass das, was wir zu Papier bringen teilweise stark vom Original abweicht. Dies hängt natürlich zum einem wesentlich von den Fähigkeiten des Zeichners ab. Es gibt aber auch andere Gründe, weshalb ein Bild nicht richtig gelingen mag: Nehmen wir an wir benutzen ein Foto, ein Portrait einer Person zur Vorlage und möchten dies zu Papier bringen. Gewöhnlich fangen wir an leichte Konturen zu ziehen, um Orientierungspunkte und einen Überblick über die Arbeitsfläche zu schaffen. Dann beginnen wir zu zeichnen. Dabei versuchen wir so nah wie möglich am Original zu bleiben, vergleichen immer wieder Foto und Zeichnung und dennoch: Irgendetwas stimmt nicht und wir bekommen das Gefühl das Thema verfehlt zu haben. Der Gesichtsausdruck, eine Emotion, welche im Foto vielleicht erkennbar ist, ist auf unserem Bild nicht vorhanden, Licht und Schatten entsprechen nicht denen des Originals, fehlende Details und vielleicht sieht es sogar deformiert aus, Proportionen sind verfälscht.

Wie kommt‘s?

Nun, es hängt davon ab, wie wir zeichnen, denn darin kann uns unser Gehirn beeinflussen. Wenn wir an ein Gesicht denken, hat es eine klare Vorstellung davon wie Augen, Nase, Mund und Ohren aussehen und diese Vorstellungen verfälschen unser Bild. Zeichnen wir unser Portrait, kommen wir z. B. an die Stelle an welcher wir ein Auge abbilden müssen. In dem Moment meldet sich unser Gehirn und sagt: „Ein Auge? Ich weiss wie das aussieht!“ Wie oben schon beschrieben, stellen wir allerdings später fest, dass das Auge nicht dem Foto entspricht.

Was ist passiert?

Nun, natürlich hat man sich beim Zeichnen des Auges am Original orientiert, dabei allerdings unterbewusst Details, Proportionen, Licht und Schatten teilweise oder völlig missachtet und mit dem Bild vermischt oder gar ersetzt, welches wir unterbewusst im Kopf von einem Auge haben.

Was ist der Hintergrund?

Nun, vielerlei Quellen (1, 2), die zu diesem Thema referieren erklären dieses Phänomen, welches auf die Funktionsweise unseres Gehirns zurückgeht, auf vereinfachte Art und Weise: Das gesamte Thema wird stark vereinfacht als „Zeichnen mit der rechten Gehirnhälfte“ beschrieben. (Vorweg: Da ich selbst kein Neurowissenschaftler oder der gleichen bin, kann ich einzelne Informationen nicht bestätigen, versuche aber zu erklären, was aus meiner Sicht damit gemeint ist.)

Vielmehr geht es allerdings um die Bereiche unseres Gehirns, die wir aktiv zum Zeichnen benutzen. In Bezug auf unser Portrait hilft uns der Bereich, welcher für die visuelle Verarbeitung von Daten und Informationen zuständig ist. Unsere Wahrnehmung erfasst beim Blick auf das Original Linien, Formen und Flächen, welche wir möglichst originalgetreu wiedergeben möchten. Hier kann uns aber der begriffs- oder symbolorientiere Bereich unseres Gehirns beeinflussen. Dieser ruft beim Anblick unseres Portraits sämtliche Informationen zu Augen, Nase, Mund etc. ab, welche dann vermischt mit dem was wir tatsächlich wahrnehmen zu Papier kommen. Hinzu kommt, dass die Informationen, die dieser Bereich abruft oft nicht ausreichend sind, um ein entsprechendes Objekt detailgetreu und dem Realismus nahe wiederzugeben. Frau Betty Edwards hat über diesen Sachverhalt sogar ein ganzes Buch geschrieben.

Wie kann man sich behelfen, das besser kontrollieren, die Fähigkeiten richtig einsetzen?

Wenn wir ein Objekt oder ein Foto zeichnen, zeichnen wir nichts anderes als Formen. Formen, die sich ergänzen und in ihrer Summe das eigentliche Objekt darstellen. Dabei können diese Formen natürlich deutlich komplexer sein als Kreise, Drei- oder Vierecke. Verdrängen wir die Tatsache, dass wir z.B. ein Auge zeichnen, sondern konzentrieren uns rein auf die Formen, die dieses Auge bilden, beschränken wir uns im Wesentlichen auf den Bereich unseres Gehirns, der uns bei der Verarbeitung von Daten und Informationen hilft. Wir geben das wieder, was wir tatsächlich sehen. Sehen im Sinne von Linien, Formen, Flächen.
Benutzen wir zum Zeichnen ein Raster, kann man sich natürlich hieran orientieren. Wie gross ist diese Form? Wo befindet sie sich? Welche anderen Formen grenzen an ihr an und wie „begegnen“ sie sich? Mit einem weichen Farbverlauf oder einer klaren Linie?
Bei weichen Schattierungen kann man Formen anhand ihrer Sättigung definieren. Hier ein Beispiel.​

You_lq.jpg You_example.jpg

Wer sich mit einem einfachen Trick behelfen möchte, kann folgendes tun: Man drehe das Originalfoto um 180°. Richtig, man zeichnet auf dem Kopf! Mit diesem Trick schaltet man den Einfluss des begriffs- und symbolorientierten Bereichs unseres Gehirns aus. Natürlich ist es ungewohnt etwas auf dem Kopf zu zeichnen aber es kann dem ein oder anderen helfen näher an das Original heranzukommen.

Zeichnet man unter der Berücksichtigung der oben genannten Informationen kann es häufig vorkommen, dass während des Führens des Stifts der Gedanke aufkommt „Was zur Hölle zeichne ich hier eigentlich? Das sieht doch bestimmt nicht aus wie auf dem Foto, wenn es fertig ist!“ Mein Tipp: Lehnt euch etwas zurück und betrachtet eure Zeichnung sowie das Original aus der Ferne. Nicht selten kommt es zu einem Aha-Effekt und man stellt fest, dass es besser aussieht als erwartet. Ausserdem lassen sich aus der Ferne leichter Fehler und Ungleichmässigkeiten erkennen.

Zu beachten ist, dass all diese Informationen vorerst nur bei Zeichnungen helfen, bei welcher wir eine Vorlage benutzen. Zeichnen wir ein Objekt aus unserem Kopf, brauchen wir natürlich auch eine Vorstellung von diesem. Hier kommt unser begriffs- und symbolorientierter Bereich wieder ins Spiel. Die einen können diese Vorstellung besser zu Papier bringen, die anderen weniger. Ganz besonders schwer ist z. B. das Zeichnen eines realistischen Gesichts. Es braucht eine sehr genaue Vorstellung davon, wie es aussieht, wie einzelne Teile davon aussehen, um diese Unmenge an Details unter Einbezug der richtigen Lichtverhältnisse, Proportionen zu Papier zu bringen, damit am Ende auch ein Gesicht entsteht, welches A realistisch aussieht und B auch die Emotion, die wir uns vorgestellt haben, richtig darstellt. Eine Aufgabe, die ich selbst noch nicht geschafft bzw. an welche ich mich noch nicht herangewagt habe. Heisst aber nicht, dass man dies nicht erlernen kann.
Gerade das Zeichnen nach Vorlage hilft uns neben dem Aufbau eines Muskelgedächtnisses auch zur Schaffung eines Verständnisses, wie gewisse Objekte aus spezifischen Perspektiven sowie unter gewissen Lichtverhältnissen aussehen. Diese Informationen helfen uns später ganz eigene Werke zu erschaffen. Künstler, die das jahrelang geübt oder einfach in die Wiege gelegt bekommen haben, zeichnen dann u. a. Bilder im Bereich des Hyperrealismus auf einer Fläche, die der eines nicht allzu grossen Esstisches gleicht und füllen diese mit einer Unmenge an Details.​

So viel erstmal hierzu. Ich behalte mir vor den Thread zu ergänzen. Ich hoffe, dass es interessierte Leser gibt und dass meine Informationen natürlich auch interessant sind. :D Wer Fragen hat soll sie stellen. Ich werde versuchen darauf Auskunft zu geben. Gerne darf zu diesem Thema auch ergänzt und diskutiert werden. :)
Wer selbst zeichnet und Bilder teilen möchte kann diese entweder in einer eigenen Galerie oder in diesem Thread zur Schau stellen. Mich würde es freuen!

Liebe Grüsse
KePa
 
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zum thema wischen kann ich nur sagen, ist unter zeichnern eigentlich verpöhnt. man schraffiert schattenflächen und übergänge, wischen sieht schnell scheisse aus und macht aus der zeichnung gerne mal ne unansehnliche wolkenlandschaft.
ich hatte mehrere zeichenlehrer und wischen haben sie allesamt verteufelt. und ich muss sagen ich hab diese einstellung im grunde übernommen, ich würde nie wischen.
aber jeder wie er mag...und wenn das ergebnis stimmt, warum nicht.
allerdings guck dir mal professionelle zeichner an, die wischen nicht, die schraffieren. und so kann man sehr geile schatten und übergänge machen. erfordert aber übung. aber daran haperts bei dir ja nicht ;)
beim radieren verhält es sich ähnlich, sollte so wenig wie möglich gemacht werden. aber zB. Knetratzes werden definitiv sozusagen auch von denen, die was auf sich halten, benutzt. um highlights zu machen nachträglich zB..
und manchmal werden flächen einfach zu dunkel, zb bei mir als linkshänder, weil ich wiedermal über die zeichnung wische mit meiner handfläche :P dann ist ein nachträgliches "abtragen" unausweichlich :D
 
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KePa

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  • #3
@del: Dass Wischen unter Zeichnern verpöhnt ist, ist mir neu aber interessant. :T Es ist durchaus so, dass wenn man es mit dem Wischen übertreibt, es auch unschön werden kann. Bei meinen bisherigen Zeichnungen habe ich allerdings sehr viel gezielt damit gearbeitet. Entweder um grosse Flächen gleichmässiger erscheinen zu lassen oder um dunkle Stellen noch dunkler zu bekommen. Bei Übergängen versuche ich auch durch das Schraffieren so nah wie möglich an das gewünschte Ergebnis heran zu kommen. Den letzten Schliff mache ich aber trotz allem meistens mit Wischen. Natürlich ist eine gleichmässige und saubere Schraffur die Basis für ein gutes Ergebnis, nachdem man die Fläche mit einem Taschentuch, Q-tip oder sonstigen bearbeitet hat. Ansonsten entstehen natürlich gerne, wie du es schon angesprochen hast, diese Wolkenlandschaften.
Ich schätze, es kommt auch einfach auf den Stil des Zeichners an. Manche Künstler arbeiten auch lediglich mit einem Kugelschreiber. ;) :D
 
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