Irgendwie finde ich es unfair, Überschriften und Texte im Nachhinein so zu verändern, dass es mit der Diskussion fast nichts mehr zu tun hat. Im übrigen müsste die Überschrift "Fachkräfte aus dem EU Ausland" heißen.
Also zum Ursprungstitel- und Text:
Diese Wirtschaftsflüchtlinge!
Oh dieser Schwachsinn!
*und ein Raunen geht durch das ngb*
Nö
Ein provokanter Titel, ich weiss. Dennoch ist er nicht so gemeint wie er vermuten lässt, sondern positiv.
Ein Titel, der nicht zum nachfolgenden Text passt.
Ich weiss gar nicht ob dieser Thread hinterher als Diskussionsthread dient oder doch eher als "Erfahrungsbericht".
Erfahrungsbericht.
Folgende Ausgangslage: Tag für Tag kommen einige (Wirtschafts-/ Kriegs-) Flüchtlinge zu uns.
Ich bin da ganz ehrlich, ich habe das immer mit einem skeptischen Auge betrachtet, wenn auch mir die Bewegründe der Flüchtlinge schon klar war (Krieg, wenig Verdienst etc.).
Es kommen nicht nur einige, sondern eine ganze Menge.
Wenn man aber, so wie ich, nie Kontakt zu Flüchtigen hatte, konnte man sich dennoch nie so richtig hinein versetzen. Evtl. daher der Groll.
Nein, der eine hat Erfahrungen mit Flüchtlingen, du hingegen nicht.
Wieso aber denke ich nun anders? Dazu komme ich jetzt.
Ab hier geht es nicht mehr um Flüchtlinge.
Ich arbeite in einem Pflegeheim, ist bei einigen sicherlich bekannt und dort als Stations-Leitung.
Vor ca. 4 Wochen kam der Chef zu mir und teilte mir mit, dass wir einen neuen Kollegen bekommen. Fachkraft (bei uns also 3 Jährig examinierte Pflegekräfte), männlich, knapp über 30.
Genau das was ich bei mir brauchte, männliche Unterstützung in diesem von Frauen dominierten Beruf.
Ich freute mich also innerlich, grinste kurz und nickte.
Mein Chef erzählte weiter. Unsere Unternehmensgruppe nimmt an einem Projekt teil ('Oh nein, bitte kein umgeschulter Bäcker, der ausser Pflege nix mehr bekommen hat' - führte ich einen innerlichen Monolog).
Vorurteile gegen Arbeitslose, die eine Umschulung machen!
Er, nennen wir ihn Paul, kommt aus Rumänien und wird bei uns fest anfangen, nehmen Sie ihn bitte an die Hand.
Ich glaube mein Blick war köstlich in dem Moment.
Aha, der Paul aus Rumänien. Hättest du ihn Peter genannt, hätte es wenigstens noch einen Lacher gegeben.
Chef erklärte mir noch ein paar Dinge, wann er kommt, wo er vorerst wohnt etc. etc.
Also auch Sachen, die dich gar nichts angehen. Mit Datenschutz hat es dein Chef nicht so, oder?
Nach dem Gespräch kreisten in meinem Kopf die Gedanken: 'Wie werden meinen Kollegen reagieren?', "'Oh Gott, die Bewohner...viele noch aus dem Zweiten WK geprägt', 'Kann er Deutsch, oder muss ich mein Schulenglish auspacken? Verdammt, was ist eine Koronare Herz Krankheit auf English? Und überhaupt!', 'Das Unternehmen bekommt sicher massig Zuschüsse dafür und haben eine billige Arbeitskraft! Das auf kosten der Bewohner!'
Das mit dem "kann er deutsch" ist eine gute Frage. Wenn er mit Bewohnern des Pflegeheimes zu tun hat, sollte er sich mit ihnen verständigen können.
Ihr seht, ich war voller Vorurteile und Skepsis. Wie auch sonst wenn man nur "Horror" Geschichten gehoert hat. Anderseits machte ich mir Mut und sagte mir selbst, dass man gefälligst erstmal abwarten sollte.
Nö, das sind teilweise berechtigte Fragen.
Natürlich bemühte ich zuhause die Google-Suche: Wie sind die Fachkräfte dort ausgebildet? Es stellte sich heraus, dass sie Fachlich top sind. Von Pflege verstehen sie wohl aber nichts, da dort überwiegend die Hilfskräfte die Grundpflege übernehmen.
Also eine richtige Ausbildung haben sie nicht, sollen hier aber den Job von examinierten Fachkräften übernehmen? Da würden bei mir sämtliche Alarmglocken schrillen.
Aber spulen wir etwas vor.
Videorekorder? Kassettenrekorder?
Teilweise waren und sind meine Kollegen immer noch sehr voreingenommen. Mittlerweile macht mich das wütend wenn ich diverse Sprüche höre.
Was denn für Sprüche? Dass jemand, der in Rumänien eine Hilfskraft der Grundpflege war, auf einmal in Deutschland als examinierte Fachkraft gilt?
Es kam also der Tag, da fing Paul bei uns an zu arbeiten. Top gepflegt, frisch rasiert und sprachlich leider noch nicht soo weit, aber das "Grund-Deutsch" beherrschte er.
Wenn er nur die Basics der deutschen Sprache beherrscht, wird es sicher früher oder später zu Problemen kommen, wenn er allein auf Tour geht und nicht mehr mit dir Händchen hält.
Wir gingen los und mir viel auf, wie unfassbar wissbegierig der Mann war. Er stellte viele Fragen (auch wenn ich ihn sprachlich verbessern musste, er aber auch genau das wollte, denn er will die Sprache so schnell wie möglich lernen), fasste direkt mit an und nahm mir sogar arbeit ab.
Na das ist doch positiv.
Die Tage danach kam er weiterhin immer puenktlich zum Dienst, blieb mit am längsten und lernte SEHR schnell, vorallem auch unsere Sprache.
Pünktlich sollte jeder zum Dienst kommen. Aber sehr schön, wenn er weiter Deutsch lernt und sich verbessert.
Da war er also, unser Wirtschaftsflüchtlung. Gar nicht so faul und dumm wie meist behauptet.
Er ist kein Wirtschaftsflüchtling, sondern jemand aus einem EU Land, der dank der EU Freizügigkeit auch in Deutschland arbeiten darf. Somit nicht vergleichbar mit Wirtschaftsflüchtling.
Die Tage haben wir uns ueber seine Arbeit und sein Leben in Rumänien unterhalten. Das meiste auf English, aber so konnte man wenigstens ohne Sprachbarriere sprechen.
Besser wäre gewesen, nur deutsch zu sprechen, weil er so besser lernt.
Er hat eine 2j. Tochter und eine Frau (auch Pflegerin) und kann diese erst in 6-12 Monaten zu uns holen.
So ist nun einmal die Regelung.
Da machte es bei mir Klick. Meine Tochter ist ebenso alt und auch ich bin verheiratet. Würde ich nicht auch alles dsran setzen ihnen ein besseres Leben zu ermoeglichen? Definitiv ja.
Er ist nun also alleine in Deutschland, sieht seine Frau und Kind fruehstens in 6 Monaten und hat hier sonst nichts.
Ich musste schlucken und von da an...sah ich die Flüchtlinge anders.
Nochmal: Er ist kein Flüchtling.
Jeder der Vorurteile hat, empfehle ich mal Kontakt zu Flüchtlingen aufzunehmen und ja, es gibt sicherlich schwarze Schafe, aber der Großteil hat mehr als verständliche Gruende.
Es wurde nie behauptet, dass es nur schwarze Schafe unter den Flüchtlingen gibt.
Wir hatten sogar schon privat Kontakt und ich hab ihm die Stadt gezeigt.
Sehr schön.
Gruss cokeZ
P.S.: Ja, er hat sogar ein Smartphone
P.P.S: Er verdient dasselbe wie wir Fachkraefte, wird also nicht ausgebeutet.
Ich hoffe es ist verständlich veschrieben (Handy ftw!) und ich bin im richtigen Bereich gelandet.
Er arbeitet, warum sollte er sich dafür nicht etwas kaufen dürfen? Weißt du, ob dein Betrieb ihn voll finanziert oder kriegen sie Zuschüsse vom Staat?
Als richtiger Bereich hätte ich eher das FUN empfunden.
Bei deinem Bericht machen mir ein paar Sachen Bauchweh:
- dein Chef, der es nicht mit dem Datenschutz hat
- dass der Betrieb eine Pflegehilfskraft als voll examinierte Fachkraft beschäftigt
- du mit deinem Durcheinanderbringen von EU Fachkräften und Flüchtlingen